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Minderheiten in Griechenland

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Guerrier

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Minderheiten in Griechenland

"Die Präsenz von ethnischen und religiösen Minderheiten passt nicht in die Staatsräson von Griechenland. Das Land das als wiege der europäischen Demokratie gilt und Mitglied aller europäischen Institutionen ist, hat z.B. die Rahmenkonventionen des Europarates zum Schutz von nationalen Minderheiten nicht ratifiziert. mit diesem Text möchten ich die schwierige Lage der ethnischen und religiösen Minderheiten in Griechenland, der muslimischen Türken, Pomaken und Roma sowie der Albaner, Slawomazedonier und Aromunen näher bringen.



Griechenlands Verhältnis zu seinen Nachbarn und Minderheiten ist verkrampft

Wie die meisten Balkanstaaten hat sich Griechenland seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich in Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen erkämpft. Erst 1826 konnte das südliche Griechenland seine Unabhängigkeit erklären. 600 Jahre lang war das griechische Siedlungsgebiet von Istanbul aus beherrscht worden. Noch heute spricht man in Griechenland, Bulgarien oder Serbien mit Ranküne vom "Osmanischen Joch" – und verdrängt damit auch die großen Errungenschaften osmanischer Kultur und viele Jahrzehnte guten oder erträglichen Zusammenlebens von Muslimen und Christen.

Anfang des 20. Jahrhunderts bewohnten die Griechen alle Küsten der Ägäis und des Schwarzen Meeres bis nach Trapezunt im Osten (heute Türkei) und nach Burgas im Norden (heute Bulgarien). Erst im Balkankrieg 1912/13 eroberten griechische Truppen den südlichen Epirus, Südmazedonien und Westthrakien. Griechen bildeten dort nur Minderheiten innerhalb der Bevölkerung. Weite Teile dieser Regionen waren von christlichen Bulgaren, Pomaken (bulgarischsprachigen Muslimen) und Aromunen, von Albanern christlichen und muslimischen Glaubens, von Türken und von muslimischen Roma bewohnt. In vorangegangenen Jahrhunderten hatten Albaner Regionen Südgriechenlands bis hinunter zum Peloponnes und sogar einzelne griechische Inseln besiedelt und den griechisch-orthodoxen Glauben angenommen. Viele dieser gräzisierten christlichen Albaner nahmen an den griechischen Unabhängigkeitskämpfen teil. Letzte Reste dieser Bevölkerungsgruppe bezeichnen sich heute als Arvaniten und treten für Förderung und Anerkennung ihrer Kultur ein.

1922 versuchte Griechenland, die Siedlungsgebiete an der östlichen Ägäisküste, in Ostthrakien und Konstantinopel an sich zu reißen. Mit Zustimmung Englands und Frankreichs marschierten griechische Truppen Richtung Ankara und wurden vor der türkischen Hauptstadt von Kemal Atatürk vernichtend geschlagen, nachdem die Alliierten ihre Waffenlieferungen eingestellt hatten. Die griechischen Siedlungsgebiete in Ionien und Ostthrakien wurden von türkischen Truppen erobert. Hunderttausende, überwiegend Zivilisten, verloren ihr Leben. Im Vertrag von Lausanne wurde - auch durch britischen Druck - die Vertreibung von 1,5 Millionen Griechisch-Orthodoxen aus der Türkei sanktioniert. Sie wurden in Nordgriechenland angesiedelt. Gleichzeitig mussten über 500.000 Muslime – unter ihnen Türken, Albaner, Pomaken und Roma – Nordgriechenland verlassen. Die Schrecken von Flucht, Vertreibung und Völkermord werden seither als beispielhafter "Bevölkerungsaustausch" umschrieben. Nur die muslimischen Minderheiten Westthrakiens wurden, geschützt durch ein Sonderstatut, ebenso von der Umsiedlung ausgenommen wie 250.000 Griechen in Konstantinopel/Istanbul und auf den Inseln Imbros und Tenedos.

Mit dem unseligen Mittel des Bevölkerungsaustauschs förderten ebenfalls in den 20er Jahren auch bulgarische und griechische Politiker die weitere Homogenisierung ihrer Länder. Die griechische Bevölkerung musste die Südküste Bulgariens verlassen, slawische Mazedonier wurden von Griechisch Mazedonien nach Bulgarien umgesiedelt. Während des griechischen Bürgerkrieges 1945-48 mussten weitere Zehntausende Slawomazedonier Griechenland verlassen und wurden auf die kommunistischen Staaten Osteuropas verteilt. Bis heute dürfen die meisten von ihnen nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die damals im Land Zurückgebliebenen und ihre Nachfahren sind seither nur noch eine kleine Minderheit.

Während der Befreiungskämpfe der Völker des südlichen Balkans gegen die Türken hatte sich die große Mehrheit der Slawomazedonier an Bulgarien orientiert. Die mazedonischen Dialekte galten als Teil des Bulgarischen bis Tito-Jugoslawien 1944 eine eigene mazedonische Hochsprache schuf. Seither wurde Alexander der Große, der fast ein Jahrtausend vor der slawischen Besiedlung des Balkan Mazedonien beherrschte, eine Art mythischer Begründer Mazedoniens. Als es der südlichsten Republik des alten Jugoslawien gelang ohne kriegerische Auseinandersetzung mit Belgrad die Unabhängigkeit zu erlangen, nahm der neue Staat Mazedonien das antike mazedonische Sonnensymbol in seine Flagge auf.

Jetzt wirkten die Nationalitätenkämpfe in Nordgriechenland nach. Es waren wohl die größten Massendemonstrationen in Griechenland seit Ende des Zweiten Weltkrieges, als 1994 fast zwei Millionen Griechen mit antimazedonischen Parolen durch Athen und Saloniki marschierten. Griechenland gelang es, eine internationale Diskussion zu entfachen, Skopje zu erpressen und die europäischen Institutionen in Sachen Mazedonien zu paralysieren. Bis heute erleben viele Griechen Affekte des Chauvinismus, die sich aus Unsicherheit speisen. Vielleicht auch aus schlechtem Gewissen wegen der Vertreibung der Mehrheit der mazedonisch- und bulgarischsprachigen Bevölkerung aus Griechenland und der gnadenlosen Unterdrückung der dort zurückgebliebenen Minderheiten.

Noch viel bedenklicher sind die Folgen der antitürkischen Ressentiments. Die griechische öffentliche Meinung folgte Serbiens Agitation gegen Bosnien, als es dessen südslawische Muslime mit Aggression und Genozid überzog und zu Türken erklärte. Griechenland nahm entschieden Partei für den Krieg des Milosevic. Dessen Schlächter Karadjic erhielt einen Griechischen Menschenrechtspreis. Griechenland unterlief über Serbien verhängte Sanktionen und lieferte Nachschub für Belgrad, nicht zuletzt Petroleum aus dem Nahen Osten. Das Milosevic-Regime durfte seine finanziellen Transaktionen über Athen und selbst über das ferne Zypern abwickeln.

Erst eine tolerante griechische Minderheitenpolitik nach den Maßstäben des Europarates und der Europäischen Union, erst die Anerkennung der Rechte von Aromunen, Arvaniten und Slawomazedoniern, die Beendigung diskriminierender Gesetze und Regierungspraxis gegenüber den drei muslimischen Minderheiten der Türken, Pomaken und Roma, wird verkrustete Ressentiments auflösen und das Verhältnis Griechenlands zu den Nachbarn in Südosteuropa entkrampfen.

