DAS RECHT AUF KULTURELLE ENTFALTUNG UND DIE RESPEKTIERUNG DER KULTURELLEN IDENTITÄT
Griechenland lehnt die Existenz der "türkischen Kultur" im Sinn eines kollektiven Daseins in Westthrakien ab.
Griechenland versucht, die Existenz der türkischen Minderheit in Westthrakien zu leugnen und gesteht dieser nicht einmal die kulturellen Rechte (Anerkennung der Religion und Konfession, Sitten und Gebräuche, Recht auf Institutionen für Minderheiten usw.) zu, die in bilateralen Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland vereinbart wurden. Im Rahmen der heute geltenden Menschenrechtsnormen wird der türkischen Minderheit in Westthrakien, den Vertretern des osmanischen Erbes in dieser Region, nicht der notwendige Respekt vor ihrer eigenen kulturellen Herkunft und ihren traditionellen Institutionen gezollt.
Obwohl offiziell gesagt wird, dass die Menschen offen ihre kulturelle, religiöse, und ethnische Zugehörigkeit wählen dürfen, wird die Zugehörigkeit zur türkischen Kultur und dem türkischen Kollektiv von der bisher an den Tag gelegten negativen Haltung griechischer Behörden und der zivilen Kreise in Griechenland überschattet und die Freiheit, die persönliche kulturelle Identität auszudrücken, dadurch eingeschränkt.
DER GEBRAUCH DER TÜRKISCHEN SPRACHE
Mit Ausnahme von Einzelfällen ist der freie Gebrauch der türkischen Sprache für Angehörige der türkischen Minderheit in Westthrakien nicht eingeschränkt. Jedoch können die Türkischstämmigen die türkische Sprache nicht ausreichend erlernen, da das Bildungsniveau in den Minderheiten-Schulen niedrig ist.
Bei Behörden und Gerichten ist Griechisch die offizielle Sprache. Für die Angehörigen der Minderheit, deren Griechischkenntnisse nicht ausreichen, gibt es keine festangestellten (Türkisch-Griechisch-)Dolmetscher. In solchen Fällen wird von den Anwälten, die der Minderheit angehören, eine Übersetzung erwartet.
Obwohl es den westthrakischen Angehörigen unseres Volkes erlaubt ist, ihren Kindern türkische Namen zu geben, wird nicht gestattet, dass hundert Jahre alte türkische Orte türkische Ortsnamen haben. In der Presse der westtrakischen Minderheit sind neben den türkischen Ortsnamen immer die entsprechenden griechischen Namen anzugeben.
Außerdem ist bekannt, dass Angehörige der westthrakischen türkischen Minderheit, bei der Leistung einer Unterschrift mit Buchstaben des lateinischen Alphabets seitens der örtlichen Behörden bisweilen Schwierigkeiten bekommen.
DIE VERSAMMLUNGSFREIHEIT - DAS RECHT, SICH MIT DER KULTURELLEN GEMEINSCHAFT ZU IDENTIFIZIEREN UND DAS RECHT, SICH DURCH EINE KULTURELLE GEMEINSCHAFT ZU DEFINIEREN
Die Angehörigen der türkischen Minderheit in Westthrakien genießen nicht das Recht, sich aufgrund ihrer kulturellen Zugehörigkeit zu versammeln.
Aktivitäten des türkischen Jugend-Verbandes von Komotini, des türkischen Bundes von Xanthi und des Verbandes Türkischer Lehrer in Westthrakien werden nicht zugelassen. Damit wird deutlich, dass die Regierung die Existenz dieser Vereine, deren kulturelle Aktivitäten sogar nur auf Volkstänze und Nähkurse reduziert sind, nicht wünscht.
Die von der Regierung gegenüber den genannten Vereinen an den Tag gelegte Haltung schüchtert die Angehörigen unseres Volkes ein und verhindert so die Gründung von insbesondere kulturellen Vereinen.
Auch ist die Freiheit der türkischen Minderheit, ihre Zugehörigkeit zur türkischen Kultur deutlich zu machen und sich mit der türkischen Kultur zu identifizieren, nur begrenzt möglich. Die offizielle sowie zivile Sprachverwendung kennt unter dem Begriff "Türkentum" nur Assoziationen mit der Türkei und mit den Staatsbürgern der Türkei, da, wie es mehrheitlich behauptet wird, in Griechenland keine Türken leben, sondern es nur eine muslimische Minderheit gibt.
