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Grizzly's Reise nach West-Bosnien 2009

Aber jetzt zu meiner Reise (Stand: 8.8.09)

Der Bahnhof von Bosanska Krupa sieht ziemlich fertig aus,
und die hellgrauen Güterwagen werden irgendwann im Gestrüpp verschwinden ...
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Nach ca. 45 km und knapp zwei Stunden fährt der Zug pünktlich in Bihac ein;
der Bahnhof sieht nicht viel besser aus als die unterwegs, aber man baut dran.
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Alles was sich hier derzeit an Persondenverkehr bewegt, ist dieser "Zug", der zweimal täglich nach Bosanski Novi fährt, um den Anschluss an den "Trans-Bosnien-Express" zu gewährleisten. Allein ein verdächtig neu aussehendes (nachgedrucktes ?) Plakat erinnert an bessere Zeiten, indem es die Abfahrzeiten der Züge aus Bihac nach Split an die Adria, nach Zagreb, nach Belgrad und bis an die österreichische Grenze wiedergibt ...
Oben ist die Gültigkeit dieses Plans angegeben: 1. Juni 1991 bis 31. Mai 1992.

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Vor dem Bahnhof ist tote Hose, kein Taxi, kein Bus, nicht mal ein alter Mann, der sich als Gepäckträger anbieten würde (was man an anderen Städten gelegentlich antrifft). Die Entfernung Bahnhof - Innenstadt variiert auf Frage zwischen einem und drei Kilometern, die Wahrheit liegt etwa in der Mitte.

Auf dem Busbahnhof, an dem man vorbei kommt, ist deutlich mehr los. Da bin ich aber schon so nah an der Innenstadt, dass sich ein Taxi nicht mehr lohnt. Dort in der Nähe bekomme ich auch meine erste Mahlzeit in Bosnien, ein Pizza mit fast allen üblichen Zutaten drauf, die "kleine" für sechs Mark reicht vollkommen für mich.

Dann rumpelte ich mit meinem Rollkoffer auch schon über die hölzerne Fußgängerbrücke (Achtung Autofahrer: Die Autobrücke zur Innenstadt ist wegen Bauarbeiten gesperrt und wird es wohl nicht eine Weile bleiben !), überquere den Platz, der bis vor kurzen Trg Marsala Tita hiess und jetzt in Trg Slobode umgetauft wurde, an dessen oberem Ende sich mein Hotel (rotes Gebäude) befindet.

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Wenn man davon absieht, dass die Hotelzimmer im 2. Stock sind, ohne Aufzug, war das Avlija eine Superempfehlung. Dusche und Klo auf dem Zimmer, und als besonderes Extra ein paar Filzpantoffeln im Zimmer. Reservierung hätt's nicht gebraucht, ich war zeitweise der einzige Gast.

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Zuletzt bearbeitet:
(9.8.09)

Hab bei geschlossenem Fenster geschlafen, wegen des Diskolärms vom anderen Una-Ufer. Den gibt's übrigens jeden Tag, nicht nur am Wochenende. Vielleicht ist es im Winter leiser. Die Hotelfenster sind aber so gut isoliert, dass man bei schlossenem Fenster gut schläft.

