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Grizzly's Reise nach West-Bosnien 2009

(12.8.)

Heute ist mein letzter Tag in Bihac, morgen Mittag fährt der Bus.
Fahrkarte hab ich - 52€ bis München, der junge Fahrkartenverkäufer war ganz begeistert, dass er "München" richtig geschrieben hat. Mit der Bahn wär's zwar interessanter, aber angesichts der wenigen Resturlaubstage zu langsam.

Ich hab lang geschlafen, schon mal ein bissl gepackt, bin durch den Park geschlendert und hab mich gefragt, welche Durchgeknallten dieses Friedensdenkmal von 1967 so verschandelt haben - waren es die Serben, die Bihac 1992 - 1995 belagert und von den Bergen aus der Umgebung mit Artillerie heruntergeschossen haben, oder waren es die "Eigenenen" die zeitweise einen innerbosnischen Krieg geführt haben (Abdic-Truppen gegen die offizielle bosnische Armee) ? Und hat man die Einschusslöcher belassen, weil kein Geld da ist, oder weil man die Frau so zu einem Anti-Kriegs-Denkmal umfunktionieren will ?

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Nachmittags habe ich mich auf eine Wiese an der Una gelegt, hab mich auch mal ins kalte Wasser gelegt, weil es fürs Schwimmen zu flach war. Dass sie ein offizelles Schwimmbad an der Una haben, hab ich erst abends entdeckt, und auf Nachtschwimmen hatte ich keine Lust.
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Meine Frau hat mir mitgeteilt, dass heute der Perseidenschwarm, d.h. Sternschnuppen zu sehen sind - sogar in der Oslobodjenje finde ich einen Hinweis darauf. D.h. ich muss bis nach dem völligen Einbruch der Dunkelheit durchhalten und dann noch einen Platz suchen, der dunkel genug ist, um die Sterne zu sehen.
Also schaumermal, was der Abend so bietet.

Im Reiseführer steht, dass das Kino in der Fußgängerzone mangels Nachfrage geschlossen hat. Das stimmt derzeit nicht, sie haben nur ihren verdienten Jahresurlaub. Interresant ist, was man ins Kino nicht mitbringen darf - nicht dass das bei uns erlaubt wäre, aber dass man extra darauf hinweist ...
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Kino fällt also flach - wahrscheinlich hätte ich einen Film in der Landessprache eh nicht verstanden, weil dafür reicht's noch nicht. So schlendere ich durch die Straßen und studiere die wie oft in Südeuropa an Hauswänden oder Bäumen angebrachten Todesanzeigen. Anscheinend sind die Anzeigen katholischer Verstorbener schwarz umrandetet und die moslemischer grün.
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Hier gibt's erstmal kein Eis, es sei denn, es findet sich ein Nachfolger.
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Irgendwann wird's trotzdem dunkel, ich verlasse das Gurman
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und begebe mich auf die Wanderung Una-abwärts.

Ich hätte nicht gedacht, dass Bihac eine so gut funktionierende Straßenbeleuchtung hat - das war nicht immer so
http://www.dinnes.net/presse/download/006.Presse.1994-1995.pdf

Jetzt, wenn man mal keine braucht, weil ohne Beleuchtung kann man schlecht Sternschnuppen gucken, erscheint sie mir endlos weit in die Peripherie zu gehen. Schliesslich lande ich an einer kleinen verlassenen Moschee und rufe von dortaus meinen Stammtaxifahrer an. Meinen jetzigen Standort kennt der auch nicht. Da schafft ein junger Mann Abhilfe, der grad vorbei kommt, und dem ich meinen Handy in die Hand drücke mit der Bitte, dem Taxifahrer zu erklären, wo wir hier sind.
In weniger als zehn Minuten ist das Taxi da.

Wir entschliessen uns, zum Kriegsopferfriedhof zu fahren, das ist weiter draussen, und da, so hoffe ich, wird es dunkel genug sein. Aber unmittelbar daneben ist inzwischen auch Neubaugebiet, es sind zwar noch kaum Häuser da, aber bereits eine funktionierende Straßenbeleuchtung ...

