J
Jezersko
Guest
Wisst Ihr, was mich schon seit jeher stört? Es sind diese weinerlichen Geschichten über Islamhass, Christenverfolgung, Kreuzrittertum usw. Es grenzt vielfach schon an Verblendung mit welch stumpfsinnigen Argumenten immer wieder herumgeworfen wird, Ohne auch nur irgendeine Aussage zu hinterfragen. Klar ist nur: Die Anderen sind schuld!
Will man bei diesem Thema weiterkommen, muss man aber die Fähigkeit besitzen, auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu sehen. Der Journalist Viktor Herman hat zusammengefasst und bringt es (wie immer) auf den Punkt.
Christen werden in aller Welt diskriminiert. Sie teilen dieses Schicksal mit den Anhängern anderer Religionsgemeinschaften und mit den Mitgliedern von ethnischen Minderheiten rund um den Globus.
Jedes Jahr publizieren Kirchen in Europa und Amerika Bilanzen der religiösen Verfolgung. Und jedes Jahr versuchen radikale Evangelikale, vor allem in den USA, diese Bilanzen zu instrumentalisieren, um ein Feindbild aufzubauen.
Die Organisation Open Doors tut sich dabei ganz besonders hervor. Wollte man ihr glauben, wären hundert Millionen Christen in aller Welt von religiös motivierter Verfolgung betroffen.
Doch Dokumente der christlichen Kirchen in Deutschland zeichnen ein ganz anderes Bild. Es werden nämlich weltweit Mitglieder aller Religionsgemeinschaften drangsaliert: die Christen in 130 Ländern, Moslems in 117 Ländern, Juden in 75 Ländern, Buddhisten in 16 und Hindus in 27 Ländern.
Je genauer man hinschaut, desto deutlicher kommt zutage, dass die Restriktionen sich nicht unbedingt spezifisch gegen Christen richten, sondern gesellschaftliche Zustände dokumentieren, in denen Minderheitsgruppen massiv bedrängt werden – wer auch immer die Herrschenden sein mögen, welcher Glaubensrichtung auch immer die unterdrückte Minderheit angehören mag.
Der militante sunnitische Wahhabismus in Saudi-Arabien wiederum verbietet zwar den Christen alles. In dem Land könnte niemals jemand eine Kirche bauen oder Einheimische einladen, sich zum Christentum zu bekehren. Doch das weit größere Leid erfahren Moslems, die nicht in diese extreme Form des Islams passen.
Wendet man den Blick nach Afrika südlich der Sahara, so wird man in vielen Fällen hinter den Grenzen zwischen Christen, Moslems und Animisten eine viel ältere Spaltung entdecken: die Feindschaft der ethnischen Gruppen. So geht es im Südsudan weit weniger um die Frage, ob jemand Christ oder Moslem ist, Katholik oder Anglikaner. Es geht darum, ob jemand dem Volk der Dinka angehört oder ein Nuer ist. Gerade im jüngsten Konflikt in dem jungen Land entscheidet oft die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Volksgruppe über Leben und Tod, nicht das Religionsbekenntnis.
Im syrischen Bürgerkrieg hat sich der Konflikt einer unterdrückten Bevölkerung mit der Diktatur eines Familienclans auch entlang von religiösen und sozialen Trennungslinien entwickelt. Es war einer der fatalen Irrtümer in diesem Konflikt, dass die christliche Gemeinde an seinem Beginn glaubte, sie könne auch weiterhin mit dem säkularen Assad-Clan besser fahren als mit unberechenbaren islamischen Gruppen. Jetzt sind die Christen in dem Land zwischen alle Fronten geraten: Assads Regime ignoriert sie und kann sie nicht mehr beschützen. Die gemäßigten Aufständischen halten die Christen für Verbündete des verhassten Regimes. Und für die islamistischen Hardliner geben die syrischen Christen ohnehin ein klassisches Feindbild ab.
Menschen aus religiösen Gründen zu schikanieren, zu erniedrigen, sie in ihrem sozialen Fortkommen zu hemmen und sie an der Religionsausübung zu hindern ist ein Verstoß gegen fundamentale Menschenrechte.
Der Versuch, Verfolgung von Gläubigen – egal welchen Religionsgemeinschaften sie angehören, aus der Masse der Menschenrechtsverletzungen herauszuheben und dadurch zu überhöhen, geht freilich in die falsche Richtung. Die Freiheit der Religionsausübung ist Teil der Menschenrechte, unabhängig vom Bekenntnis oder dessen Fehlen. Menschenrechte sind immer unteilbar!
Sie stehen dem Moslem in Europa ebenso zu, wie wir sie für Christen in Arabien oder Afrika einfordern müssen, der Buddhist in Tibet hat Anspruch auf Achtung seiner Religiosität genauso wie die Bahai im Iran. Es müsste aber auch garantiert sein, dass jemand sich als ungläubiger Zweifler bekennt, ohne wegen seiner agnostischen oder atheistischen Einstellung gesellschaftlich geächtet zu werden.
Beim Schutz der Religionsfreiheit haben religiöse Gemeinschaften selbst aber auch eine wichtige Rolle zu spielen. Viel zu oft spielen sie selbst eine unrühmliche Rolle bei der Verletzung der Religionsfreiheit anderer Gruppen. Das gilt für die Christen nur noch in den Kreisen der radikalsten Fundamentalisten, wie sie unter den Evangelikalen Amerikas auftreten. Das gilt für die Hassprediger, die es unter den Moslems weltweit ebenso gibt wie unter Buddhisten in Burma und den Hindu-Nationalisten in Indien.