Aber jede Beschäftigung mit den griechischen Minderheitenproblemen bedarf eines Blickes in Richtung Türkei. Alle türkischen Regierungen haben den Vertrag von Lausanne missachtet. In den 50er und sogar noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu schrecklichen Pogromen an den Griechen von Istanbul/Konstantinopel und den Inseln Imbros und Tenedos. Seit 1974 müssen 80 Prozent der Bevölkerung Nordzyperns als Flüchtlinge im griechischen Südteil der Insel leben. Sogar die Hälfte der türkischen Zyprioten hat das von türkischem Militär besetzte Nordzypern verlassen. Wenn wir diese Tatsachen im Auge haben, werden meine Forderungen nach Toleranz für die Minderheiten in Griechenland umso glaubwürdiger.



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Die Pomaken in Griechenland

Bei vielen Pomaken herrscht Verwirrung über ihre eigene ethnische Zugehörigkeit. Während sich viele eher mit Türken oder allgemein mit der "muslimischen Minderheit" identifizieren, legen andere Wert auf ihre besondere pomakische Abstammung und Kultur. Nur wenige haben begonnen, sich mit dem griechischen Staat zu identifizieren. Die Herkunft dieser slawischsprachigen Ethnie, deren größerer Teil in Bulgarien lebt (ca. 250.000; in Griechenland leben gut 30.000), ist umstritten. V.a. aufgrund kryptochristlicher (ehem. christlicher, doch heute nicht als solche ausgeführter) Bräuche kann man davon ausgehen, dass es sich um konvertierte Nachfolger einheimischer Christen handelt. Kaum umstritten ist, dass ihre Sprache dem Bulgarischen so nah steht, dass sie als Dialekt desselben bezeichnet werden kann.

Die Siedlungen der Pomaken Griechenlands liegen in abgelegenen Regionen der Provinzen Xánthi und Rodópi. Sämtliche Pomaken, die in Griechisch-Makedonien lebten, mussten 1922 infolge des Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und der Türkei das Land verlassen. Das Siedlungsgebiet der Pomaken ist somit auf Thrakien beschränkt - Griechenlands abgelegenste und wirtschaftlich schwächste Region. Die pomakischen Siedlungen lagen darüber hinaus zum Großteil bis 1996 innerhalb eines militärischen Sperrgebietes, das zu betreten sehr aufwendig war.

In Griechenland gibt es weder Radio- noch Fernsehsendungen auf Pomakisch und nur wenige Publikationen. Ein pomakisch-griechisches Lexikon, das vor fünf Jahren erstmals erschien, wurde in der für slawische Laute äußerst ungeeigneten griechischen Schrift geschrieben, ebenso einige pomakische Informationsblättchen (z.B. vom Zentrum für pomakische Studien in Komotiní). Viele Pomaken nutzen daher türkische Medien.

Da die Pomaken Griechenlands als Muslime Minderheitenstatus genießen, haben sie das Recht auf Schulen. An den "muslimischen" Schulen wird jedoch nicht zwischen unterschiedlichen Ethnien und Sprachen unterschieden, der Unterricht erfolgt auf Türkisch und Griechisch. Pomakisch wird zur Familiensprache reduziert und kann so auf Dauer nicht bewahrt werden. Die sprachliche Situation, die durch die Pflege des Arabischen als Koransprache noch komplizierter wird, führt zu sprachlicher Inkompetenz, die ihnen ein berufliches Fortkommen außerhalb ihrer Wohngebiete sehr erschwert und die Isolation der Minderheit fördert. Vielen Pomaken sind höhere Positionen im griechischen Staat durch unzulängliches Griechisch von vornherein verwehrt. Dies führt einerseits zu einer weiteren Isolation der pomakischen Bevölkerung, andererseits zu ihrer Abwanderung (v.a. in die Türkei, aber auch nach Deutschland).

Weiterer Grund für die Abwanderung sind Benachteiligungen aufgrund einer lange Zeit restriktiven Minderheitenpolitik des griechischen Staates. Man versuchte die Muslime das Unrecht spüren zu lassen, das den in der Türkei verbliebenen und den von dort vertriebenen Griechen geschah. Seit 1977 wurde der Gebrauch türkischer geographischer Namen Thrakiens in offiziellen Dokumenten verboten. Im alltäglichen Leben waren es v.a. die Verzögerung oder Verweigerung von Baugenehmigungen und andere Dinge, die nicht nur die Pomaken, sondern alle Muslime, verbitterten. In der Türkei, wo sie sich überwiegend in Ostthrakien angesiedelt haben, leben sie in vielen Siedlungen verstreut und haben im türkischen Umfeld auf Dauer keine Chance, ihre Sprache zu bewahren. Dort gibt es ebenfalls weder pomakischen Unterricht noch Veröffentlichungen.

Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die Minderheitenpolitik Griechenlands gegenüber den Muslimen zu ändern begonnen. Es wird offiziell wahrgenommen, dass die nicht differenzierende restriktive Politik die Gefahr von Irredentismus (Irredentismus = Unabhängigkeitsbewegung, die den Anschluss abgetrennter Gebiete an das Mutterland anstrebt; d. Red.) und Unruhe bringt und zur wirtschaftlichen Schwäche dieser am geringsten entwickelten Region Griechenlands und der gesamten EU beiträgt. Außerdem hat man begonnen, nicht nur von einer "muslimischen Minderheit" zu sprechen, sondern zwischen den drei Gruppen der Pomaken, Türken und muslimischen Roma zu unterscheiden. Dies zeigt sich in einer Flut von griechischen Veröffentlichungen zu den Pomaken.

Die Pomaken sind jedoch weiterhin nur mangelhaft in die Wirtschaft und Gesellschaft des Landes integriert und leben in wirtschaftlich stark rückständigen Gemeinden. Für die Isolierung und den schlechten Entwicklungs- und Bildungsstand der Pomaken sind verfehlte Wirtschaftspolitik und mangelnde Infrastruktur, aber auch weitgehende Ignoranz der ethnischen Strukturen seitens vieler Politiker mitverantwortlich. Auch dadurch, dass das alltägliche Leben der Pomaken noch stark religiös bestimmt ist, wird ihre Isolierung verstärkt. So ist die Isolierung den Pomaken einerseits willkommen bei der Bewahrung ihrer Identität, Kultur und Religion, andererseits erschwert sie jegliche Integration in die griechische Gesellschaft und behindert entsprechend ihr wirtschaftliches Vorankommen.



Türkische Minderheit in Westthrakien

Mit dem Fahrrad kommt der Muezzin zur Moschee in Komotini, steigt auf den Balkon des Minaretts und singt in alle Himmelsrichtungen den Gebetsruf", so ein Reisender aus der griechischen Region Westthrakien, wo die türkische Minderheit lebt. Konkrete Angaben zur Zahl der muslimischen Minderheiten in Westthrakien finden sich in der Studie der Athener Akademie von 1995. Demnach sind es 105.000 Moslems mit griechischer Staatsbürgerschaft, darunter 48 Prozent Minderheitstürken. Etwa die Hälfte der Einwohner Komotinis – türkisch Gümülcine - sind Türken. Sie gehören auch heute noch zur ärmsten und am stärksten benachteiligten Schicht in dieser ärmsten Region Griechenlands.

Seit 1999 wandelt sich die Politik ihnen gegenüber. Hintergrund ist die Unterstützung des in der Türkei inhaftierten PKK Führers, Abdullah Öcalan: Nach dessen Festnahme in Kenia trat nämlich zutage, dass Griechenland ihm die Einreise erlaubt und ihn in seiner kenianischen Botschaft untergebracht hatte. Der Skandal weitete sich zu einer Regierungskrise aus, in deren Folge der griechische Außenminister Pangalos zurücktreten musste. Sein Nachfolger Papandreou leitete eine moderatere Politik gegenüber der Türkei und der türkischen Minderheit in Griechenland ein. Der Alltag der Türken in Westthrakien bleibt jedoch von schwerer Benachteiligung geprägt.