Zwischen dem Neubaugebiet und dem Friedhof steht ein großer Rohbau, das soll eine Moschee werden. Die schiirmt mir das Straßenbeleuchtungslicht ab, und ich kann endlich Sternschnuppen gucken. Ein paar sehe ich auch vorbeiflitzen, allein zum Photographieren reicht's nicht. Und dann - ich hab mich vielleicht erschrocken - tönt plötzlich eine Stimme aus der ersten Etage des Rohbaus:
"Was machen Sie hier ?"

Ich erkläre ihm, dass ich Sterne beobachte. Er kommt herunter, will mich in sein Haus einladen. Wenn's nicht schon kurz vor Mitternacht und mein letzter Urlaubstag wäre, würde ich die Einladung gern annehmen. Aber so verweise ich auf das wartende Taxi und verabschiede mich.

(13.8.)
Noch einmal ins Gurman, auch wenn es um 11:30 für's Mittagessen noch ein bissl früh ist. In meinem Reiseführer, hab ich entdeckt, stehen zwei Sätze über dieses Lokal, es soll ein Geheimtipp sein, und nirgendwo in Bihac bekäme man so einen guten bosanski lonac. In der Zeit, in der ich da war, gab's leider keinen, wahrscheinlich waren zu wenig Leute da. Aber ich hab mir im Hotel die Seite aus dem Reiseführer rauskopiert und der Wirtin mitgebracht, die, hellauf begeistert, gleich einen Bilderrahmen holt und die Kopie an die Wand hängt.

Dann ist auch schon Busabfahrzeit. Ich ziehe meinen Rollkoffer über die Fußgängerbrücke zum Busbahnhof, der Bus ist schon da, ein letztes Bier, und ich nehme Abschied von Bihac, für dieses Jahr wenigstens.

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OK, einer geht noch, aber ohne Bilder.

Von der Karte her denkt man, Bihac ist gleich hinter oder vor der kroatischen Grenze, aber bis sich der Bus über Cazin und Velika Kladusa über diverse Serpentinen dorthin geschraubt und noch so viele Passagiere eingesammelt hat, dass alle Plätze besetzt sind, vergehen zwei Stunden. Neben mir kommt eine junge Frau zu sitzen, mit der ich erst eine Weile in der Landessprache spreche, bis sich herausstellt, dass sie vor einem Monat in Essen ihr Abitur gemacht hat und jetzt dorthin zurück will - die Arme hat noch gute 24 Stunden vor sich.

Die kroatische Grenzkontrolle ist locker, jeder kriegt seinen Stempel in den Pass, und wir dürfen weiter fahren. Die Slowenen hingegen lassen uns erstmal eine geschlagene Stunde im Bus sitzen, ohne dass irgendetwas passiert, ausser dass wir Zeugen davon werden, wie sie den - ebenfalls bosnischen - Bus vor uns mit Hingabe filzen. Neben einer gehörigen Ladung Brast bekomme ich ein bissel von dem Gefühl mit, wie es ist, kein EU-Bürger zu sein oder zumindestens in einem Bus zu sitzen, der aus einem Nicht-EU-Land kommt.

Da mir langweilig ist und mir das Kreuz weh tut, versuche ich die Zeit mit dem Löschen misslungener Bilder auf meiner Digicam totzuschlagen. Nachdem von über 600 Bildern etwa 100 gelöscht sind, muss ich mich irgendwie verklickt haben und das Display zeigt auf einmal:
Kein Bild vorhanden :mad: :confused: :(

Mein Herz rutscht in die Hosen.
Zum Glück ist Mobilfunkempfang und meine Frau erreichbar (die von Computertechnik weitaus mehr Ahnung hat als ich) - sie beruhigt mich und sagt, ich soll nichts mehr an der Kamera herummachen, dann bestünden gute Chancen, die meisten Bilder wiederherzustellen (und so war's dann auch, sonst hätte es in diesem Thread keine Bilder gegeben).

