"... Er erzählt, wie die Ahnen der Franken nach der Eroberung aus Troja entwichen, und wie sie sich nachher unter dem Könige Friga in zwey Haufen getheilt, wovon der eine nach Macedonien übergegangen, der andere aber unter diesem König Asien durchstreift, und am Ufer der Donau und des Meers sich niedergelassen.
Diese hätten dann wieder sich zweyfach getheilt, und die eine Hälfte sey unter ihrem Könige Francion in Europa eingedrungen, hätte mit Weibern und Kindern diesen Welttheil durchirrt, sich am Ufer des Rheins niedergelassen, und ohnfern von ihm eine Stadt nach dem Namen von Troja zu bauen angefangen, die aber unvollendet geblieben.
Der andere Theil, der an der Donau zurückgeblieben, hätte sich einen Turchot zum König erwählt, von dem sie Türken genannt worden, wie die andren von Francion, Franken; welche letztere noch lange Zeit hernach durch Herzoge ihre auswärtigen Besitzthümer beherrscht, bis auf Siumo Markomir und Genebald zur Zeit des Kaisers Theodos. Aus dieser Stelle bestätigt sich vollkommen die Angabe Hunibalds, wie Sachsen und Franken sich als Stammverwandte von Troja her erkannt, und die spätere Verknüpfung dieser Sage mit der Alexandersfabel bey Wittekind und Ottfried, der ausdrücklich sagt, wie er in Büchern gelesen, die Franken seyen in Sippe ja in Achte Alexanders Schlachte.
Andererseits erläutert sich daraus das Verhältniß der Franken zu den Türken, und hier kommen der fränkischen Sage unabhängig für sich bestehende türkische entgegen. Theodor Gaza in seiner kleinen Schrift über den Ursprung der Türken in der Basler Sammlung der Script. Rer. Turc. p. 217 bringt bey: im Jahr 870 brachen die Türken unter ihrem tapfern Anführer Soliman, den sie unter allen andern als Anführer sich erwählt hatten, aus ihrem Vaterlande hervor und fielen in Persien und Kleinasien ein. Und weil sich nun dieser Soliman trojanischen Ursprungs rühmte, so halten einige dafür, von den Trukern, wie man die Trojaner nannte, hätten die Türken den Namen erhalten. Der alte Scylax zur Zeit des Isak Comnenus setzt seinen Stamm dieser Türken an den Ister in Europa, und Balderich, vom Anfang des zwölften Jahrhunderts, in seinen 4 Büchern historiae Hierosolymitanae sagt: die Türken rühmten sich aus dem Geschlechte der Franken entsprossen zu seyn, indem ihre Ahnen von diesem Volke abgestammt, weßwegen auch eigentlich nur sie und die Franken kämpfen dürften. Wieder aber beginnt oben im Norden die Hervararsaga*):
So findet sich geschrieben in den alten Büchern, daß Jolunheimer genannt ward das Land, das nördlich lag bey Gandwyk und südlich bey Lundzland, und ehe die Tirkiar (Türken) und Asiaten nach Norden kamen, bewohnten diese nordischen Landschaften Riesen und Halbriesen." Das alles ist nun aber weiter nichts als die uralte persische Sage von Feridun, der die Welt unter seine drey Söhne getheilt, nachdem er Zohak überwunden. Dem Iradeh gab er Iran, dem Thur Turan, ganz Scythenland, dem dritten Selm aber Rumi und alle Länder im Westen. Feridun ist hier Friga, Thur aber Turchot, Selm der Führer des zweyten Stamms nach Macedonien oder Rumi, Frank endlich statt Iradeh, da die Orientalen alle Europäer Firenkan nennen.
