Der
Untergang des Weströmischen Reichs im Jahre 476 verstärkte bei den Völkern des
Oströmischen Reichs die Verbundenheit zum
Christentum und, mehr als je zu vor, zum Römertum. Obwohl sie ihre Regierung nun nicht mehr mochten als vorher, so wurde sie zumindest von den Griechen unter ihnen nicht mehr als fremd angesehen, da sie endgültig nicht mehr in Händen der italischen
Latiner war. Der Begriff
Hellene allerdings war im Zuge der
Christianisierung des Römischen Reichs bereits mit einer neuen Bedeutung (
Heide) belegt worden und deshalb auf eine Person griechischer Herkunft oder Kultur nicht mehr ohne Weiteres anwendbar. Stattdessen etablierte sich nach und nach der Name
Romioi (Ρωμιοί) als Bezeichnung für die Griechen, den sie für sich in der Form anwendeten, wie heute der später im Westen erschaffene Begriff
Byzantiner auf sie angewendet wird.
Wiederbelebung der Bedeutung von „Hellene“ [Bearbeiten]
Die Einnahme von Konstantinopel, von
Eugène Delacroix, 1840. Die Plünderung Konstantinopels durch die
Kreuzritter im Jahre 1204 rief erbitterten
griechischen Nationalismus und Verachtung den
Lateinern gegenüber hervor, wie zeitgenössischen Dokumenten zu entnehmen ist.
Niketas Choniates zeichnet in seinen Chroniken ein genaues Bild der Plünderung, wie auch deren Nachwirkungen.
Der säkulare Gebrauch von
Hellene erfuhr im 9. Jahrhundert eine Wiederentdeckung, nachdem das
Heidentum faktisch ausgemerzt worden war und keine Gefahr mehr für die christliche Dominanz darstellte. Dabei folgte die Wiederentdeckung der alten Bedeutung denselben Weg zurück, den der Begriff in seinem Bedeutungswandel gegangen war. In der
Antike ursprünglich ein ethnischer Begriff, war
Hellene in der hellenistischen Epoche ein kultureller, und im
Christentum schließlich ein religiöser. Mit dem Verschwinden des Heidentums und der Wiederentdeckung der Wissenschaften gewann der Begriff zunächst seine kulturelle Bedeutung und schließlich, im 11. Jahrhundert, seine antiken Bedeutung zurück.
Hellene stand fortan, neben dem bereits gebräuchlichen Römer (Romios, Ῥωμιός), für den ethnischen Griechen.
Zeugnisse aus der Zeit zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert und der Folgezeit (
Anna Komnena,
Michael Psellos,
Johannes III. Vatatzes,
Georgios Gemistos Plethon u. v. a.) belegen die Wiederbelebung der Bezeichnung
Hellene als potenziellen Ersatz für ethnische Bezeichnungen wie
Graikos oder
Romios. Beispielsweise bezeichnete Anna Komnena ihre Landsleute als
Hellenen, benutzte die Bezeichnung aber nicht im Sinne von
Heide. Außerdem rühmte sie sich ihrer hellenischen klassischen Bildung, wobei sie griechische
Muttersprachlerin war und
griechisch nicht erst als Fremdsprache erlernen musste.
Die erneute Gründung der
Universität von Konstantinopel förderte ein Interesse insbesondere an den griechischen Studien.
Patriarch Photios I. reagierte gereizt auf die Bevorzugung hellenischer Studien gegenüber anderen geistigen Arbeiten. Michael Psellos empfand es als Kompliment, als Kaiser
Romanos III. ihn seiner hellenischen Bildung lobte, während er es als Schwäche empfand, dass der Nachfolger,
Michael IV., nicht im Mindesten eine solche gehabt hatte.
[41] Anna Komnena behauptete von sich, sie habe die hellenischen Studien in höchstmöglichem Ausmaß betrieben
Diese Fälle veranschaulichen, dass ein Punkt erreicht ist, an dem die griechischen Byzantiner sich auf einer politischen Ebene als Römerhellenisch definieren. Eustathios von Thessalonike differenziert zwischen diesen Bedeutungen in seinem Bericht vom Fall Konstantinopels im Jahre 1204, indem er die Invasoren als Lateiner bezeichnet, und damit all jene zusammenfasst, die der Römisch-Katholischen Kirche angehörig waren, während er mit Hellenen[44] Die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter verstärkte das griechische Nationalgefühl im Reich. Niketas Choniates bestand auf die Benutzung der Bezeichnung Hellenen und betonte die Verbrechen der Lateiner gegen die Hellenen auf dem Peloponnes und dass der Fluss Alpheios die Neuigkeiten zu den Barbaren nach Sizilien tragen würde, den Normannen.[45] Nikephoros Blemmydes bezeichnete die Byzantinischen Kaiser als Hellenen[46] und Theodor Alanias schrieb in einem Brief an seinen Bruder, dass „die Heimat vielleicht erobert wurde, Hellas aber dennoch in jedem weisen Manne weiterlebt“.[47] Kaiser Johannes III. schrieb aus dem Exil in einem Brief an Papst Gregor IX. über die Weisheit, die „auf die hellenische Nation herabregnet verstehen, sich ihrer Herkunft nach aber strikt als die überwiegend griechische Bevölkerung des Oströmischen Reiches meinte.
Er behauptete, dass die Übertragung der kaiserlichen Macht von Rom nach Konstantinopel national gewesen sei, nicht nur geografisch und es den Lateinern nicht zustehe, Konstantinopel zu besetzen: Das Erbe Konstantins, so argumentierte er, wurde an die Hellenen weitergegeben und sie allein seien dessen Erben und Nachfolger.[48] Sein Sohn, Theodor II. Laskaris bietet weitere Zeugnisse des aufgekeimten hellenischen Nationalgefühls als er schreibt, dass die hellenische Sprache über allem anderen stehe. Außerdem schreibt er, dass „jede Form der Philosophie und des Wissens auf Entdeckungen der Hellenen zurückgehen... Was hast du, O Italiker, vorzuweisen?“[49] Äußerungen wie diese veranschaulichen in deutlicher Weise die Steigerung griechischen Nationalismus als Folge des 4. Kreuzzugs. Außerdem dokumentieren sie die semantische Rückkehr der Bezeichnung Hellene zu einem Begriff der ethnischen Zugehörigkeit.
Die Entwicklung dieser Bezeichnung vollzog sich langsam, ersetzte aber die Selbstbezeichnung Romios (Ῥωμιός) nie vollständig. Entsprechend nannte Nikephoros Gregoras sein Werk Römische Geschichte.[50] Kaiser Johannes VI., ein großer Befürworter der hellenischen Bildung, bezeichnete in seinen Erinnerungen die "Byzantiner" als Römer.[51] Dennoch wurde er in einem Schreiben vom Sultan Ägyptens, Nasser Hassan Bin Mohammed, als „Kaiser der Hellenen, Bulgaren, Asanen, Walachen, Russen, Alanen“ angesprochen, nicht aber der Römer.[52] Im 15. Jahrhundert betonte Georgios Gemistos Plethon Kaiser Konstantin Palaiologos gegenüber, dass das Volk das er führte hellenisch sei, wie deren „Rasse, Sprache und Bildung“ beweise[53], während Laonikos Chalkokondyles sich dafür aussprach, den Begriff RömerHellenen zu ersetzen.[54] Kaiser Konstantin Palaiologos selbst nannte Konstantinopel einen „Zufluchtsort der Christen, Freude und Hoffnung aller Hellenen“.
Bezeichnungen für die Griechen