Nach offizieller griechischer Lesart gibt es keine "türkische" Minderheit sondern nur eine "muslimische". Es war daher eine kleine Sensation, als Außenminister Papandreou in diesem Zusammenhang nicht von "griechischen Muslimen" sondern von der "türkischen Minderheit" sprach. Auch die im griechischen Gesetz festgeschriebenen Benachteiligungen sind fast alle nach und nach beseitigt worden. Die Ungleichbehandlung ist jedoch bereits so stark institutionalisiert, dass sich die Reformen im Alltagsleben der Türken kaum niederschlagen.

Seit spätestens dem 14. Jahrhundert siedeln ethnische Türken in Thrakien. Unter dem Lausanner Vertrag von 1923 wurden der Minderheit weitgehende Rechte eingeräumt. Auf dem Rücken der türkischen Minderheit wurde jedoch - insbesondere seit 1963 - der politische Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland ausgetragen. Dies und die kontinuierliche Benachteiligung der Türken im griechischen Alltag hat zur relativen Unterentwicklung dieser Minderheit geführt. Die wenigen Schulen, an denen in Türkisch unterrichtet wird, sind überfüllt. Jahrelang wurden Türken, die in der Türkei ein Studium abgeschlossen haben, nicht in den Schuldienst eingestellt. Die Qualität des Unterrichts ist daher unbefriedigend, so die Betroffenen. Die Schulbücher sind vollkommen veraltet. Angehörige der türkischen Minderheit beklagen zudem, dass sie verstärkt von der Polizei kontrolliert würden, dass ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt würde.

Ein Fortschritt in der griechischen Behandlung der Türken war die Abschaffung des Artikel 19 des griechischen Zivilgesetzbuchs am 11. Juni 1998. Auf seiner Grundlage war 60.000 Bürgern Griechenlands zwischen 1955 und 1998 die Staatsbürgerschaft entzogen worden. Die meisten von ihnen waren türkischstämmige Griechen. So wurde versucht, die demographische Balance in Thrakien zu Gunsten der ethnischen Griechen zu verschieben. Allerdings erhielten die Ausgebürgerten keineswegs ihre Bürgerrechte zurück. Denn, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in ihrem Menschenrechtsreport "The Turks of Western Thrace" (1999), die Abschaffung des Artikel 19 ist nicht rückwirkend gültig. Wer einmal ausgebürgert ist, hat also keinen Anspruch auf Wiedereinbürgerung. Nach Schätzungen von Human Rights Watch gibt es demzufolge noch etwa 1.000 bis 4.000 Staatenlose in Griechenland. Die große Mehrheit der auf Grundlage von Artikel 19 Ausgebürgerten wanderten überdies aus und hat inzwischen die Staatsbürgerschaft anderer Staaten angenommen. Staatenlose werden in sozialen Belangen stark benachteiligt. So profitieren sie nicht vom staatlichen Gesundheitssystem und können nur unter Auflagen die staatlichen Schulen besuchen.

Auch die im Lausanner Vertrag garantierte religiöse Autonomie wird systematisch eingeschränkt. So werden z. B. Muftis in Verletzung des Lausanner Vertrages vom Staat eingesetzt, die von der Gemeinde gewählten Würdenträger hingegen schikaniert. Der 1990 von seiner Gemeinde gewählte Mufti von Xanthi wurde seit 1993 in bislang mehr als 80 Verfahren zu einer Gesamtstrafe von 139 Monaten verurteilt. Prozesse, die von Vertretern der türkischen Minderheit gegen die Einsetzung von Muftis durch den Staat angestrengt werden, werden immer wieder verzögert.



Albaner in Griechenland



Die albanischsprachigen Bevölkerungsteile in Griechenland sind nach Geschichte, Sprache und Bewusstsein keine einheitliche Gruppe. Als Eigenbezeichnung verwenden sie teils ein früher gesamtalbanisches Ethnonym, arbërorë. Die Sprache heißt dann entsprechend arbërisht. Der Großteil hat inzwischen aber auch im eigenen Sprachgebrauch die griechischen Bezeichnungen (arvanitika für die Sprache) übernommen. Die Zahl der Arvaniten wird nach den Kriterien von Sprachgebrauch oder Bewusstsein heute oft auf 150.000 - 200.000 geschätzt.

Die griechischnationale Seite propagiert, dass man zugleich griechisch und arvanitisch sein kann. Die nie erfolgte Förderung von arvanitischer Sprache und Kultur und die jahrzehntelange, auf allen Ebenen der staatlichen Institutionen sowie vielfach auch in der griechisch-orthodoxen Kirche (der die Arvaniten angehören) betriebene Verdrängung und Prestigeminderung der Minderheitensprache zeigt, dass die Vereinbarkeit im Grunde nur solange akzeptiert wird, wie das noch vorhandene Arvanitische als Übergangsstadium zur völligen Angleichung an die griechischsprachige Umwelt verstanden werden kann. Dies und die albanerfeindliche Stimmung im Griechenland der 1990er Jahre hat dazu geführt, dass arvanitische Vereinigungen sich an der Idee des "Albanertums" orientiert haben. Die Vereinigungen waren Ende der 1970er Jahre gegründet worden.

Eine kleine zweite Gruppe von Albanischsprachigen bilden die Bewohner einiger Ortschaften im griechisch-bulgarisch-türkischen Grenzgebiet in Thrakien. Sie sind der Rest einer bis 1922/23 größeren örtlichen Konzentration im heutigen Dreiländereck, die sprachlichen Befunden zufolge wohl auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen hierher noch einige Vertreter der albanischen Nationalbewegung, während heute auf der griechischen Seite zwar die albanische Sprache auch bei den jüngeren noch verbreitet ist, ist das Selbstverständnis aber Albanisch.

Eine dritte albanischsprachige Gruppe ist heute nur noch teilweise vorhanden: die Çamen (griech. Tsamides) in einem schmalen, im Norden an Albanien angrenzenden Küstenbereich von Epirus.

Sie sind historisch und sprachlich ein Teil des geschlossenen albanischen Sprachgebiets und hatten bzw. haben ein albanisches ethnisches Bewusstsein. Die eigene Sprachbezeichnung z. B. lautet wie in Albanien shqipja. Als etwa je zur Hälfte muslimische und christlich-orthodoxe Minderheit durch die Grenzziehung von 1913 entstanden, wurde der muslimische Teil zwar offiziell vom griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch ausgenommen, tatsächlich jedoch wurde diese muslimische Minderheit diskriminiert. Als Folge der angeblichen Kollaboration mit den italienischen bzw. deutschen Besatzungstruppen und mit der von diesen eingesetzten albanischen Zivilverwaltung im 2. Weltkrieg wurden die verbliebenen ca. 20.000 muslimischen Albaner 1944 von griechischen Truppen kollektiv nach Albanien vertrieben. Die verbliebenen christlichen Çamen gibt es nach griechischer Lesart nicht. Sie sind wenig erforscht, scheinen aber immer noch ein Sonderbewusstsein und ihre Sprache zu besitzen und einem erheblichen amtlichen Druck ausgesetzt zu sein. Sie artikulieren sich jedoch nicht öffentlich.

Insgesamt hat der griechische Staat die albanischsprachigen Bevölkerungsgruppen nicht gefördert oder nur in ihrer kulturellen Eigenart akzeptiert. In einigen muslimischen çamischen Orten wurde einzig von 1936 bis 1939 halbherzig versucht, muttersprachlichen Unterricht anzubieten. Bis heute trägt Griechenland also wegen seiner verfehlten Minderheitenpolitik nicht zur grenzüberschreitenden Verständigung in Südosteuropa bei.



