Prodi fordert von Berlusconi Eingeständnis der Niederlage
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ITALIEN-WAHL
Prodi fordert von Berlusconi Eingeständnis der Niederlage
Der 24-stündige Wahlkrimi in Italien geht auf das letzte Kapitel zu. Nach derzeitigem Stand hat Herausforderer Romano Prodi nun auch eine hauchdünne Mehrheit im Senat. Silvio Berlusconi hat seine Niederlage noch nicht eingestanden - doch aus dem Ausland erhält Prodi bereits Glückwünsche.
Rom - Ein langer Nervenkrieg nähert sich dem Ende. Zwar gibt es immer noch kein endgültiges Ergebnis, aber die meisten Stimmen sind bereits ausgezählt. Demnach hat das Mitte-links-Bündnis des italienischen Oppositionsführers Romano Prodi nun auch die meisten Sitze im Senat gewonnen. Es wird noch auf die Auszählung der Stimmen der im Ausland lebenden Italiener gewartet, die sechs Sitze im Senat vergeben. Dem letzten Zwischenergebnis zufolge gewann Prodi vier davon. "Ich erwarte einen Anruf mit den Glückwünschen von Berlusconi, das ist in modernen Demokratien so Brauch", sagte Prodi.
Wenn auch nicht vom Gegner, so erhielt Prodi doch bereits Glückwünsche aus dem Ausland: Der Chef der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), gratulierte Prodi zum Sieg. Dies sei ein großer Erfolg für die Demokratie in Italien und Europa, erklärte er heute. Die Wähler hätten sich trotz aller medialen Manipulationsversuche nicht beirren und einschüchtern lassen. Sie hätten eine miserable Regierung abgewählt, erklärte der Deutsche, den Silvio Berlusconi einst im Europäischen Parlament beleidigt hatte. Ungewöhnlicherweise verbreitete Schulz seine Erklärung, bevor das endgültige Ergebnis feststand.
Das italienische Innenministerium hält sich bislang zurück und erklärte zunächst noch niemanden zum Sieger. Vor Auszählung der Wähler im Ausland lag das Lager von Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit 155 zu 154 Sitzen noch um ein Mandat vor der Opposition. Für das Abgeordnetenhaus erreichte Prodi dem vorläufigen Endergebnis zufolge 49,8 Prozent der Stimmen, während Berlusconis Haus der Freiheiten 49,7 Prozent erhielt. Ungeachtet des knappen Vorsprungs wird Prodi über eine klare Mehrheit verfügen. Nach dem neuen Wahlrecht, dessen Änderung Berlusconi durchgedrückt hatte, erhält das Parteienbündnis mit den meisten Stimmen mindestens 340 der 630 Sitze - unabhängig davon, wie groß sein Vorsprung bei der Stimmenzahl ist.
"Wir haben gewonnen"
Prodi erklärte inzwischen, er rechne mit einer vergleichsweise stabilen Regierung seines Mitte-links-Bündnisses. "Wir haben eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer und im Senat erzielt, die es uns erlaubt, mit unserer Koalition fünf Jahre lang zu regieren", sagte er heute. Er sehe sich als neuen Ministerpräsident. "Wir haben gewonnen." Sein Kabinett werde eine Regierung für alle Italiener sein - "selbst für die, die nicht für mich gestimmt haben", versprach Prodi.
Zuvor muss Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi dem Wahlsieger den Auftrag zu Kabinettsbildung geben. Anschließend muss sich der designierte Ministerpräsident in beiden Parlamentskammer der Vertrauensabstimmung stellen. Ciampi lobte am Dienstag den "geordneten und regulären Ablauf der Wahlen".
Allerdings kam es bei der nur schleppenden Stimmenauszählung zu Konfusion und Chaos. Nachdem es gestern nach ersten Wählerbefragungen zunächst nach einem klaren Sieg von Mitte-links aussah, zeichnete sich nach den Hochrechnungen immer mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Zeitweise sah es sogar nach einem hauchdünnen Vorsprung Berlusconis im Senat aus. Im Parlament machten am Ende lediglich 25.000 Wählerstimmen Unterschied Prodi zum Sieger. Aus dem Berlusconi-Lager kommt inzwischen der Ruf nach Überprüfung der Abstimmung. "Eine aufmerksame und präzise Überprüfung ist notwendig", zitierten Insider aus einer Sitzung Berlusconis mit seinen Mitarbeitern. Christdemokraten forderten, vor allem die rund 500.000 ungültigen Stimmzettel müsse man genauer untersuchen.
Der frühere EU-Kommissionspräsident Prodi war bereits von 1996 bis 1998 Regierungschef in Rom.
ler/dpa/AFP/AP