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Izbori u Bosni i Hercegovini 2014 // Wahlen in Bosnien und Herzegowina 2014

[h=1]Der bosnische Frühling ist vorüber, die Wut ist geblieben[/h] Von Tuzla aus rollte im Frühjahr eine Protestwelle durchs Land. Wer vor den Wahlen am Sonntag die Stadt besucht, lernt: Die Politik hat daraus nichts gelernt. von Thomas Roser, Tuzla
9. Oktober 2014 15:12 Uhr
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tuzla-proteste-540x304.jpg
Proteste vor der Kantonsverwaltung im nordbosnischen Tuzla Anfang Februar (Archiv) | © Stringer/AFP/Getty Images

Mehr Bettler als Stimmenfänger buhlen im heruntergekommenen Zentrum von Tuzla um die Aufmerksamkeit der wenigen Passanten. "Die Leute in Tuzla sind verbittert, vor allem die jungen", sagt die Jurastudentin Mirela Jovic, die vor Bosniens Parlaments-, Präsidentschafts- und Regionalwahlen am Sonntag auf dem Trg Slobode die Flugblätter der multi-ethnischen Kleinpartei Bosanska Stranka zu verteilen versucht: "Alle wollen in Bosnien-Herzegowina Veränderungen. Doch statt uns der EU zu nähern, entfernen wir uns immer weiter von ihr. Nichts ist transparent, die Korruption floriert."
Hinter den eingeschlagenen Scheiben gähnen verrußte Fensterhöhlen. Eine löchrige Landesfahne baumelt von den Flaggenmasten der ausgebrannten Kantonsverwaltung. Nicht nur die zu schwarzen Plastikklumpen geschmolzenen Lüftungskästen der Klimaanlagen erinnern in der Stadt von Bosniens kurzem Frühling an die Krawalle, die zu Jahresbeginn den fragilen Vielvölkerstaat tagelang in seinen Grundfesten erschüttern ließ. "Für (R)Evolution ist es nie zu spät", verkündet ein selbst gemaltes Plakat auf der verschmorten Fassade.

Erst hatten mehrere Tausend Arbeiter von vier privatisierten und dann für bankrott erklärten Fabriken für die Auszahlung ihrer seit Jahren nicht erhaltenen Löhne und Sozialbeiträge demonstriert. Dann schlossen sich auch Arbeitslose, Studenten und Rentner ihren immer verbitterteren Protesten vor der Kantonsverwaltung an. Als wütende Demonstranten deren Sitz am 7. Februar in Brand steckten, breitete sich die kurze, aber heftige Protestwelle von Tuzla wie ein Flächenbrand vor allem im Teilstaat der muslimisch-kroatischen Föderation aus.
Über 50 Prozent Arbeitslose zählt die 120.000-Einwohner-Stadt: Auf 70 Prozent wird die Jugendarbeitslosigkeit geschätzt. Es sei kein Zufall gewesen, dass die Protestwelle in Tuzla ihren Anfang nahm, sagt der Psychoanalytiker Damir Arsenijevic. Vor dem Bosnienkrieg sei Tuzla ein wichtiges Industriezentrum Jugoslawiens gewesen – und nach dem Krieg zu einem der größten Opfer krimineller Privatisierungen geworden. Die Politiker hätten jedoch aus den Protesten und den Pannen beim Mai-Hochwasser "absolut nichts gelernt", allenfalls ihre "Rhetorik ein wenig angepasst". Folgenlos seien diese und die Arbeit des hernach monatelang tagenden Bürgerplenums jedoch keineswegs gewesen, versichert der Wissenschaftler. Es sei eine neue branchenübergreifende Gewerkschaft auch für Arbeitslose gegründet worden: "Doch vor allem das Bewusstsein der Leute hat sich geändert. Sie haben begonnen zu reden – und sich einzubringen."
[h=2]"Wenn jemand 50 Euro bietet, dann nimmt man die"[/h] Schon seit 39 Monaten hat die Chemietechnikerin Emina Busuladzic kein Gehalt mehr erhalten. Verbittert berichtet die blonde Frau, wie das örtliche Dita-Chemiewerk nach der Privatisierung 2005 von den neuen Eigentümern mit dem Wissen örtlicher Würdenträger systematisch in den Bankrott gelotst worden sei. Angeblich für das Werk aufgenommene Millionenkredite seien nie in das Werk investiert oder ausbezahlt worden, sondern in unbekannte Kanäle verschwunden. Erlöse seien sofort zur Mutterfirma transferiert, alle Kosten dem Werk als Verlust angeschrieben worden, so die Gewerkschafterin: "Die Privatisierung des Werkes war ein krimineller Raub – und nur ein Beispiel von vielen. Ohne sehr einflussreiche Politiker im Rücken wäre das für die Eigentümer kaum möglich gewesen."
Die Politiker "fürchten weder Volk noch Gott", klagt Busuladzic, die nun selbst als Kandidatin einer neuen kommunistischen Partei für das Kantonsparlament kandidiert. Auch mit Stimmenkauf versuche die etablierte Konkurrenz sich die Wiederwahl zu sichern: "Die Leute sind ausgelaugt. Wenn jemand 50 Euro bietet, dann nimmt man die, wenn man nichts hat."
Ein herrenloser Hund trabt achtlos an den Wahlplakaten am Zentralpark vorbei. Ob "Immer mit dem Volk", "Entschieden für den Wechsel" oder "In der Einigkeit liegt die Kraft": Die Slogans und Parteinamen wechseln, doch die wichtigsten Akteure sind dieselben geblieben. Seit Ende des Bosnienkriegs laben sie sich sehr einträglich an den zahlreichen Töpfen der Macht. Während viele ihrer Schutzbefohlenen am Rande oder unter dem Existenzminimum leben, hat sich der Wohlstand der 160 bekanntesten Politiker des Landes in den vergangenen Jahren auffällig vermehrt: Besonders geschäftstüchtige Würdenträger wie Milorad Dodik, Chef des Teilstaats der Republika Srpska, oder der frühere Sicherheitsminister Fahrudin Radoncic verfügen gar über mehrstellige Millionenvermögen.