Die slavische Minderheit in Griechenland

In den Balkankriegen 1912/1913 eroberte Griechenland mit Ägäis-Makedonien 51 Prozent des Territoriums der historischen Großregion Makedonien – ein durch ethnische Gemengelage geprägtes Gebiet, dessen primär griechischsprachige Bevölkerung nur 10-20 Prozent ausmachte. Die Übernahme des von der Französischen Revolution entwickelten Ideals des sprachlich und kulturell homogenen Nationalstaats bestimmte das weitere Schicksal der Slaven in Ägäis-Makedonien, die mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung (ca. 370 000) bildeten: Vertreibung, Umsiedlung und Zwangsassimilation im Zeichen der Hellenisierung (nach dem Vertrag von Lausanne 1923 wurden 350 000 Muslime aus Griechisch-Makedonien ausgesiedelt, gleichzeitig 565 000 Kleinasienflüchtlinge in der Region angesiedelt. Der Austauschvertrag mit Bulgarien führte zu einer Aussiedlung von 86 000 Slaven nach Bulgarien.)

Eine weitere Möglichkeit der Vertreibung autochthoner Slaven in Ägäis - Makedonien bot sich dem griechischen Staat nach dem Griechischen Bürgerkrieg 1946 – 1949, in dessen Endphase die Slaven ca. 40 Prozent der Kämpfer auf kommunistischer Seite in Ägäis - Makedonien ausmachten: 1948/1949 flohen 60 000 Menschen vor den Regierungstruppen zumeist nach Albanien (unter ihnen 35 000 Slaven), die dann über den gesamten Ostblock (bis nach Taschkent) verteilt wurden. Erst mit dem Tauwetter nach Stalins Tod erhielten diese politischen Flüchtlinge, die ein starkes makedonisches Bewusstsein eint, die Möglichkeit zur "Rückkehr": Heute leben ca. 15 000 dieser Ägäis-Makedonen in der makedonischen Grenzstadt Bitola. Den Veteranen des Bürgerkriegs ist bis heute die Rückkehr – und sei es zu einem Kurzbesuch – in ihre Heimatdörfer verwehrt, da sich die Rehabilitierung der kommunistischen Bürgerkriegsteilnehmer von 1982 durch den griechischen Staat nur auf die "ellines to genos" (d.h. "mit griechischer Abstammung") bezieht: Noch am 30.5.2000 wurde dem Schriftsteller und Übersetzer Vasko Karadza (aus dem Dorf D’mbeni bei Kastoria) trotz eines gültigen Visums an der Grenzstation Evzoni die Einreise verweigert (vgl. Ethnos tis Kiriakis, 27.8.2000, 4). Die Beseitigung dieser letzten "Berliner Mauer" gehört zu den zentralen Anliegen der politischen Minderheitenvertretung.

Die ansässige slavische Bevölkerung Ägäis-Makedoniens wurde nach 1912/1913 einer rigiden Assimilationspolitik ausgesetzt, die eine allumfassende Ortsnamensänderung und das Sprachverbot des Slavischen selbst im privaten Bereich umfasste und bei Verstoß Prügel-, Geld- und Gefängnisstrafen bis hin zu Verbannung verhängte. Die erschreckende Kontinuität dieser Politik bis in die 1990er Jahre – also nicht nur ein Exzess der Metaxas-Diktatur nach 1936 – wird in der jüngst erschienenen Monographie des Athener Journalisten Tasos Kostopoulos faktenreich dargestellt. Die Tatsache, dass sein Buch "Die verbotene Sprache – Staatliche Unterdrückung der slavischen Dialekte in Griechisch-Makedonien" (Athen: Mavri Lista 2000) seit Monaten in den griechischen Bestsellerlisten rangiert, scheint ein Indiz für den momentanen Umdenkprozess der griechischen Gesellschaft zu sein.

Was die Menschenrechtssituation und speziell die freie Verwendung der slavischen Dialekte und ihrer Lied- und Musiktradition betrifft, so ist festzuhalten, dass infolge der Liberalisierung seit 1995/1996 der Minderwertigkeitskomplex der slavischen Minderheit inzwischen größer einzuschätzen ist als die Angst vor Repression: Griechisches Schul- und Wissenschaftssystem haben die slavischen Dialekte im Land jahrzehntelang als "durchmischt und somit korrumpiert - minderwertige Sinti und Romasprache" (d.h. als "dörflich-rückständig" konnotiert) dargestellt. Zusätzlich hat die slavische ethnolinguistische Minderheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung Mimikry - Techniken verinnerlicht, ihre sprachliche Andersartigkeit vor der Öffentlichkeit zu verstecken und nur im intimsten Kreis zu pflegen. Es gibt keine gesicherten Zahlenangaben über die Slavophonen. Nach inoffiziellen Schätzungen des griechischen Außenministeriums und eigenen Beobachtungen würde ich von 150.000 – 200.000 Slavophonen ausgehen, wobei diese Zahl auch jüngere Generationen umfasst, die das Slavische nicht mehr als Muttersprache besitzen.

Einen Sonderfall in Ägäis - Makedonien stellt der Regierungsbezirk Florina dar, dessen Dörfer durch ihre Zivilcourage und die verbissene Ausdauer, sich in den 1980 bis 1990er Jahren regelmäßig an den großen Dorffesten mit Polizeikräften zu prügeln, erreicht haben, dass in der gesamten Region slavische Lied- und Musikabende ohne strafrechtliche Folgen veranstaltet werden, die bei der Jugend enorm großen Zulauf haben. Im Distrikt Florina (und abgeschwächt im Distrikt Pella mit Zentrum Edessa) trifft man – vor allem bedingt durch die Nähe zur Grenze und die engen Kontakte nach Bitola – auf ein klares makedonisches Bewusstsein: Die ethnisch neutrale Selbstbezeichnung "dopios" (von gr. "entopios" – "Hiesiger") ist hier bereits durch die ethnische Bezeichnung "makedonas" verdrängt. Der Terminus "Slavomakedonier", eine Schöpfung der griechischen KP in den 1930er Jahren, wird nirgends verwendet.

Noch wichtiger aber für das Ende des offiziellen griechischen Diskurses der nichtexistenten slavischen "Phantomminderheit" ist die politische Formierung der slavischen Minderheit nach 1989: die "Makedonische Organisation für balkanische Prosperität" (MAKIVE) und der "Dachverband der makedonischen Kultur", die schließlich in die Gründung der RAINBOW-Partei (gr. "Ouranio toxo") mündeten, welche 1994 bei den Europaparlamentswahlen landesweit mehr als 7 000 Stimmen erhalten hat.

In ihrem Organ "NOVA ZORA" ("Neue Dämmerung" / 1997-1999) – als Fortsetzung der Zeitschriften "TA MOGLENA" (1978-1993) und "ZORA" (1993-1996) – werden ohne Verbitterung die Probleme aufgezeigt und die politischen Forderungen an europäische Standards angepasst. Zugleich warnt RAINBOW vor einer Zunahme des ethnischen Hasses im ländlichen Bereich, den der griechische Staat jahrzehntelang zwischen den einzelnen Gruppen (Slaven und Kleinasienflüchtlinge sowie Vlachen und Arvaniten) gesät hat.

Die Zusammenarbeit der RAINBOW-Politiker mit der Athener Politik wird in Bälde zur Einrichtung einer slavischsprachigen Radiostation in Florina führen. Was die Einrichtung von slavischsprachigen Schulen betrifft, so ist eine weitere Liberalisierung nach der Lösung des leidigen Namensstreits mit der Republik Makedonien ("FYROM") zu erhoffen. Dann wäre es auch möglich, das Standardmakedonische im Lehrplan der neu eingerichteten Abteilung für Balkanstudien an der Universität Florina zu berücksichtigen.