Die ganze Geschichte: Viktor Hermann; SN Print | 12.01.2014
http://search.salzburg.com/display/sn1303_13.01.2014_41-50542827
Will man bei diesem Thema weiterkommen, muss man aber die Fähigkeit besitzen, auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu sehen. Der Journalist Viktor Herman hat zusammengefasst und bringt es (wie immer) auf den Punkt.
Christen werden in aller Welt diskriminiert. Sie teilen dieses Schicksal mit den Anhängern anderer Religionsgemeinschaften und mit den Mitgliedern von ethnischen Minderheiten rund um den Globus.
Jedes Jahr publizieren Kirchen in Europa und Amerika Bilanzen der religiösen Verfolgung. Und jedes Jahr versuchen radikale Evangelikale, vor allem in den USA, diese Bilanzen zu instrumentalisieren, um ein Feindbild aufzubauen.
Die Organisation Open Doors tut sich dabei ganz besonders hervor. Wollte man ihr glauben, wären hundert Millionen Christen in aller Welt von religiös motivierter Verfolgung betroffen.
Doch Dokumente der christlichen Kirchen in Deutschland zeichnen ein ganz anderes Bild. Es werden nämlich weltweit Mitglieder aller Religionsgemeinschaften drangsaliert: die Christen in 130 Ländern, Moslems in 117 Ländern, Juden in 75 Ländern, Buddhisten in 16 und Hindus in 27 Ländern.
Je genauer man hinschaut, desto deutlicher kommt zutage, dass die Restriktionen sich nicht unbedingt spezifisch gegen Christen richten, sondern gesellschaftliche Zustände dokumentieren, in denen Minderheitsgruppen massiv bedrängt werden – wer auch immer die Herrschenden sein mögen, welcher Glaubensrichtung auch immer die unterdrückte Minderheit angehören mag.
Der militante sunnitische Wahhabismus in Saudi-Arabien wiederum verbietet zwar den Christen alles. In dem Land könnte niemals jemand eine Kirche bauen oder Einheimische einladen, sich zum Christentum zu bekehren. Doch das weit größere Leid erfahren Moslems, die nicht in diese extreme Form des Islams passen.
Wendet man den Blick nach Afrika südlich der Sahara, so wird man in vielen Fällen hinter den Grenzen zwischen Christen, Moslems und Animisten eine viel ältere Spaltung entdecken: die Feindschaft der ethnischen Gruppen. So geht es im Südsudan weit weniger um die Frage, ob jemand Christ oder Moslem ist, Katholik oder Anglikaner. Es geht darum, ob jemand dem Volk der Dinka angehört oder ein Nuer ist. Gerade im jüngsten Konflikt in dem jungen Land entscheidet oft die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Volksgruppe über Leben und Tod, nicht das Religionsbekenntnis.
Im syrischen Bürgerkrieg hat sich der Konflikt einer unterdrückten Bevölkerung mit der Diktatur eines Familienclans auch entlang von religiösen und sozialen Trennungslinien entwickelt. Es war einer der fatalen Irrtümer in diesem Konflikt, dass die christliche Gemeinde an seinem Beginn glaubte, sie könne auch weiterhin mit dem säkularen Assad-Clan besser fahren als mit unberechenbaren islamischen Gruppen. Jetzt sind die Christen in dem Land zwischen alle Fronten geraten: Assads Regime ignoriert sie und kann sie nicht mehr beschützen. Die gemäßigten Aufständischen halten die Christen für Verbündete des verhassten Regimes. Und für die islamistischen Hardliner geben die syrischen Christen ohnehin ein klassisches Feindbild ab.
Menschen aus religiösen Gründen zu schikanieren, zu erniedrigen, sie in ihrem sozialen Fortkommen zu hemmen und sie an der Religionsausübung zu hindern ist ein Verstoß gegen fundamentale Menschenrechte.
Der Versuch, Verfolgung von Gläubigen – egal welchen Religionsgemeinschaften sie angehören, aus der Masse der Menschenrechtsverletzungen herauszuheben und dadurch zu überhöhen, geht freilich in die falsche Richtung. Die Freiheit der Religionsausübung ist Teil der Menschenrechte, unabhängig vom Bekenntnis oder dessen Fehlen. Menschenrechte sind immer unteilbar!
Sie stehen dem Moslem in Europa ebenso zu, wie wir sie für Christen in Arabien oder Afrika einfordern müssen, der Buddhist in Tibet hat Anspruch auf Achtung seiner Religiosität genauso wie die Bahai im Iran. Es müsste aber auch garantiert sein, dass jemand sich als ungläubiger Zweifler bekennt, ohne wegen seiner agnostischen oder atheistischen Einstellung gesellschaftlich geächtet zu werden.
Beim Schutz der Religionsfreiheit haben religiöse Gemeinschaften selbst aber auch eine wichtige Rolle zu spielen. Viel zu oft spielen sie selbst eine unrühmliche Rolle bei der Verletzung der Religionsfreiheit anderer Gruppen. Das gilt für die Christen nur noch in den Kreisen der radikalsten Fundamentalisten, wie sie unter den Evangelikalen Amerikas auftreten. Das gilt für die Hassprediger, die es unter den Moslems weltweit ebenso gibt wie unter Buddhisten in Burma und den Hindu-Nationalisten in Indien.
Die ganze Geschichte: Viktor Hermann; SN Print | 12.01.2014
http://search.salzburg.com/display/sn1303_13.01.2014_41-50542827