Ich bin kein Osmanologe, und von daher will ich mich hier nicht mit falschen Behauptungen auf die Äste wagen. Im folgenden nur ein paar Gedanken...
Als die Seldschuken nach der Schlacht bei Mantzikert 1071 in Kleinasien einfielen, fanden sie ein Gebiet vor dass seit mindestens 1500 v.Chr. durch Hochkulturen zivilisiert worden war. Hethiter, Lydier, Phryger Griechen, Römer, Oströmer und andere gaben sich ja ständig die Klinke in die Hand. Auch die ganze Oströmische (Byzantinische) Verwaltung und Infrastruktur dürfte bei Ankunft der Seldschuken intakt gewesen sein. Selbige wurde wahrscheinlich auch teilweise im Sultanat von Rum übernommen. Die Türken standen aber schon lange vor 1071 in engem Kontakt mit Persien. Von daher dürften sie, abgesehen von vielen persischen (und arabischen) Elementen in der türkischen Sprache, auch viele zivilisatorische Errungenschaften vom Persischen Reich übernommen haben.. über die Küche, die Verwaltung, das Recht. Da Persien schon im 7. Jh. von den Arabern erobert und islamisiert worden war, dürfte durch den Kontakt mit Persien auch einiges arabisches Wissen zu den Seldschuken gelangt sein. Wie es Punkto Militär aussieht, weiss ich nicht. Die Perser hatten eine sehr gefürchtete schwer gepanzerte Reiterei, die Kataphrakten. Auch die Türken waren gut zu Ross. Aber das waren sie wahrscheinlich schon seit ihrer Zeit in Zentralasien. Generell muss man aber sagen, dass das ganze Mittelalter hindurch der moslemische Kulturkreis dem Abendland kulturell in vielen Belangen weit überlegen war. In der Medizin, der Bewässerungstechnik, der Mathematik, der Astronomie, etc. etc. griffen die Moslems immer noch auf altem Wissen des Altertums zurück und entwickelten es weiter. Die Westeuropäer hingegen hatten dieses Wissen verloren, und waren technisch und wissenschaftlich unterlegen.
Die Osmanen haben durch die Knabenlese vor allem ihre Genzusammensetzung verändert. Ich denke, in jedem Türkeitürken steckt irgendwo auch noch ein Serbe, Bulgare, Grieche, Georgier oder sonstiger Nichtasiate drin. Heute darüber zu urteilen ob das unmenschlich war, ist müssig. Die moralischen Standards waren damals eh anders. Die Sultane wollten einfach die beste Elitetruppe haben, und das liess sich am besten durch "Militärsklaven" wie die Janitscharen bewerkstelligen. Für die Familien der entrissenen Kinder war es sicher nicht einfach. Doch dass die Kinder beim Sultan ein materiell besseres Leben hatten, dürfte ironischerweise wahrscheinlich sogar stimmen. Dass Familien ihre Kinder freiwillig hergaben könnte zutreffen, aber dann eher für die Zeit nach 1600 als auch Türken bei den Janitscharen mitmachen durften. War auch die Zeit, als diese Truppe ihre Schlagkraft und Loyalität einbüsste, wahrscheinlich aus ebendiesem Grunde.
In meinen Augen waren die Katholiken, und vor allem die in Iberien, die "Taliban des Spätmittelalters", was die religiöse Toleranz anbelangt. Als im Zuge der Reconquista die letzten Araber aus Al-Andalus vertrieben wurden, war es auch das Ende des jüdischen Spaniens. Viele Juden (und auch Moslems) mussten zwangskonvertieren oder wurden umgebracht. Wer trotz Konvertierung kein Schweinefleisch essen wollte galt als falscher Konvertit und heimlicher Jude oder Moslem. Die meisten sephardischen Juden flohen aus Iberien, und fanden über Süditalien gehend dann Unterkunft im Osmanischen Reich. Thessaloniki vor allem hatte bis zur Kleinasiatischen Katastrophe 1922 einen Anteil an Juden in der Bevölkerung von sicher mindestens einem Drittel. Auch Konstantinopel und andere Zentren hatten sehr viele Juden. Und die Religionspolitik der Osmanen war, genauso wie die der Araber in Iberien geradezu liberal, wenn man sie mit der der katholischen Spanier und Portugiesen des 12. bis 15. Jh. vergleicht.
Heraclius