DAS DRAMA DER AROMUNEN

Wer in Griechenland von "Vlachen" spricht, wird leicht missverstanden. Während man im Norden des Landes unter "Vlachen" die Gruppe der Aromunen versteht, denkt man anderswo eher allgemein an rückständige Landbevölkerung. Dabei haben gerade die Aromunen durch zahlreiche Mäzene, Nationalhelden und Intellektuelle einen bedeutenden Beitrag zur geschichtlich-kulturellen Entwicklung Griechenlands geleistet. Das Bild der Aromunen als wildes Hirtenvolk wird heute noch durch die Medien geschürt. Die Identifikation mit dem Griechentum als altes Kulturvolk erleichtert es den Aromunen, dieses Image abzulegen. Die Mehrheit der Aromunen bezeichnet sich selbst nicht als Minderheit und erkennt diejenigen Personen, die als Vertreter der Minderheit entsprechende Rechte fordern, nicht als Aromunen an.

Im wissenschaftlichen Gebrauch wird zwischen Aromunen und dem umfassenderen Begriff der Vlachen unterschieden. Da der Begriff "Aromune" in Griechenland aber weitgehend unbekannt ist, werden die Bezeichnungen im folgenden parallel verwendet.

Die Aromunen machen in vielen Gebieten Nordgriechenlands eine starke Bevölkerungsgruppe aus. Da sie ursprünglich Nomaden und Händler waren, leben sie über die ganze Balkanhalbinsel verstreut und lassen sich schlecht zählen. In den Lausanner Verträgen von 1923 ist die Rede von 150.000 bis 200.000 Vlachen in Griechenland. Die letzten Volkszählungen in Griechenland, die zwischen einzelnen christlichen Ethnien unterscheiden, gaben nur 26.750 (1940) und 22.736 (1951) in Griechenland lebende Vlachen an. Die Aromunen dürften heute ca. 300.000 Personen in Griechenland ausmachen, die Zahl der Aktivsprecher scheint aber nicht wesentlich über 100.000 zu liegen. Neben den Aromunen leben noch Meglenorumänen (megenitische Vlachen) im Paiko-Gebirge nordwestlich von Thessaloniki (Distrikte Kilkis und Edessa) sowie im salwo-makedinischen Städtchen Gevgeljia. In ihrer Kultur und Sprache zeigen sich eher slawische Einflüsse, während die Aromunen viele griechische Elemente annahmen. Das Bewusstsein ihrer Unterschiedlichkeit von den Aromunen schwindet auf diesem Wege bei der jungen Bevölkerung. Die Meglenorumänen Griechenlands dürften 5.000 Personen nicht überschreiten.

Da in Griechenland offiziell lediglich die Minderheit der "Muslime" existiert, erfährt der Minoritätenbegriff für Nicht-Muslime eine negative Wertung. Die meisten Aromunen nennen heute ihre Sprache das einzige Merkmal, das sie von den (übrigen) Griechen unterscheidet. Ihre romanische Sprache ist eng mit dem Rumänischen verwandt und wird daher von vielen als ein Dialekt des Rumänisches angesehen. Wie bei anderen Minderheitensprachen, versuchen lokale Politiker auch im Fall des Aromunischen, die Sprache als minderwertiges Idiom abzustempeln, das weder über Grammatik noch Schriftlichkeit verfügt. Dazu kommt die Behauptung, die Minderheitensprache wäre zwangsweise oder versehentlich zusätzlich zum Griechischen erlernt worden, und man sollte die alte Muttersprache, das Griechische, schnellstmöglich wieder zur einzigen eigenen Sprache machen. Diese Denkweise hat sich sogar bei vereinzelten Sprachwissenschaftlern breitgemacht. Erwünschte Folge ist vielfach ein verschlechtertes Ansehen der Minderheitensprachen und die Bevorzugung der Staatssprache. Im "Optimalfall" geht mit dem Sprachverlust ein Identitätsverlust einher, und Griechenlands Bevölkerung wird ethnisch wieder ein Stückchen einheitlicher.

Die Entscheidung des Europarates von 1997, die das Aromunische als eine schützenswerte Minderheitensprache in Griechenland unterstützt, stieß auf heftige Kritik der Panhellenischen Vereinigung Kultureller Vereine der Vlachen (der größten aromunischen Organisationen Griechenlands). Bei der Betrachtung der über 200 aromunischen Vereine Griechenlands fällt auf, dass keiner von ihnen einen aromunischen Namen trägt und keiner sich die Erhaltung des Aromunischen zum Hauptziel erklärt hat (mit Ausnahme des Vereins von Véria). Zwar finden seit 1994 gelegentlich an der Aristoteles-Universität von Thessaloníki Kurse statt, in denen Aromunisch unterrichtet wird - von Sprachpflege kann aber keine Rede sein. Die meisten heutigen Vereine verfügen über eine Tanz- und Trachtengruppe und organisieren Ausstellungen mit lokaler Volkskunst. Die seit 15 Jahren meist in Métsovo stattfindenden Vlachentreffen stellen mit über 40.000 Teilnehmern die weltweit größten Zusammentreffen von Aromunen dar. Die aromunische Kulturarbeit, die in Griechenland stattfindet, sucht in ganz Südosteuropa ihresgleichen. Sobald bei Veranstaltungen jedoch Aromunisch gesprochen wird oder irgendwelche prorumänischen Tendenzen gewittert werden, werden sie so gut wie möglich boykottiert und kritisiert. Entsprechend gibt es in Griechenland heute keine Zeitschriften, die sich des Aromunischen bedienen.

Mit Sicherheit aber ist die schlechte Sprachsituation nicht allein in der starken Identifikation mit griechischer Kultur zu begründen, sondern geht auch auf Repressalien in der Vergangenheit zurück. Viele Aromunen Griechenlands erinnern sich aus ihrer Kindheit an Verbote, in den Schulen Aromunisch zu sprechen. Aromunen der Diaspora können sogar von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Vertreibung berichten. Die Einschüchterungen durch lokale Politiker, Lehrer, Priester sowie eine rechte Presse (z.B. Stóchos, Chrysí Avgí) haben bewirkt, dass Themen wie Abstammung, Sprache und Identität der Aromunen tabu waren. Minderheitensprachen wurden heimlich zu Hause gesprochen. Auch heute noch halten viele Kreise in Griechenland nahezu jede nicht rein kulturelle Beschäftigung mit den Aromunen für "ethnisch gefährlich". Die Enttabuisierung des Themas und die politische Lockerung der letzten Jahre erlaubt zwar heute in Griechenland eine offenere Diskussion über Identitätsfragen der Aromunen, dennoch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. 1998 fanden unmittelbar hintereinander zwei aromunische Veranstaltungen statt. Das kulturell ausgerichtete Aromunentreffen in Velestino wurde perfekt organisiert und von Politikern unterstützt, der eine Woche später in Lárisa stattfindende Kongress zur Situation des Aromunischen, der von Aromunen der Diaspora organisiert worden war, wurde mit allen Mitteln boykottiert und in Tageszeitungen als staatsfeindliche Propaganda verurteilt.

Im Ausland stattfindende Initiativen zur Bewahrung der aromunischen Sprache werden in Griechenland schnell als rumänische Propaganda verstanden, und man ist nicht zimperlich damit, vermeintlichen Akteuren aus Rumänien Einreiseverbote für Griechenland zu erteilen. Auch Organisationen, die sich heute mit Minderheitensprachen in Griechenland beschäftigen, haben unter diesem Misstrauen zu leiden (z.B. das heftig kritisierte Zentrum zur Bewahrung von Minderheitensprachen KEMO).

