In der Türkei ist der Rechtsstaat gefährdet. Die Regierung erlässt eigennützige Gesetze. Ermittlungsverfahren wegen Korruption gegen Prominente aus dem unmittelbaren Umfeld des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan werden eingestellt.
Die Korruptionsermittlungen wurden am 17. Dezember des vergangenen Jahres publik, als der damalige Istanbuler Oberstaatsanwalt Zekeriya Öz landesweit Dutzende Wohnungen durchsuchen und 53 Personen festnehmen ließ. Die Maßnahmen richteten sich gegen Minister, Lokalpolitiker, Immobilienlöwen und andere Prominente aus dem engsten Kreis der Regierung. Vier Minister mussten kurz darauf unter dem Druck der Öffentlichkeit zurücktreten. Der damalige Ministerpräsident und heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ging sofort zum Gegenangriff über, verdammte die Ermittlungen als „Putschversuch“ eines „Parallelstaates“ seines früheren Weggefährten und neuen Erzfeindes Fethullah Gülen, eines moderaten Islampredigers, der seit 1999 im US-amerikanischen Pennsylvania lebt.
Eine zweite Durchsuchungswelle am 25. Dezember wurde vom Justizministerium gestoppt. Dann wurden die Chefermittler versetzt und durch Erdogan-treue Juristen ausgetauscht, mehr als 1000 Richter und Staatsanwälte sowie etwa 40 000 Polizeibeamte ihrer Posten enthoben.
Die meisten betroffenen Juristen und Polizisten weisen eine Verbindung zu Gülen weit von sich, doch war Erdogans Vorwurf, dass ein geheimes Netzwerk der Gülenisten die Herrschaft der AKP infrage stelle, wohl nicht völlig aus der Luft gegriffen. Beweise für eine kriminelle Vereinigung oder einen Putschversuch konnten gleichwohl bis heute nicht vorgelegt werden.
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