Seite 2/2: [h=1]Politik als einträgliches Geschäft[/h]
Posten gibt es in dem verschachtelten Staatslabyrinth genug zu verteilen. Nicht weniger als 13 Parlamente und 4 Präsidenten werden am Sonntag auf Staats-, Teilstaats- und Kanton-Ebene gewählt. Kein Wunder, dass zwei Drittel der Staatsausgaben in den Staatsapparat zurückfließen: Das Land zählt nicht weniger als 137 Minister – plus deren Stellvertreter.
Im ethnisch geteilten Bosnien ist auch der Stimmenstreit um die Macht in den beiden Teilstaaten völlig entkoppelt – und verläuft weitgehend getrennt. Spannung kommt allenfalls in der Republika Srpska auf, wo der allmächtige Dodik und seine SNSD verbissen gegen ein wenig homogenes Oppositionsbündnis um den Verbleib auf ihren Amtssesseln kämpfen, im Zentrum steht die von der nationalistischen zur proeuropäischen Partei gewandelte SDS.
Ob Bakir Izetbegovic von der Türkei-orientierten SDA, die SBB des populistischen Medientycoons Radoncic oder die neu formierte Demokratische Front des bisherigen Staatspräsidiumsmitglieds Zeljko Komsic: Auch in der muslimisch-kroatischen Föderation sind es die vertrauten Haudegen, die im Wahlkampf den Ton angeben. Allenfalls Verschiebungen, aber keine gravierenden Änderungen der Machtkonstellationen sind zu erwarten. Das nationale Parlament nimmt angesichts der geringen Befugnisse und Mittel ohnehin niemand ernst: Nach den jüngsten Wahlen dauerte es über ein Jahr, bis sich die Parteifürsten auf eine Vielparteien-Koalition auf Landesebene geeinigt hatten.
Geld "wie Heu" hätten die Politiker, schimpft in Tuzla ein weißhaariger Rentner in der Kulina Bana: "Alle vier Jahre wiederholen sie ihre Parolen – und lügen schon, wenn sie ihre Versprechungen machen." Niemand erwarte von den Wahlen irgendetwas: "Jeder zieht hier in eine andere Richtung: Was für ein Staat kann das schon sein, der nicht einen, sondern drei Präsidenten hat?" Die Schließung ihrer Fabriken sei es, die der Stadt das Genick gebrochen habe: "Arbeit, Arbeit, Arbeit – das größte Problem von Tuzla ist die Arbeitslosigkeit.
 
