100 Millionen Dollar musste Formel-1-Mogul Bernie Ecclestone einem Münchner Gericht zahlen, damit seine Anklage wegen Bestechung fallen gelassen wird. Im griechischen Justizsystem sind deutlich geringere Geldbeträge gefragt. Wer dort für ein geringfügiges Vergehen ins Gefängnis muss, kann sich seine Freiheit für durchschnittlich fünf Euro pro Tag erkaufen. Und wem das Geld dafür fehlt, kann noch auf Gervasios Raptopoulos hoffen. Der griechisch-orthodoxe Priester hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, verarmte Häftlinge freizukaufen.
Über einen Zeitraum von knapp 40 Jahren hat der 83-Jährige mit der sanften Stimme und dem langen weissen Bart mehr als 15'000 Gefängnisinsassen zur Freiheit verholfen, wie aus Unterlagen seiner Wohltätigkeitsorganisation hervorgeht. Freikaufen können sich nur Personen, die wegen einer Straftat verurteilt wurden, die maximal fünf Jahre Gefängnis bringt. Dazu zählen Körperverletzung, Waffenbesitz, Widerstand gegen die Festnahme, geringfügigere Drogenvergehen, aber auch illegales Abholzen.
Spenden gehen wegen Finanzkrise zurück
Griechenlands schwere Finanzkrise ist auch an Vater Gervasios nicht spurlos vorbeigegangen, denn seine Organisation finanziert sich ausschliesslich aus Privatspenden. Gleichzeitig steigt die Zahl der Häftlinge rasant, die sich nicht freikaufen können. «Spendeten die Menschen früher 100 Euro, sind es heute 50 Euro. Aber das hält uns nicht auf», sagte Vater Gervasios der Nachrichtenagentur AP im Interview.
Schon vor der Krise seien die Zustände in den Gefängnissen höllisch gewesen, nun würden seine Anstrengungen stärker denn je gebraucht. «Unsere Gesellschaft verstösst Häftlinge und drängt sie an den Rand. Die Menschen sagen häufig: «Es geschieht ihnen recht», erklärt er.
500 Euro pro Gefangenen
In Griechenland sitzen rund 13'000 Menschen im Gefängnis, was die Kapazitäten deutlich übersteigt. Die Behörden sind gezwungen, Häftlinge in Hafträumen auf Polizeiwachen unterzubringen, bis eine Gefängniszelle für sie frei ist. Und auch Insassen, die nicht freigekauft werden, benötigen Geld, denn was die Gefängnisse beispielsweise an Toilettenpapier und Seife bereitstellen, reicht häufig nicht aus. Gervasios bemüht sich, auch hier mit Bargeld oder Sachspenden auszuhelfen. Bis zu 500 Euro wendet seine Organisation für jeden Gefängnisinsassen auf, den sie betreut. Manchmal reichen aber auch deutlich kleinere Summen.
«Einmal gaben wir einem Mann die 8,50 Euro, die ihm fehlten, um seine Freiheit zu erlangen», sagt der Geistliche. «In Ausnahmefällen überschreiten wir aber auch schon mal unsere Grenzen. Einem Gefangenen haben wir bis zu 10'000 Euro gegeben. Er war krank und hatte viele Kinder.»
Mehrfach ausgezeichnet
1978 hat Vater Gervasios die Wohlfahrtsorganisation gegründet, seitdem wurde er wiederholt vom Staat für seinen Einsatz ausgezeichnet, unter anderem mit einem der höchsten Zivilorden des Landes. «Vater Gervasios Raptopoulos leistet seit Jahrzehnten überragende Arbeit und bietet den Häftlingen menschliche Wärme und Solidarität», sagt Marinos Skandamis, Generalsekretär des Justizministeriums.
Am dankbarsten sind aber die Häftlinge und das Gefängnispersonal. «Wir schreiben ihm, welche Häftlinge gegen Barzahlung freigelassen werden könnten und weshalb sie im Gefängnis sind», sagt Costas Kapandais, ehemaliger Leiter der Gefängnisse in Komotini und Diavata. «Er hat nicht einen einzigen Antrag zurückgewiesen.»