DAS RECHT ZUM SCHUTZ DER KULTURELLEN EIGENTÜMER UND DER KULTURELLEN EXISTENZ DER TÜRKISCHEN MINDERHEIT IN WESTTHRAKIEN
In Bezug auf die Architektur zeigt Westthrakien auserlesene Beispiele türkisch-islamischer Kultur.
Das Verhalten der griechischen Behörden gegenüber dem türkischen kulturellen Erbe in dieser Region kann als "die Vernichtung und Ausradierung der von den türkischen Eroberern der einstmals byzantinischen Region hinterlassenen kulturellen Spuren und stattdessen die völlige Helenisierung der Region" beschrieben werden. Damit würde man die jetzige kulturelle Vielfalt der Region zerstören.
Obwohl durch die Fortschritte in den türkisch-griechischen Beziehungen und im Rahmen des "Prinzips der Gegenseitigkeit" die Restaurierung einiger historischer Gebäude in letzter Zeit beabsichtigt wurde, ist es reiner Optimismus davon auszugehen, dass die griechische Regierung ihre langfristige Absicht, die Spuren der türkischen Kultur in der Region völlig zu beseitigen, aufgegeben hat.
In den von örtlichen Behörden in Westthrakien veröffentlichten Büchern und Broschüren zu Westthrakien wird nicht auf die sechshundertjährige türkische Kultur in der Region hingewiesen.
Auch das Buch, das von dem regionalen Generalsekretariat Ostmazedonien-Thrakien über die Kultur Westthrakiens im Jahre 1998 veröffentlicht wurde, macht deutlich, dass für die griechische Regierung die türkische Kultur in der Region nicht existiert. In dem Buch, das mit dem Satz "Thrakien ist seit der Eisenzeit hellenistisch" eingeleitet wird, wird an keiner Stelle auf die unabhängige Existenz einer türkischen kulturellen Minderheitskultur und auf das osmanische Erbe in der Region hingewiesen. Darüber hinaus werden die noch existierenden 36 historischen türkischen Baudenkmäler nicht angegeben.
In dem Buch wird lediglich die Beyaz_t Moschee in Dimetoka, in der einst Richard Löwenherz gefangengehalten sein soll, mit ihrem heute abgerissenen Minarett erwähnt.
RELIGIONSFREIHEIT UND DAS RECHT AUF FREIE RELIGIONSAUSÜBUNG
Die Angehörigen der türkischen Minderheit in Westthrakien können die auch durch bilaterale Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland garantierte Religionsfreiheit nicht uneingeschränkt genießen. Obwohl es in Bezug auf die alltägliche religiöse Praxis keine Schwierigkeiten gibt, werden die Muftis im Widerspruch zu internationalen Abkommen und islamischer Tradition statt von den Gemeindemitgliedern von christlichen Präfekten ernannt. Diesen Umstand betrachten die Gemeinden natürlicherweise als Beschränkung der Religionsfreiheit.
Im Jahr 1994 wurde der von der türkischen Minderheit gewählte Mufti _erif von Komotini von Griechenland verurteilt. In dem dazu veröffentlichten Bericht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist festgehalten, dass Griechenland in dieser Angelegenheit gegen Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, mit dem die freie Religionsausübung und Gewissensfreiheit garantiert wird, verstoßen hat. Die griechische Regierung wurde dazu verurteilt, dem Mufti eine Entschädigung in Höhe von 2.7 Millionen Drachmen zu zahlen.
DAS RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG, DAS RECHT AUF INFORMATION
In Westthrakien gibt es derzeit 15 Zeitungen und Zeitschriften sowie fünf Rundfunksender in türkischer Sprache. Auch wenn auf die der türkischen Minderheit in Westthrakien angehörenden Herausgeber kein unmittelbarer Druck ausgeübt wird, so werden sie in allen öffentlichen Bereichen (Presseausweise, Hilfen in Bezug auf die Veröffentlichung) und mit allen Mitteln bei der Ausübung ihrer Arbeit behindert. Dass Veröffentlichungen der türkischen Minderheit in Westthrakien nicht unterbunden oder verboten werden, ist nicht auf die Toleranz oder die Respektierung des Rechts auf freie Meinungsäßerung in Griechenland zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Mühe und Sorgfalt der Minderheit in Bezug auf eigene Veröffentlichungen, Außenstehende nicht zu provozieren.