Etwa zu dem Zeitpunkt, als ich diese beruhigenden Nachricht bekomme, lassen sie uns dann doch raus, gucken kurz auf unsere Pässe und schicken uns zu einen Platz, wo man auf Toilette gehen oder eine rauchen kann. Wenig später dürfen wir wieder einsteigen.

An der slowenischen Grenze war Dämmerung, bis wir in Österreich sind, ist es dunkel. Es regnet, die Scheiben sind beschlagen, und der Bus fährt so schnell an den Ausfahrtschildern vorbei, dass ich sie nicht lesen kann oder nicht daraus schlau werde. Bis heute weiss ich nicht, welche abartige Strecke wir gefahren sind, auf jeden Fall war sie mir vollkommen unbekannt. Irgendwann sind wieder mal zwei Stunden rum, und zur angesagten Pause halten wir an einer seltsamen Raststätte, an der das gesamte Personal kroatisch, bosnisch oder ähnliches spricht, sogar die Speisekarte ist zweisprachig. Aber wir sind in Österreich, da bin ich mir sicher.

Im Lauf der Weiterfahrt hält der Bus jetzt gelegentlich an irgendwelchen dunklen Punkten, ein oder mehrere Leute steigen aus, und die Autos, mit denen sie abgeholt werden, sind meistens schon da. Bei Salzburg halten wir wieder, und neben einem Münchner, den ich kennengelernt habe, wird ein Platz frei. Da er mir versprochen hat, für meine Weiterfahrt zu sorgen, wenn wir bei Nacht und Nebel (wir haben zwei Stunden Verspätung) in München ankommen, und zwar nicht, wie ich dachte, am Hauptbahnhof, sondern am Stadtrand an einer mir vollkommen unbekannten Station namens Freimann zu einem Zeitpunkt, zu dem definitiv nichts mehr fährt, setze ich mich zu ihm, so dass die junge Essenerin aus Velika Kladusa ihre Beine etwas länger machen kann.

Mit der Busverspätung hatte ich ausgesprochenes Pech. Aber wiederum Glück, dass mich der Münchner mitten in der Nacht noch 40 km weiter chauffiert hat bis nach Petershausen (zwischen München und Ingolstadt), wo ein Schulfreund von mir wohnt, der mir nicht nur ein Bett gerichtet, sondern auch ein Bier kalt gestellt hat oder zwei, so genau weiss ich das nicht mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die kroatische Grenzkontrolle ist locker, jeder kriegt seinen Stempel in den Pass, und wir dürfen weiter fahren. Die Slowenen hingegen lassen uns erstmal eine geschlagene Stunde im Bus sitzen, ohne dass irgendetwas passiert, ausser dass wir Zeugen davon werden, wie sie den - ebenfalls bosnischen - Bus vor uns mit Hingabe filzen. Neben einer gehörigen Ladung Brast bekomme ich ein bissel von dem Gefühl mit, wie es ist, kein EU-Bürger zu sein oder zumindestens in einem Bus zu sitzen, der aus einem Nicht-EU-Land kommt.


das gesamte Personal kroatisch, bosnisch oder ähnliches spricht, sogar die Speisekarte ist zweisprachig. Aber wir sind in Österreich, da bin ich mir sicher.


Zuerst mal danke für deine Anekdoten, ich habe sie mir sehr gerne durchgelesen. Ja bei mir ist das auch so, dass ich in Slowenien ne lange zeit warten muss, bis der bus endlich weiterfahren kann. Aber daran hab ich mich schon gewöhnt.

In Österreich gibt es eine Kroatische Minderheit im Burgenland. Ich denke mal dass die dort auch "noch" kroatisch sprechen können.

Jedenfalls danke für deine geschichte.
 
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Den Bus kenne ich. Der steht 100 meter entfernt von meiner Wohnung, wenn der in Dortmund ist.
 
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