Von meinem Fenster aus sieht man die Una,
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wenn man den Platz überquert hat, steht man schon fast an der Brücke
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und mein "Stammlokal", das Gurman, in dem es keine Speisekarte gibt,
sondern die Wirtin sagt was sie hat, ist auch nur ein paar Schritte weiter weg.
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Den Turm der Kirche Sveti Ante (St. Anton) sieht man schon von weitem, wenn man auf die Stadt zukommt. Mehr als der Turm ist allerdings seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr übrig.
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Besser hat die Fethija-Moschee die letzten drei Kriege überlebt.
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Die Einschläge während der Belagerung von Bihac 1992-95 sind,
auch wenn man schon vieles repariert hat, noch deutlich zu sehen.
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Scheinbar nur wenige Kilometer entfernt von Bihac liegt die Burgruine Sokolac.
Mein Taxifahrer fährt trotzdem ca. 20 Minuten und verlangt 15 Mark, d.h. es werden 12-14 km sein, und es ist eine ordentliche Kurverei. Unterwegs kommen wir an einem neu angelegten großen Friedhof vorbei, das ist der Extrafriedhof für die Kriegsopfer 1992-95, als Bihac belagert wurde. Zeitweise seien serbische Truppen bis zur Burg Sokolac vorgedrungen sein und hätten von dort aus mit ihrer Artillerie auf Bihac geschossen, erzählt der Fahrer - da ist es vielleicht doch gut, dass die Ruine etwas weiter weg von Bihac gelegen ist.
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An einem steilen Fußweg werde ich herausgelassen - kaum bin ich ausgestiegen, kommt ein alter Mann und zeigt mir einen besser begehbaren d.h. breiteren und nicht so steilen Weg.
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Der Weg könnte von einem Traktor oder Geländewagen befahren werden und man kann ihn gut wandern - da ich nicht weiss, ob hier einmal Minen waren, achte ich darauf, den Weg nicht zu verlassen, weil ich denke, auf einem Weg werden in den 14 Jahren seit Kriegsende so viele Leute gegangen sein, dass zumindestens auf dem Weg keine Minen mehr sind. Zumal mir der Taxifahrer oder der Alte sonst etwas gesagt hätten, denke ich mal.
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Die Aussicht ist beeindruckend.
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Daran, dass die Burg Sokolac eine Ruine ist, sind ausnahmsweise weder die Nazis noch die Serben oder eine andere Balkankriegspartei schuld - das ist schon ein paar Jahrhunderte früher passiert - aber wer oder wann das war, hab ich bisher nicht herausbekommen.

Auf jeden Fall geht's hier rein.
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Inzwischen bin ich wieder den Burgberg hinabgeklettert, jetzt über den schmalen und steilen Weg, den mir der Taxifahrer gezeigt hat. Das Dorf am Fuß der Burg heisst ebenfalls Sokolac.
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Die im Krieg zerstörte Moschee ist wieder aufgebaut - daneben steht ein Denkmal für die Kriegsopfer aus dem Dorf, wie an vielen Orten in Bosnien oder Kroatien - Serbien wohl auch, da habe ich's nur nicht selbst gesehen.
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Aufgrund meines Gastspiels in dieser Region 1975 wollte ich doch einmal nach Ripac, dem Dorf, in dem ich zwei Tage zugebracht hatte, als deutscher Tourist für die Dorfkinder die Attraktion war, und von wo ich mit einheimischen Bekannten, zu denen ich leider auch den Kontakt verloren habe, per Schlauchboot die Una hinunter geschippert bin, über Bihac bis Bosanska Krupa.
Der Taxifahrer, dem ich das erzähle, fragt nach: "Ah - Rafting ?"

Rafting - im Prinzip ja.
Heute sieht man immer wieder Kanufahrer auf der Una. Nur damals war das total unüblich, unsere beiden Boote waren die einzigen weit und breit, und das Wort Rafting kannte niemand.

Wir fahren also nach Ripac - ca. 10 km von Bihac entfernt - und stoppen an einer Bushaltestelle. Der Fahrer fragt, ob die jungen Männer, die neben dem Kiosk ihr Bier trinken, jemand aus dem Ort kennen, der schon vor 35 Jahren in Ripac gewohnt hat. Schliesslich fällt mir der Name Meho Dupanovic ein, bei dem ich übernachten durfte, und der mit mir und zwei deutschen Campern Bier, Slivovitz und Kruskovaca trinkend in gebrochenem Deutsch seiner- und gebrochenem Kroatisch meinerseits diese Nacht zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht hatte.

Meho Dupanovic - den gibt's noch, sagen sie, und laden mich zu einem Bier ein.
Du musst über drei Brücken gehen und dann links.
Der Taxifahrer hat mir seine Handynummer hinterlassen und ist inzwischen weg.

Erstmal verpasse ich die Abzweigung und lande an der wieder aufgebauten Moschee. Dort findet sich an der Gedenktafel für die Kriegsopfer der Name Dupanovic viermal, Meho ist nicht dabei.

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Neben der Una geht ein Fußweg die Una hinunter. Ruinen sieht man nur noch vereinzelt, die Bautätigkeit ist enorm, und viele Häuser sehen (schon wieder ?) richtig schmuck aus.

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Zwischen den Inseln gibt es ein Restaurant - wie ich später erfahre, stand dort früher die alte Wassermühle, in deren Ruine ich damals beinahe übernachtet hätte.