[h=1]Der bosnische Frühling ist vorüber, die Wut ist geblieben[/h] Von Tuzla aus rollte im Frühjahr eine Protestwelle durchs Land. Wer vor den Wahlen am Sonntag die Stadt besucht, lernt: Die Politik hat daraus nichts gelernt. von Thomas Roser, Tuzla
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Proteste vor der Kantonsverwaltung im nordbosnischen Tuzla Anfang Februar (Archiv) | © Stringer/AFP/Getty Images

Mehr Bettler als Stimmenfänger buhlen im heruntergekommenen Zentrum von Tuzla um die Aufmerksamkeit der wenigen Passanten. "Die Leute in Tuzla sind verbittert, vor allem die jungen", sagt die Jurastudentin Mirela Jovic, die vor Bosniens Parlaments-, Präsidentschafts- und Regionalwahlen am Sonntag auf dem Trg Slobode die Flugblätter der multi-ethnischen Kleinpartei Bosanska Stranka zu verteilen versucht: "Alle wollen in Bosnien-Herzegowina Veränderungen. Doch statt uns der EU zu nähern, entfernen wir uns immer weiter von ihr. Nichts ist transparent, die Korruption floriert."
Hinter den eingeschlagenen Scheiben gähnen verrußte Fensterhöhlen. Eine löchrige Landesfahne baumelt von den Flaggenmasten der ausgebrannten Kantonsverwaltung. Nicht nur die zu schwarzen Plastikklumpen geschmolzenen Lüftungskästen der Klimaanlagen erinnern in der Stadt von Bosniens kurzem Frühling an die Krawalle, die zu Jahresbeginn den fragilen Vielvölkerstaat tagelang in seinen Grundfesten erschüttern ließ. "Für (R)Evolution ist es nie zu spät", verkündet ein selbst gemaltes Plakat auf der verschmorten Fassade.

Erst hatten mehrere Tausend Arbeiter von vier privatisierten und dann für bankrott erklärten Fabriken für die Auszahlung ihrer seit Jahren nicht erhaltenen Löhne und Sozialbeiträge demonstriert. Dann schlossen sich auch Arbeitslose, Studenten und Rentner ihren immer verbitterteren Protesten vor der Kantonsverwaltung an. Als wütende Demonstranten deren Sitz am 7. Februar in Brand steckten, breitete sich die kurze, aber heftige Protestwelle von Tuzla wie ein Flächenbrand vor allem im Teilstaat der muslimisch-kroatischen Föderation aus.
Über 50 Prozent Arbeitslose zählt die 120.000-Einwohner-Stadt: Auf 70 Prozent wird die Jugendarbeitslosigkeit geschätzt. Es sei kein Zufall gewesen, dass die Protestwelle in Tuzla ihren Anfang nahm, sagt der Psychoanalytiker Damir Arsenijevic. Vor dem Bosnienkrieg sei Tuzla ein wichtiges Industriezentrum Jugoslawiens gewesen – und nach dem Krieg zu einem der größten Opfer krimineller Privatisierungen geworden. Die Politiker hätten jedoch aus den Protesten und den Pannen beim Mai-Hochwasser "absolut nichts gelernt", allenfalls ihre "Rhetorik ein wenig angepasst". Folgenlos seien diese und die Arbeit des hernach monatelang tagenden Bürgerplenums jedoch keineswegs gewesen, versichert der Wissenschaftler. Es sei eine neue branchenübergreifende Gewerkschaft auch für Arbeitslose gegründet worden: "Doch vor allem das Bewusstsein der Leute hat sich geändert. Sie haben begonnen zu reden – und sich einzubringen."
[h=2]"Wenn jemand 50 Euro bietet, dann nimmt man die"[/h] Schon seit 39 Monaten hat die Chemietechnikerin Emina Busuladzic kein Gehalt mehr erhalten. Verbittert berichtet die blonde Frau, wie das örtliche Dita-Chemiewerk nach der Privatisierung 2005 von den neuen Eigentümern mit dem Wissen örtlicher Würdenträger systematisch in den Bankrott gelotst worden sei. Angeblich für das Werk aufgenommene Millionenkredite seien nie in das Werk investiert oder ausbezahlt worden, sondern in unbekannte Kanäle verschwunden. Erlöse seien sofort zur Mutterfirma transferiert, alle Kosten dem Werk als Verlust angeschrieben worden, so die Gewerkschafterin: "Die Privatisierung des Werkes war ein krimineller Raub – und nur ein Beispiel von vielen. Ohne sehr einflussreiche Politiker im Rücken wäre das für die Eigentümer kaum möglich gewesen."
Die Politiker "fürchten weder Volk noch Gott", klagt Busuladzic, die nun selbst als Kandidatin einer neuen kommunistischen Partei für das Kantonsparlament kandidiert. Auch mit Stimmenkauf versuche die etablierte Konkurrenz sich die Wiederwahl zu sichern: "Die Leute sind ausgelaugt. Wenn jemand 50 Euro bietet, dann nimmt man die, wenn man nichts hat."
Ein herrenloser Hund trabt achtlos an den Wahlplakaten am Zentralpark vorbei. Ob "Immer mit dem Volk", "Entschieden für den Wechsel" oder "In der Einigkeit liegt die Kraft": Die Slogans und Parteinamen wechseln, doch die wichtigsten Akteure sind dieselben geblieben. Seit Ende des Bosnienkriegs laben sie sich sehr einträglich an den zahlreichen Töpfen der Macht. Während viele ihrer Schutzbefohlenen am Rande oder unter dem Existenzminimum leben, hat sich der Wohlstand der 160 bekanntesten Politiker des Landes in den vergangenen Jahren auffällig vermehrt: Besonders geschäftstüchtige Würdenträger wie Milorad Dodik, Chef des Teilstaats der Republika Srpska, oder der frühere Sicherheitsminister Fahrudin Radoncic verfügen gar über mehrstellige Millionenvermögen.


