25.11.2006
Kronzeuge "Bugsy": Djindjic-Mord war ein "politischer Mord"
Geheimdienstmitarbeiter habe Zemun-Clan informiert - Ermordung habe auch mit Mord an Stambolic und Mordanschlag auf Draskovic zu tun
Belgrad - Der Mordanschlag auf den serbischen Premier Zoran Djindjic sei ein "politischer Mord" gewesen, sagte der Kronzeuge im Djindjic-Prozess, Dejan Milenkovic ("Bugsy"), am Freitag beim Prozess gegen die mutmaßlichen Attentäter in Belgrad. Auf die Frage nach den Motiven erklärte "Bugsy" laut Belgrader Medien, dass die Mitglieder des Mafia-Clans aus dem Belgrader Stadtviertel Zemun Angst vor Festnahmen gehabt hätten. Der Prozess musste am Freitagvormittag kurzzeitig unterbrochen werden, da ein im Publikum Anwesender plötzlich starb.
"Bugsy" sagte vor Gericht zudem, dass ein Geheimdienstmitarbeiter den Zemun-Clan über Aufenthaltsorte und Bewegungen von Djindjic informiert habe. Branko Bezarevic habe dafür 50.000 Euro erhalten. "Ich habe mich oft mit Bezarevic getroffen, und wir haben uns auch 40 bis 50 Mal telefonisch gehört", so der Kronzeuge.
Zusammehang
Die Djindjic-Ermordung habe auch mit dem Mord an dem serbischen Ex-Präsidenten Ivan Stambolic sowie mit dem Mordanschlag auf den serbischen Außenminister Vuk Draskovic zu tun. Die Entscheidung, Djindjic zu ermorden, sei auch nach der Information getroffen worden, dass der Ex-Mafia-Chef Ljubisa Buha "Cume" die Polizei über zahlreiche Entführungen und Morde des Zemun-Clans informiert habe.
Bereits am Donnerstag hatte "Bugsy" den serbischen Ex-Vize-Premier und nunmehrigen Chef der Sozialdemokraten, Nebojsa Covic, und den Vorsitzenden der Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vojislav Seselj, beschuldigt, vom Vorhaben der Mafia, Djindjic zu ermorden, gewusst zu haben. Den Mord hätten - wie in der Anklage angeführt - die Mafia-Chefs Milorad Ulemek ("Legija") und Dusan Spasojevic organisiert. Covic und die SRS hatten umgehend dementiert.
Macht
Ziel sei es gewesen, die Regierung zu stürzen und die SRS an die Macht zu bringen, führte Milenkovic aus. Denn der Zemun-Clan habe auf die Djindjic-Regierung keinen Einfluss gehabt, und zudem seien Festnahmen von Mafia-Angehörigen zu erwarten gewesen.
Unterdessen erklärten Rechtsexperten, dass das Gericht in Belgrad die Aussagen von "Bugsy" nicht als unstrittige Wahrheit betrachte. Die Aussagen von Milenkovic würden nur einen weiteren Baustein bei der Beweisführung darstellen. Sollte das Gericht feststellen, dass "Bugsy" im Zeugenstand die Unwahrheit sagte, könne er wieder zurück auf die Anklagebank befördert werden.
Dobrivoje Radovanovic vom Institut für kriminologische Forschungen erklärte, dass die Aussagen von Milenkovic den Prozessverlauf nicht entscheidend verändern würden. Das Verfahren basiere fest auf anderen Beweisen. Die Zeugenaussagen könnten aber durchaus zu neuen Prozessen führen, sagte Radovanovic.
derstandard.at