1. Eine „einheitliche Sprache“ konnte wegen der Mängel an linguistischen Eigenheiten und der außersprachlich aufgestellten Standardisierungskriterien, unter dem Begriff „Serbokroatisch“ sich nicht konstituieren.
Außer gewissen verbindlichen Regeln, die mit gemeinsamen (invarianten) Merkmalen im Kroatischen und Serbischen korrespondieren, gab es keine umfassende, zugleich für Kroaten und Serben gültige, Norm als obligatorischen Bezugspunkt für die beiden Sprachen. Irrigerweise suchte man diese Mängel durch die Überbetonung der gemeinsamen Bezugsquelle, des stokavischen Dialekts, abzuhelfen. Das zog wietere Fehler und Schwierigkeiten nach sich:
1.1. Wegen der unterschiedlichen Quantität (Verteilung) des Dialektfundus in den stokavisch sprechenden Gebieten wurden, anlässlich der Standardisierungsentscheidungen der Kroaten und Serben, einer beträchtlichen Anzahl der Sprachmerkmale unterschiedliche Prioritäten eingeräumt. Das krasseste Beispiel dafür ist die serbische Beibehaltung der ekavischen Mundart des Stokavischen, obwohl für die „gemeinsame Sprache“ gemäß des Wiener Abkommen (1850) die (i)ekavische Mundart vorgesehen war.
1.2. Die in mehrfacher Hinsicht unterschiedliche Qualität des stokavischen Dialektfundus bei Kroaten und Serben ist nicht entsprechend beachtet worden. Während etwa der stokavische Dialekt bei den Kroaten schon seit dem 15. Jh. Seine literarische Stilisierung erfuhr, kannten die Serben bis zum 19. Jh. Nichts dergleichen, und so waren sie zusammen mit Vuk Stefanivic Karadzic auf den folkloristischen Typ des Stokavischen angewiesen. Eine erhebliche Differenzierung war die natürliche Folge dieses uneinheitlichen Standardisierungsprozesses, und sie führte zu völlig entgegengesetzten Auffassungen anlässlich der späteren Bemühungen um eine Norm.
1.3. Zum abweichenden Charakter des kroatisch-stokavischen Idioms trug auch seine Bereicherung durch das Cakavische und Kajkavische bei, hauptsächlich dank ihren literarischen Stilisierungen (seit dem 15. bzw. 16. Jh.). Dieser Vorteil kommt einzig dem Kroatischen zugute; das Serbische hat weder einen direkten noch einen indirekten Bezug zu diesen zwei Dialekten. Die kroatischen Auffassungen über ihre Standardsprache schlossen verständlicherweise auch nach dme Wiener Abkommen derartige Errungenschaften ein.
1.4. Als weitere Standardisierungsmerkmale, die den unterschiedlichen Zustand und Rang des Stokavischen bei Kroaten und Serben zur Folge hatten, …..
1.5.