Seite 2/2: [h=1]Politik als einträgliches Geschäft[/h]
Posten gibt es in dem verschachtelten Staatslabyrinth genug zu verteilen. Nicht weniger als 13 Parlamente und 4 Präsidenten werden am Sonntag auf Staats-, Teilstaats- und Kanton-Ebene gewählt. Kein Wunder, dass zwei Drittel der Staatsausgaben in den Staatsapparat zurückfließen: Das Land zählt nicht weniger als 137 Minister – plus deren Stellvertreter.
Im ethnisch geteilten Bosnien ist auch der Stimmenstreit um die Macht in den beiden Teilstaaten völlig entkoppelt – und verläuft weitgehend getrennt. Spannung kommt allenfalls in der Republika Srpska auf, wo der allmächtige Dodik und seine SNSD verbissen gegen ein wenig homogenes Oppositionsbündnis um den Verbleib auf ihren Amtssesseln kämpfen, im Zentrum steht die von der nationalistischen zur proeuropäischen Partei gewandelte SDS.
Ob Bakir Izetbegovic von der Türkei-orientierten SDA, die SBB des populistischen Medientycoons Radoncic oder die neu formierte Demokratische Front des bisherigen Staatspräsidiumsmitglieds Zeljko Komsic: Auch in der muslimisch-kroatischen Föderation sind es die vertrauten Haudegen, die im Wahlkampf den Ton angeben. Allenfalls Verschiebungen, aber keine gravierenden Änderungen der Machtkonstellationen sind zu erwarten. Das nationale Parlament nimmt angesichts der geringen Befugnisse und Mittel ohnehin niemand ernst: Nach den jüngsten Wahlen dauerte es über ein Jahr, bis sich die Parteifürsten auf eine Vielparteien-Koalition auf Landesebene geeinigt hatten.
Geld "wie Heu" hätten die Politiker, schimpft in Tuzla ein weißhaariger Rentner in der Kulina Bana: "Alle vier Jahre wiederholen sie ihre Parolen – und lügen schon, wenn sie ihre Versprechungen machen." Niemand erwarte von den Wahlen irgendetwas: "Jeder zieht hier in eine andere Richtung: Was für ein Staat kann das schon sein, der nicht einen, sondern drei Präsidenten hat?" Die Schließung ihrer Fabriken sei es, die der Stadt das Genick gebrochen habe: "Arbeit, Arbeit, Arbeit – das größte Problem von Tuzla ist die Arbeitslosigkeit.

Leider alles von Radoncic inszeniert, das ging schief, er wollte sich als Retter darstellen. Übrigens hat er gedroht falls er nicht gewinnt wirds wieder brennen. Der muss die Wahl gewinnen sonst fickt ihn Bakir durch. Davon hängt sein Leben ab weil auch ermittlet wird in Mord.
 
Leider alles von Radoncic inszeniert, das ging schief, er wollte sich als Retter darstellen. Übrigens hat er gedroht falls er nicht gewinnt wirds wieder brennen. Der muss die Wahl gewinnen sonst fickt ihn Bakir durch. Davon hängt sein Leben ab weil auch ermittlet wird in Mord.

im Grunde ist die gesamte Politikerklasse sowohl bei den Muslimen/Kroaten als auch bei den Serben völlig korrupt und unfähig...
 