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Hinter der zweiten Brücke frage ich einen alten Mann nach Mehos Haus, er kommt mit, und nach einigem Suchen haben wir es gefunden. Er klingelt, und schliesslich kommt ein Mann Mitte siebzig heraus.
Ich stelle mich vor und erkläre, dass ich vor 34 Jahren einmal seine Gastfreundschaft geniessen durfte.
Er erinnert sich an nichts, und schliesslich stellt sich heraus, dass er zu dem fraglichen Zeitpunkt nicht in Ripac war.
Es gibt noch einen Meho, das heisst, es gab ihn.
Mein Begleiter meint, er sei zu Beginn des Krieges erschossen worden, wie so viele in Ripac.

Ich verabschiede mich von den beiden und gehe in gedrückter Stimmung Richtung Restaurant zurück. Die Schönheit der Umgebung kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht so recht geniessen.

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Ich komme mir vor wie einer, der 1925 eine Nacht in der Dresdener Innenstadt verbracht hat und 1959 wieder kommt, um seinen Gastgeber zu suchen, da wo kein Stein mehr auf dem andern geblieben ist.
 
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Dankschön für die Blumen, lieber Jebo N.
Es hat schon seinen besonderen Reiz, in Länder zu reisen, in denen man als Tourist noch Seltenheitswert hat, und das ist in Bosnien, Sarajevo und Mostar vielleicht ausgenommen, ja der Fall - ich bilde mir ein, dass ich aktuell in Bihac der einzige Tourist ohne Migrations- oder UNO/EU-Verwaltungshintergrund war. Jedenfalls war ich zeitweise der einzige Gast im Avlija, und das Hahn-im-Korb-Gefühl ist ein schönes, find ich jedenfalls
:D


Drei Tage später war ich wieder in Ripac.
Ich wollte in dem wunderschönen Restaurant essen, slap = Wasserfall heisst es, und um ein bissl durchs Dorf über die Inseln spazieren zu gehen. Der Bus geht nur dreimal am Tag, also ist wieder mal das Taxi dran.

Im Slap kämpfte ich mich durch die Speisekarte, als ich auf englisch angesprochen wurde, ob ich Hilfe brauche. Wär zwar nicht unbedingt nötig gewesen, aber einem netten Gesprächsangebot gehe ich nie aus dem Weg, und so landete ich bei einer kroatisch-bosnischen Gruppe am Tisch.

Erzählte zum x-ten Mal meine Ripac-Geschichte, und als ich den Namen Meho Dupanovic erwähnte, meinte einer:
"Das war mein Cousin !"
Ich beschrieb seiner Gastfreundschaft und die durchzechte Nacht - "ja, das war Meho."
Tatsächlich war er noch vor Kriegsbeginn gestorben, an den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Es wurde noch eine lange Unterhaltung. Ich hatte das Gefühl, dass er, auch wenn ich kaum etwas von ihm weiss, durch meine Suche und das Ergebnis derselben wieder zum Leben erweckt worden ist - wenigstens ein bisschen.

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Ich bin noch ein bissl in Ripac herumspaziert. Vieles ist inzwischen wieder auf- oder dazugebaut, aber manches muss noch reaktiviert werden, wie die Bahn zum Beispiel. Nach Kriegsende 1995 sind hier einige Züge gefahren, aber seit einem Grenzkonflikt mit Kroatien 1998 ist hier erstmal dicht. Früher war das die Hauptstrecke von Zagreb nach Split, über Bihac - Martin Brod - Knin.

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Dabei sehen die Bahnübergangsschilder noch relaitv neu aus ...
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... während die Warnung, den Oberleitungsdraht nicht zu berühren, da sonst Lebensgefahr,
nicht mehr ganz zeitgemäß ist, mangels Strom.
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Der Bahnhof von Ripac gehört den Hühnern und Katzen,
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Immerhin zeigen holzbeladene Güterwagen und eine fahrende Lok, dass sich
zumindestens zwischen Bihac und Ripac bahntechnisch ein bissl was tut :icon_thumbsup:
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P.S.
In einer Antwort auf diese interessante Abhandlung über die Una-Bahn wird erwähnt, dass einmal im Jahr ein Lions-Club (von wo ?) in einem aus offenen, mit Bänken bestückten Güterwaggons die Strecke südlich von Bihac befährt. Kann ich mir, zumindestens jenseits von Ripac, kaum vorstellen.
 
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