Moskau lässt sich Zeit mit Truppenabzug
Die Russen wollen sich nicht rasch aus Georgien zurückziehen: Den Zeitplan bestimmen sie allein. Einem US-Medienbericht zufolge rüstet Moskau in der Krisenregion sogar auf. Zudem schlägt Präsident Medwedew harte Töne an.
"Russische Truppen sind auf dem Weg zurück nach Südossetien", teilte der stellvertretende Generalstabschef Anatoli Nogowizyn in Moskau mit. Die Kriegsmarine bleibe wegen der "instabilen Lage" vor der georgischen Schwarzmeerküste. "Wir werden nicht so schnell da rausgehen, wie wir reingegangen sind", sagte Nogowizyn. Auf ein genaues Datum wollte er sich nicht festlegen. "Streng genommen handelt es sich nicht um einen Abzug unserer Truppen, sondern um einen Rückzug", sagte der General.
Damit wird deutlich, dass die Russen nicht vorhaben, sich rasch aus Georgien zurückzuziehen. Der russische Präsident Dmitri Medwedew hatte am Sonntag seinem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy am Telefon zugesichert, dass der Truppenabzug am Montag beginnen werde. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die russische Armee bei ihrem Besuch am Sonntag in der georgischen Hauptstadt Tiflis zum Rückzug aufgefordert.
Berichte über Truppenverstärkungen
Noch am Freitag verlegte das russische Militär laut einem Bericht der "New York Times" jedoch mehrere Abschussanlagen für Kurzstreckenraketen vom Typ SS-21 nach Südossetien. Die Zeitung berief sich auf amerikanische Beamte, die über entsprechende Geheimdienstberichte informiert seien. Von den neuen Positionen nördlich der südossetischen Hauptstadt Zchinwali könnten die Raketen große Teile Georgiens einschließlich der Hauptstadt Tiflis erreichen, schrieb das Blatt.
Bilderserie: Verzweiflung im Kaukasus
Westliche Beobachter hätten zudem russische Truppenbewegungen registriert, die möglicherweise auf eine Verstärkung der russischen Kräfte in und um Georgien herum schließen ließen, hieß es weiter. Demnach sei ein Bataillon nach Beslan in Nordossetien verlegt worden. Mehrere Bataillone seien offenkundig am Wochenende auf eine Stationierung in der Kaukasus-Region vorbereitet worden.
Der Konflikt im Kaukasus hatte die russisch-amerikanischen Beziehungen in den vergangenen Tagen stark beeinträchtigt. Der Ton zwischen den beiden Supermächten wird zusehends rauer.
Medwedew würde wieder so handeln
Russland würde trotz internationaler Kritik an seiner Militäroffensive laut Medwedew bei einem ähnlichen Fall wieder genauso handeln.
"Wer denkt, er könne ungestraft russische Bürger töten (...), wird eine vernichtende Antwort bekommen", sagte er am Montag in der Stadt Kursk nach Angaben der Agentur Interfax.
Russland hat seinen Einmarsch am 8. August damit begründet, dass Bürger mit russischen Pässen in der abtrünnigen Region Südossetien dort von georgischen Truppen angegriffen werden. "Diese georgische Aggression ist beispiellos in der Geschichte", kritisierte Medwedew. Moskau werde solche Taten "nie zulassen". Russland sei ein "friedliebender" Staat, der jedoch militärisch schlagkräftig sei.
Nach dem Friedensschluss im Südkaukasus verhängte der Präsident des von Georgien abtrünnigen Gebietes Südossetien, Eduard Kokojty, den Ausnahmezustand und entließ die Regierung. Die Minister der von Russland protegierten Region hätten die Hilfsgüter nicht schnell genug an die notleidende Bevölkerung verteilt. Das berichtete der russische Radiosender "Echo Moskwy" am Montag unter Berufung auf ein Interview Kokojtys mit dem Fernsehsender "Westi-24".
Die südossetische Hauptstadt Zchinwali sowie umliegende Dörfer wurden bei dem georgischen Angriff in der Nacht auf den 8. August sowie dem russischen Gegenschlag stark zerstört. Zehntausende Menschen waren in der Vorwoche von Südossetien über die Grenze nach Russland geflohen.
In Deutschland geriet Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) wegen seiner Äußerungen über den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili in die Kritik. Schröder bezeichnete Saakaschwili im "Spiegel" als "Hasardeur". "Auslösendes Moment" der Kampfhandlungen im Kaukasus sei der Einmarsch der Georgier nach Südossetien gewesen.
Dazu sagte der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg der "Passauer Neuen Presse" : "Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, dass der Alt-Bundeskanzler ein gestörtes Verhältnis zu seiner früheren Betätigung hat. Sobald Russland ins Spiel kommt, ist sein Urteil in höchstem Maße unverhältnismäßig und unangemessen." Jede von Schröders Aussagen sei "eine beispiellose Brüskierung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier".
Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden (CDU), kritisierte den Altkanzler. "Die Schuldzuweisungen Schröders waren vorherzusehen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Schröder ist mittlerweile die prominenteste Stimme Moskaus in Deutschland." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wertete die Aussagen Schröders als "eine einseitige Schuldzuweisung frei nach dem Motto: Wes Brot ich ess', des Lied ich sing. Dem Altkanzler ist offenbar die außenpolitische Weitsicht abhandengekommen".
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