Darüber hinaus gibt es, auch wenn das Recht auf Information den Angehörigen der türkischen Minderheit in Westthrakien offiziell zugestanden wird, in Xanthi und Komotini Dörfer dieser Minderheit, in denen es keinen Strom gibt und somit Fernsehsendungen nicht empfangen werden können. Auch gibt es Dörfer, in denen es noch keine Telefone gibt. Beides zeigt, dass das EU-Mitgliedsland Griechenland den Angehörigen der türkischen Minderheit das Recht auf Information nicht wirklich zugestehen will.
RECHT AUF BILDUNG
In Westthrakien werden die Angehörigen der türkischen Minderheit in 230 Grundschulen und 2 Gymnasien in türkischer Sprache unterrichtet.
Das "Recht auf Bildung in der eigenen Sprache" wird den Türkischstämmigen nicht aufgrund der heute geltenden Normen der Menschenrechte zugestanden, sondern nur durch besondere Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland, wobei besonders der Vertrag von Lausanne zu nennen ist. Die Haltung der griechischen Regierung in Bezug auf das "Recht auf Bildung" für die in ihrem Land lebenden Mazedonier, Albaner, Walachen und anderen Minderheiten ist ja auch bekannt. Doch das "Recht auf Bildung" wird auch beschränkt durch Probleme, wie den Lehrermangel in den Schulen der Minderheiten, die Nichteinsetzung von Lehrern, die von dem Schulverwaltungsrat ausgewählt wurden, und den bautechnischen Zustand der Schulgebäude.
Der türkischen Minderheit wird auch "das Recht auf Gründung von Bildungseinrichtungen aller Art", das gemäß der bilateralen Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland zu gewähren ist, nicht zugestanden. Sie darf keine neue Bildungseinrichtung errichten.
DAS RECHT AUF MITBESTIMMUNG IM KULTURELLEN BEREICH
Die Angehörigen der türkischen Minderheit genießen in Griechenland im Allgemeinen kein Mitbestimmungsrecht in der Kulturpolitik oder in Bezug auf Gesetze in diesem Bereich. Es existiert keine landesweite oder lokale staatliche Institution zur Förderung der Kultur der türkischen Minderheit. Die zwei Parlaments-Abgeordneten, die der Minderheit angehören, haben keinen politischen Einfluss auf kulturpolitische Entscheidungen im Land.
DAS RECHT AUF BETEILIGUNG AM KULTURELLEN LEBEN
Die Beteiligung der Angehörigen der türkischen Minderheit am kulturellen Leben Griechenlands wird nicht gefördert, und in den Minderheitsschulen wird auch die griechische Sprache nur unzureichend vermittelt. Den Angehörigen von Minderheiten, die die griechische Sprache erlernen wollen, wird empfohlen, die "griechischen Schulen zu besuchen".
Auch die bereits genannte Einschränkung des Versammlungsrechts hindert die Angehörigen der Minderheit daran, innerhalb ihrer kulturellen Organisationen kulturelle Aktivitäten durchzuführen und in Griechenland ihre Kultur darzustellen.
Im Rahmen einer von der Föderation Privater Erzieher in Griechenland organisierten Reise hat der Minderheiten-Studentenchor, der dem "Türkischen Lehrerverband Westthrakiens" angegliedert ist, die Türkei besucht und in Schulen der dort lebenden griechischen Minderheit Konzerte gegeben. Im Oktober 2000 wurde die Zulassung des "Türkischen Lehrerverbandes Westthrakiens" durch einen griechischen Gerichtsbeschluss aufgehoben. Damit ist auch dieser Verein illegal. Auch dies ist ein deutliches Beispiel für die herrschenden Umstände.
Im Licht des Genannten ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die in Griechenland lebende türkische Minderheit in Westthrakien kulturell isoliert wird.
Griechenland, das die Existenz einer kollektiven türkischen Kultur in Westthrakien nicht akzeptiert, gesteht den Angehörigen der türkischen Minderheit nicht das Recht zu, die türkische Kultur in Westthrakien zu wahren, geschweige denn zu fördern.