Gipfel der Intoleranz ist der aktuelle Fall der Inhaftierung des Aromunen Sotiris Bletsas, Mitglied der Gesellschaft für Aromunische (Vlachische) Kultur in Athen, der am 2. Februar zu 15 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 500.000 Drachmen (ca. 3.000 DM) verurteilt wurde. Die Begründung lautete, er habe nach Artikel 191 des griechischen Strafrechts "falsche Informationen verbreitet". Die Anklagen bezogen sich auf den Juli 1995, als Sotiris Bletsas die Sprachenkarte des Brüsseler European Bureau for Lesser Used Languages auf einem aromunischen Kulturfestival in Náusa verteilte, auf der die Sprachminderheiten in Griechenland (u.a. aromunisch) dargestellt sind. Wer hoffte, man könne aufgrund der Lockerungen der letzten Jahre auf einen neuen Umgang Griechenlands mit seinen Minderheitensprachen schließen, der hat etwas zu früh gehofft.
Die Aromunen, auch Mazedoromanen oder Vlachen genannt, sind die Nachkommen der Bewohner der ehemaligen "Provincia Macedonia"(158 v. Chr. – 467 n. Chr.). Diese umfasste das alte Königreich Mazedonien sowie die Regionen Thessalien und Epirus. Hier, zwischen dem Adriatischen, Jonischen und dem ägäischen Meer bildete sich aus der Verschmelzung der thrako-illyrischen Autochthonen mit den aus der italienischen Halbinsel stammenden Kolonisten das Volk der "wlachophonen" (latinophonen) Aromunen. Zur Zeit des Oströmischen Reiches (467–1453) mussten sie ihre Freiheit gegen die willkürliche zentrale Administration von Byzanz oder gegen räuberische Nomaden mit Waffengewalt verteidigen. Deshalb gründeten sie im Mittelalter autonome staatliche Gebilde, die unter dem Namen "Walachei" eine wichtige Rolle in Südost-Europa spielten.

Im 17. und 18. Jh. traten sie für eine große Republik aller Nationen in Südosteuropa ein, wo "Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit" für alle gelten sollten. Nicht zufällig war der geistige Vater der Bewegung für eine "Republik aller freien, gleichberechtigten Völker, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion, Rasse und Hautfarbe" der Aromune Riga Fereu Velestin (1757-1798). Am 9./22. Mai 1905 wurde den Aromunen durch eine Irade des letzten Sultans kulturelle, religiöse und Verwaltungsautonomie zugestanden. Vorausgegangen waren Kämpfe gegen die Patriarchalkirche von Konstantinopel, in denen 400 Aromunen starben. Die Patriarchalkirche verlangte, dass griechisch-orthodoxe Gläubige im Osmanischen Reich nicht nur "orthodox", sondern auch griechisch sein müssen. In der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. ist es den Aromunen mit Hilfe Rumäniens - dem die Rolle eines Protektors der Latinität im Südosten Europas zuerkannt wurde – gelungen, in über 100 Schulen eigenen Unterricht zu organisieren. In zahlreichen Kirchen konnten die Aromunen den Gottesdienst und die Predigt in ihrer eigenen Sprache hören.

Nur in der kurzen Zeitspanne von 1905 bis zum Frieden von Bukarest (1913) konnten die Aromunen ihre Sprache und Kultur frei entfalten und pflegen. Obwohl 1913 Griechenland, Bulgarien und Serbien zugesichert hatten, die 1905 erworbene Autonomie der Aromunen zu bewahren, den aromunischen Unterricht zu fördern und je einen eigenen Bischofssitz der Aromunen in allen drei Staaten zuzusichern, unterdrückten sie die Aromunen.

Das Drama der Aromunen verschärfte sich im XX. Jahrhundert zunehmend. Während des Ersten Weltkrieges befanden sich aromunische Siedlungen an der Front von Thessaloniki. Die Dörfer wurden verlassen oder zerstört, die Bevölkerung evakuiert, vertrieben oder nach Bulgarien in Lager verschleppt. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten massive Vertreibungen, und zwar nicht nur aus Griechenland und Bulgarien, sondern in etwas geringerem Ausmaß auch aus Albanien und Jugoslawien. Die Vertriebenen flohen nach Rumänien, Amerika oder Australien.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein Großteil der aromunischen Orte im griechischen Gebirge evakuiert. Mein Geburtsort, Livedzi war 1943 durch einen Brand zerstört worden. Während des Bürgerkriegs 1948 wurde Livedzi ein zweites Mal vollkommen niedergebrannt. Vielen anderen Orten ging es genauso.

Noch heute versucht die griechische Regierung das Aromunische zu verdrängen. Im Dezember 2000 konnte erstmals zu einem Symposium eingeladen werden, welches jedoch nicht das griechische Kultusministerium, sondern das Verteidigungsministerium organisierte. Diese Veranstaltung an der Universität in Thessaloniki sollte das "griechische Bewusstsein" der "wlachophonen Griechen" bezeugen. Hier durfte jedoch nicht Aromunisch gesprochen werden. Trotzdem brachte der deutsche Wissenschaftler, Thede Kahl, es zur größten Genugtuung hunderter von aromunischen Teilnehmern – fertig, seinen Beitrag zum Teil auf Aromunisch vorzutragen.



Selbstorganisation der Aromunen im Rahmen der Europäischen Union

Zur Bewahrung der aromunischen Sprache und Kultur erwirkte die "Union für aromunische Sprache und Kultur" (UASK) mit Sitz in Freiburg – zu deren Mitgliedern aromunische Vereine weltweit zählen – am 24. Juni 1997 die Annahme einer speziellen Empfehlung (Nr.1333) durch die Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die am 9. Juni 1999 von allen Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarats akzeptiert wurde.


Roma in Griechenland - Geächtet und verfemt

Rechtzeitig zu den Olympischen Sommerspielen 2004 hatte Gastgeber Griechenland die Umgebung der Wettkampfstätten offenbar "romafrei" bekommen. Nachrichten über Zwangsvertreibungen von Roma aus Gemeinden im Großraum Athen, aber auch aus Ortschaften in anderen Landesteilen, häufen sich seit Ende 1999. Sogar das IOC hat bereits gegen eine Zwangsräumung von Roma interveniert, die mit dem Bedarf an Bauland für Sportstätten begründet wurde (vgl. pogrom 208, S. 6). Die Regierung hat 1996 zwar ein Programm zur Besserstellung der Roma verabschiedet, dessen Ausführung aber den Kommunen übertragen. Unwillige Verwaltungsbeamte verschleppen offensichtlich die Umsetzung des Programms.

Im 11. Jahrhundert bereits sollen Roma im Zuge ihrer Wanderung von Armenien nach Westeuropa nach Thrakien gelangt sein. Durch den Lausanner Vertrag (1923), der u.a. die Grenzen zwischen Griechenland und Türkei festlegte, wurden die heute etwa 25.000 westthrakische Roma zur Minderheit innerhalb Griechenlands und erhielten aufgrund ihres muslimischen Glaubens gemeinsam mit den bulgarischsprachigen Pomaken und den Türken den offiziellen Status einer geschützten muslimischen Minderheit. Viele von ihnen sind inzwischen auf der Suche nach Arbeit in die Randgebiete der Ballungszentren abgewandert. Die christlich-orthodoxen Roma kamen als Flüchtlinge aus Ostthrakien, Istanbul und Kleinasien in den 1920er und 1930er Jahren über die Ägäischen Inseln oder Nordgriechenland, und ließen sich am Rande von Dörfern und Städten im ganzen Land nieder. Sie erhielten erst 1979 die Bürgerrechte. Schätzungen über die Gesamtzahl der Minderheit bewegen sich zwischen 120.000 und 300.000. Von der Mehrheitsbevölkerung werden sie meist als "Atsigani" oder abwertend "Gifti" (Gypsies) bezeichnet. Die muslimischen Roma nennen sich selbst auch "Türken".