Was aber die von den Franken erbaute Stadt betrifft, so findet sich schon am Anfange des achten Jahrhunderts (720) eine Abweichung bey dem anonymen Verfasser der Gesta regum Franc. bey Du Chesne. Dieser berichtet nämlich, Priamus und Antenor seyen mit 12000 Trojanern zu Schiffe bis zum Tanais und durch die mäotischen Sümpfe bis zu den Gränzen Pannoniens gekommen. Dort hätten sie zu ihrem Andenken eine Stadt erbaut, und sie Sicambria genannt. Viele Jahre wären sie dort geblieben und seyen zu einem großen Volke erwachsen, bis zur Zeit Valentinians, wo die Alanen gegen diesen Kaiser sich empört, weil die mäotischen Sümpfe gegen jede Verfolgung sie geschützt. Die Sicambrer aber von ihrem Kaiser aufgefordert, hätten bis in ihre Schlupfwinkel sie verfolgt und sie ausgerottet, und seyen darum auf zehen Jahre abgabenfrey erklärt worden; als man aber in der Folge wieder Auflagen abgefordert, hätten sie sich empört, und seyen darum vom Kaiser Franken, d. i. Wilde genannt worden. Da der Nahme lange vor Valentinian schon in der Geschichte erschienen, so muß, wenn hier nicht von den zurückgeblieben Franken Turchots die Rede ist, der letzte Theil der Nachricht auf einem ähnlichen Mißverständniß beruhen, wie die Verwechslung Sicambrias am Mäotis mit Buda oder Etzelburg, das ehemals Sicambria geheißen, weil die Legio Sicambrorum, gebildet aus den von Drusus am Niederrhein besiegten Sicambern, wie dort gefundene Innschriften erweisen, sie gebaut. Freculphus Lexoviensis am Anfange des neunten Jahrhunderts sagt: Von Phrygien ging ein Volk aus, das streifend durch viele Lande unter seinem König Francio nach seinem Namen sich benannte und nach vielen Kämpfen sich in Europa zwischen Rhein und Ister ansiedelte. Nach dem Tode dieses Königs führten sie viele Kriege, wodurch sie so aufgerieben wurden, daß ihnen wenig Volk übrig blieb. Darum wählten sie sich Herzoge, jedes fremde Joch verschmähend. Andern zu Folge sollen sie jedoch von Scanzia ausgegangen seyn, und es ist auf dieser Insel noch jetzt ein Land Fancia genannt.
Der Mönch Aimon im eilften Jahrhundert (vor 1002) führt beyde Sagen, die des Anonymen zuerst, dann die des Fredegar als zwey verschiedene an; das Chronikon Bedani aber verwirrt beyde mit einander, indem es Sicambria an den Rhein setzt, und doch die Franken zu Valentinians Zeiten die Alanen vertreiben läßt. Der Mönch Roricon im eilften Jahrhundert bringt wieder das Frühere bey, nur mit seinen lateinischen Floskeln ausgeziert, doch fügt er bey, der Erdstrich wo sie Sicambria gebaut, sey rund um vom Meere umflossen gewesen; er lag also vielleicht auf dem taurischen Chersones. Hugo du St.Victore im Anfange des zwölften Jahrhunderts erzählt, wie er in einem Buche ausführlich gelesen, daß Helenus und Aeneas, jener nach Griechenland, dieser nach Italien, Francio und Turcus aber nach Norden ausgewandert. Francio und sein Volk seyen zur Zeit Davids an die Donau gezogen, hätten sich dort sehr vermehrt, und 230 Jahre nach ihrer Ankunft 23000 Mann stark einen tauglichen Ort zu ihrem Aufenthalt gesucht. Nachdem sie ganz Germanien durchzogen, seyen sie endlich auch an die Stelle des jetzigen Paris gekommen, und hätten dort eine Stadt gebaut 830 Jahre v. Chr. und 1290 vor Ankunft ihrer Brüder von jenseits des Rheins, die sie im Bewußtseyn gleicher Abkunft freundlich aufgenommen**). Offenbar ist hier eine Verwechslung der fränkischen Sage mit einer altceltischen vorgegangen. Nach der alten französischen Chronik des Bucalus, die sich in der Büchersammlung Ludwigs XII. im Schlosse zu Blois befand, baute Frank der Sohn Hektors Sicambria, nach dem Namen von Priams Schwester. Ihm folgte sein Sohn Sicamber, regierend 62 Jahre. Lange hernach, d. i. 280 Jahre nach der Zerstörung von Troja zog eine Abtheilung dieser Sicambern unter ihren Anführern Trojades und Torgotus den Rhein herab, gründete die Stadt Bonn, Valuka genannt, und dann Xanthen bey Cleve, nach dem Namen des Xanthus der durch Troja floß. In alten Büchern ward sie Troya Francorum genannt, wie schon in der Legende des heiligen Viktors aus der Legion von Thebe, dessen schönes Münster von der Kaiserin Helena in dieser Stadt gegründet wurde.
Von der Stadt Sicambria, ihrer Größe, Macht und ihrem Reichthum aber weiß Bucalus gar vieles zu erzählen. Man sieht aus der ganzen Folge dieser Zeugnisse, wie ein Faden alle diese Sagen, die durch so viele Jahrhunderte auseinander liegen, und über so weite Räume von Brittanien bis Hinterasien sich verbreiten, in einen geschlossenen Kreis zusammenknüpfe, der sich selbst trägt und bewährt. Es liegt auch klar vor Augen, wie die verschiedenen Organe, in denen sie sich kund geben, keineswegs bloß eines dem andern nachgesprochen, sondern daß die Zeugen offenbar Dichtungen und geschriebene Urkunden der Nation selbst vor sich hatten, aus denen der eine diese, der andere jene Seite aufgefaßt, manchmal verschiedene Sagen durcheinander werfend, andere mißverstehend, so daß sie am reinsten und mindesten verfälscht bey unserm Hunibald sich aufbewahrt..."