Den Teil der FAZ finde ich interessant:

Besonders kritisiert er Izetbegović für dessen angebliche Abhängigkeit von dem türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan. „Izetbegović betreibt nicht bosnische Außenpolitik, sondern Erdogans Außenpolitik. Er ist die Verlängerung Erdogans in diesem Land.“ Suljagić erinnert an einen Auftritt Erdogans bei den türkischen Präsidentenwahlen im August in Konya, als Izetbegović per Videolink zugeschaltet wurde. Unterwürfig habe Izetbegović sich da benommen. Auf Youtube ist der Auftritt noch abrufbar. Da sagt Izetbegović: „Salam alaikum, großer Präsident! Salam aus Bosnien den Brüdern in Konya, den Brüdern in der Türkei.“ Er lobt Erdogan als Mann, der viel für die türkische Nation, die muslimische Welt, „für alle guten Menschen dieser Welt“ getan und der Umma ihren Stolz zurückgegeben habe.

Besonders erzürnt Suljagić Izetbegovićs Aussage, dass Erdogan nun die Flagge trage, die Izetbegović senior ihm anvertraut habe. „Bosnien ist nicht irgendjemandes Privateigentum. Es gehört seinen Bürgern. Herr Izetbegović täte besser daran, wenn er ein wenig von dem Geld seines Freundes Erdogan ausgäbe, um Menschen zu unterstützen, nach Srebrenica, Bratunac oder Zvornik zurückzugehen, von wo sie im Krieg vertrieben wurden.“
Ein Muslim für das höchste Staatsamt

Auch Mustafa Cerić, ein weiterer Bewerber um den muslimischen Platz in Bosniens Staatspräsidium, hat keine hohe Meinung von Erdogan und der Türkei. Ceric war fast 20 Jahre lang als „Reisu-l-ulema“ („Oberhaupt der Gelehrten“) der religiöse Führer von Bosniens Muslimen. Der demokratisch gewählte „Reis“ an der Spitze der bosnischen Muslime ist Teil einer in der islamischen Welt einzigartigen Konstruktion, die auf die Zeit zurückgeht, als Bosnien Teil des Habsburgerreiches war.
Man solle ihn bitte nicht falsch verstehen, sagt Cerić, er sei keinesfalls turkophob. „Ich bin aber auch nicht turkophil. Ich bin bosnophil.“ Cerić erinnert an einen Ausspruch Erdogans, der einmal sagte, Izetbegović habe ihm auf dem Sterbebett Bosnien zum Schutze anvertraut. „Dazu gibt es kein Dokument, aber nehmen wir einmal an, es war wirklich so: Dann möchte ich Herrn Erdogan grüßen und ihm ausrichten, sobald die Türkei in Bosnien so viel investiert wie Slowenien, können wir wieder reden.“ Derzeit aber investiere das kleine Slowenien viermal mehr in Bosnien als die große Türkei. „Mein lieber Präsident Erdogan, wenn ich sehe, dass Sie fünf Milliarden Dollar in Straßen, Krankenhäuser, Universitäten, Flughäfen und Altersheime investiert haben, dann glaube ich Ihnen, dass Sie sich um Bosnien kümmern“, sagt Cerić, der damit ein dezidiert planwirtschaftliches Wirtschaftsverständnis offenbart.
Einstweilen aber hätten die Bosnier „die Nase voll von leerer Rhetorik“. Bosnien sei schließlich ein souveräner Staat und nicht der Privatbesitz einzelner Politiker. Die Türkei solle ihre Politik an alle Bosnier richten und „nicht an eine Familie oder einen Clan“, rügt Cerić die Ankaraner Sonderbeziehungen zu Izetbegović. „Bosnien ist eine Demokratie, keine Dynastie.“ Dass er sich als ehemaliger Führer der islamischen Gemeinschaft um das höchste Staatsamt bewerbe, sei der beste Beweis für die demokratischen Verhältnisse im Lande, sagt Cerić, der vor seiner Zeit als „Reis“ in Sarajevo Imam der bosniakischen Gemeinde in Chicago war und fließend Englisch spricht. „Wenn Deutschland einen früheren lutherischen Pastor zum Präsidenten hat, warum soll Bosnien dann nicht einen muslimischen Präsidenten haben?“, fragt er.
 
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