Typische Erwerbszweige der Roma sind Saisonarbeit als Erntehelfer, Straßenhandel oder - für die Frauen - Arbeit als Haushaltshilfe. Kinder müssen häufig mitarbeiten, um das Einkommen der Familien zu sichern. In größeren Siedlungen gibt es unter Roma auch Kaffeehaus- oder Ladenbesitzer. In Berufen, die eine höhere Schulbildung erfordern, sind Roma dagegen selten zu finden. Wissen, so die Soziologin Sevasti Trubeta, wird traditionell mündlich innerhalb der Familien übermittelt, so dass Schulbildung häufig kein erstrebenswertes Sozialprestige besitzt. Viele Kinder brechen die Schule vorzeitig ab, z. B. weil sie in den Klassen von anderen Schülern oder den Lehrern diskriminiert werden, weil sie durch die Wanderarbeit der Familien die Schule zu häufig wechseln müssen, oder weil sie sehr jung heiraten. Die Analphabetenrate ist entsprechend hoch. Lediglich das Roma Viertel Agia Barbara in Athen wies nach einer Untersuchung von 1990 einen relativ hohen Anteil von 20 Prozent Grundschulabsolventen unter Männern und 22,7 Prozent unter den Frauen sowie einige Roma mit akademischer Bildung auf.

Im Dezember 1999 kam die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz ECRI in ihrem zweiten Bericht zu Griechenland zu dem Schluss, dass die Roma dort extrem harten Lebensbedingungen ausgesetzt seien. Oft werde im Zuge von Zwangsräumungen ihre gesamte Habe zerstört. Vielfach bekämen sie keinen Ersatzwohnraum zugewiesen und würden, wo immer sie sich erneut niederzulassen versuchten, vertrieben. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Minority Rights Group, Greek Helsinki Monitor oder European Roma Rights Center (ERRC) beschreiben die Situation der Roma in Griechenland einstimmig als katastrophal.

Ein Beispiel von vielen: Nach dem Erdbeben in Athen im September 1999, das auch die Roma aus den Vororten der Hauptstadt Aspropyrgos und Ano Liosia obdachlos machte, erhielten gerade zehn Roma Familien feste Notunterkünfte. Die meisten Roma wurden in Zelten untergebracht. Andere Obdachlose erhielten dagegen von Gemeinden, die Roma zuvor wegen Platzmangel die Ansiedlung verweigert hatten, großzügig Land als Nothilfe. Am 14. Juli 2000 zerstörten Bulldozer der Stadtverwaltung in Anwesenheit des Bürgermeisters und unter Polizeischutz einen Großteil der Zelt - Unterkünfte griechischer und albanischer Roma in Aspropyrgos, ohne dass die Bewohner ihre Habe zuvor bergen konnten. Familien mit kranken, nicht transportfähigen Mitgliedern wurde ein Ultimatum gesetzt, bis zum 17. Juli den Platz zu räumen. Ein gesetzlich erforderlicher richterlicher Beschluss lag nicht vor, auch ein ebenfalls vorgeschriebener Vertreter der Staatsanwaltschaft war nicht zugegen. Einige Tage zuvor, so ERRC, habe der Bürgermeister von Ano Liosia jeder ortsansässigen Roma Familie 100.000 Drachmen (ca. 300 Euro) als Prämie für das Verlassen des Ortes gezahlt und anschließend ihre Siedlung eingeebnet. Menschenrechtsorganisationen beklagen ebenfalls Polizeiwillkür und Straflosigkeit von Polizeibeamten. Im März 2000 z.B. wurde die Anklage gegen drei Polizeibeamte fallengelassen, die 1998 den unbewaffneten Rom Angelos Celal durch Schüsse in den Rücken getötet hatten: Sie hätten in Notwehr gehandelt.


http://www.gfbv.de/index.php



In diesem Thread könnte ihr auch Beiträge und Nachrichten zum Thema Minderheiten/Ausländer und Rassismus in Griechenland verfassen.

Mit freundlichen Grüßen,

Guerrier

 
Zuletzt bearbeitet:
Türkische Minderheit in Westthrakien

Mit dem Fahrrad kommt der Muezzin zur Moschee in Komotini, steigt auf den Balkon des Minaretts und singt in alle Himmelsrichtungen den Gebetsruf", so ein Reisender aus der griechischen Region Westthrakien, wo die türkische Minderheit lebt. Konkrete Angaben zur Zahl der muslimischen Minderheiten in Westthrakien finden sich in der Studie der Athener Akademie von 1995. Demnach sind es 105.000 Moslems mit griechischer Staatsbürgerschaft, darunter 48 Prozent Minderheitstürken. Etwa die Hälfte der Einwohner Komotinis – türkisch Gümülcine - sind Türken. Sie gehören auch heute noch zur ärmsten und am stärksten benachteiligten Schicht in dieser ärmsten Region Griechenlands.

Seit 1999 wandelt sich die Politik ihnen gegenüber. Hintergrund ist die Unterstützung des in der Türkei inhaftierten PKK Führers, Abdullah Öcalan: Nach dessen Festnahme in Kenia trat nämlich zutage, dass Griechenland ihm die Einreise erlaubt und ihn in seiner kenianischen Botschaft untergebracht hatte. Der Skandal weitete sich zu einer Regierungskrise aus, in deren Folge der griechische Außenminister Pangalos zurücktreten musste. Sein Nachfolger Papandreou leitete eine moderatere Politik gegenüber der Türkei und der türkischen Minderheit in Griechenland ein. Der Alltag der Türken in Westthrakien bleibt jedoch von schwerer Benachteiligung geprägt.

Nach offizieller griechischer Lesart gibt es keine "türkische" Minderheit sondern nur eine "muslimische". Es war daher eine kleine Sensation, als Außenminister Papandreou in diesem Zusammenhang nicht von "griechischen Muslimen" sondern von der "türkischen Minderheit" sprach. Auch die im griechischen Gesetz festgeschriebenen Benachteiligungen sind fast alle nach und nach beseitigt worden. Die Ungleichbehandlung ist jedoch bereits so stark institutionalisiert, dass sich die Reformen im Alltagsleben der Türken kaum niederschlagen.


Ohne Worte..
 
Alle, die in Griechenland leben, wissen in welchem Kulturraum sie leben und wollen diesen auf keinen Fall missen.
Es ist der Kulturraum, der, so die Unesco, der Menschheit 50% allen Kulturgutes hinterlassen hat.

Wer will schon einen solchen Reichtum aufgeben?
--> Keiner!
 
Im Lausanner Vertrag wurden die Minderheiten zwischen Griechenland und der Türkei festgelegt:

Die Türkei mit den Verbrecher Kemal hat festgelegt das es keine türkische Minderheit gibt sondern: muslimische Einwohner von Westthrakien

Nachdem die Türkei den Lausanner Vertrag gebrochen hat mit dem Progrom an den Griechen:

Mord, Vergewaltigung und schwerste Misshandlung, unter anderem Zwangsbeschneidungen, gingen mit der Zerstörung einher. Weiterhin zählte man in Istanbul 32 schwerverletzte Griechen. Von den insgesamt 80[SUP][17][/SUP] orthodoxen Kirchen in und um Istanbul wurden zwischen 60[SUP][17][/SUP] bis 72[SUP][5][/SUP][SUP][7][/SUP] „mehr oder weniger beschädigt“[SUP][17][/SUP] bzw. in Brand gesetzt.[SUP][7][/SUP] Zu den beschädigten Gotteshäusern gehörte auch St. Maria, welche einst von dem Eroberer Konstantinopels, Mehmed II., seinem griechischen Architekten Christodulos geschenkt worden war.[SUP][18][/SUP] Neben den Kirchen wurden mehr als 30[SUP][5][/SUP] christliche Schulen in Brand gesetzt.[SUP][7][/SUP] Weiterhin schändete der Mob christliche Friedhöfe, Gebeine der Geistlichkeit, verwüstete rund 3.500 Wohnhäuser,[SUP][5][/SUP][SUP][4][/SUP] 110 Hotels, 27 Apotheken und 21 Fabriken[SUP][10][/SUP] und mehr als 4.000[SUP][4][/SUP][SUP][5][/SUP]bis 5.000[SUP][3][/SUP] Läden und Geschäfte. In den Wirren des Pogroms wurden auch einige Geschäfte von Muslimen angegriffen.[SUP][7][/SUP] Bei den Ausschreitungen gegen die Minderheiten sah die Polizei untätig zu[SUP][5][/SUP] bzw. duldete sie wohlwollend.[SUP][2]
[/SUP]http://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom_von_Istanbul

Da der Lausanner Vertrag von der Türkei gebrochen wurde ist der Status der Muslime in Griechenland als Minderheit nicht gegeben.

Man hätte diese 1955 ausweisen müssen, natürlich ohne Gewalt, wir dürfen nicht auf das Level der Türkei fallen, die mit Mord und Vergewaltigung die griechische Minderheit in Instanbul vertrieben hat.




 
Türkische Minderheit in Westthrakien

Mit dem Fahrrad kommt der Muezzin zur Moschee in Komotini, steigt auf den Balkon des Minaretts und singt in alle Himmelsrichtungen den Gebetsruf", so ein Reisender aus der griechischen Region Westthrakien, wo die türkische Minderheit lebt. Konkrete Angaben zur Zahl der muslimischen Minderheiten in Westthrakien finden sich in der Studie der Athener Akademie von 1995. Demnach sind es 105.000 Moslems mit griechischer Staatsbürgerschaft, darunter 48 Prozent Minderheitstürken. Etwa die Hälfte der Einwohner Komotinis – türkisch Gümülcine - sind Türken. Sie gehören auch heute noch zur ärmsten und am stärksten benachteiligten Schicht in dieser ärmsten Region Griechenlands.

Seit 1999 wandelt sich die Politik ihnen gegenüber. Hintergrund ist die Unterstützung des in der Türkei inhaftierten PKK Führers, Abdullah Öcalan: Nach dessen Festnahme in Kenia trat nämlich zutage, dass Griechenland ihm die Einreise erlaubt und ihn in seiner kenianischen Botschaft untergebracht hatte. Der Skandal weitete sich zu einer Regierungskrise aus, in deren Folge der griechische Außenminister Pangalos zurücktreten musste. Sein Nachfolger Papandreou leitete eine moderatere Politik gegenüber der Türkei und der türkischen Minderheit in Griechenland ein. Der Alltag der Türken in Westthrakien bleibt jedoch von schwerer Benachteiligung geprägt.

Nach offizieller griechischer Lesart gibt es keine "türkische" Minderheit sondern nur eine "muslimische". Es war daher eine kleine Sensation, als Außenminister Papandreou in diesem Zusammenhang nicht von "griechischen Muslimen" sondern von der "türkischen Minderheit" sprach. Auch die im griechischen Gesetz festgeschriebenen Benachteiligungen sind fast alle nach und nach beseitigt worden. Die Ungleichbehandlung ist jedoch bereits so stark institutionalisiert, dass sich die Reformen im Alltagsleben der Türken kaum niederschlagen.


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[h=1]Die kulturellen Rechte der türkischen Minderheit in Westthrakien[/h] DAS RECHT AUF KULTURELLE ENTFALTUNG UND DIE RESPEKTIERUNG DER KULTURELLEN IDENTITÄT


Griechenland lehnt die Existenz der "türkischen Kultur" im Sinn eines kollektiven Daseins in Westthrakien ab.
Griechenland versucht, die Existenz der türkischen Minderheit in Westthrakien zu leugnen und gesteht dieser nicht einmal die kulturellen Rechte (Anerkennung der Religion und Konfession, Sitten und Gebräuche, Recht auf Institutionen für Minderheiten usw.) zu, die in bilateralen Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland vereinbart wurden. Im Rahmen der heute geltenden Menschenrechtsnormen wird der türkischen Minderheit in Westthrakien, den Vertretern des osmanischen Erbes in dieser Region, nicht der notwendige Respekt vor ihrer eigenen kulturellen Herkunft und ihren traditionellen Institutionen gezollt.
Obwohl offiziell gesagt wird, dass die Menschen offen ihre kulturelle, religiöse, und ethnische Zugehörigkeit wählen dürfen, wird die Zugehörigkeit zur türkischen Kultur und dem türkischen Kollektiv von der bisher an den Tag gelegten negativen Haltung griechischer Behörden und der zivilen Kreise in Griechenland überschattet und die Freiheit, die persönliche kulturelle Identität auszudrücken, dadurch eingeschränkt.



DER GEBRAUCH DER TÜRKISCHEN SPRACHE



Mit Ausnahme von Einzelfällen ist der freie Gebrauch der türkischen Sprache für Angehörige der türkischen Minderheit in Westthrakien nicht eingeschränkt. Jedoch können die Türkischstämmigen die türkische Sprache nicht ausreichend erlernen, da das Bildungsniveau in den Minderheiten-Schulen niedrig ist.
Bei Behörden und Gerichten ist Griechisch die offizielle Sprache. Für die Angehörigen der Minderheit, deren Griechischkenntnisse nicht ausreichen, gibt es keine festangestellten (Türkisch-Griechisch-)Dolmetscher. In solchen Fällen wird von den Anwälten, die der Minderheit angehören, eine Übersetzung erwartet.
Obwohl es den westthrakischen Angehörigen unseres Volkes erlaubt ist, ihren Kindern türkische Namen zu geben, wird nicht gestattet, dass hundert Jahre alte türkische Orte türkische Ortsnamen haben. In der Presse der westtrakischen Minderheit sind neben den türkischen Ortsnamen immer die entsprechenden griechischen Namen anzugeben.
Außerdem ist bekannt, dass Angehörige der westthrakischen türkischen Minderheit, bei der Leistung einer Unterschrift mit Buchstaben des lateinischen Alphabets seitens der örtlichen Behörden bisweilen Schwierigkeiten bekommen.



DIE VERSAMMLUNGSFREIHEIT - DAS RECHT, SICH MIT DER KULTURELLEN GEMEINSCHAFT ZU IDENTIFIZIEREN UND DAS RECHT, SICH DURCH EINE KULTURELLE GEMEINSCHAFT ZU DEFINIEREN



Die Angehörigen der türkischen Minderheit in Westthrakien genießen nicht das Recht, sich aufgrund ihrer kulturellen Zugehörigkeit zu versammeln.
Aktivitäten des türkischen Jugend-Verbandes von Komotini, des türkischen Bundes von Xanthi und des Verbandes Türkischer Lehrer in Westthrakien werden nicht zugelassen. Damit wird deutlich, dass die Regierung die Existenz dieser Vereine, deren kulturelle Aktivitäten sogar nur auf Volkstänze und Nähkurse reduziert sind, nicht wünscht.

Die von der Regierung gegenüber den genannten Vereinen an den Tag gelegte Haltung schüchtert die Angehörigen unseres Volkes ein und verhindert so die Gründung von insbesondere kulturellen Vereinen.
Auch ist die Freiheit der türkischen Minderheit, ihre Zugehörigkeit zur türkischen Kultur deutlich zu machen und sich mit der türkischen Kultur zu identifizieren, nur begrenzt möglich. Die offizielle sowie zivile Sprachverwendung kennt unter dem Begriff "Türkentum" nur Assoziationen mit der Türkei und mit den Staatsbürgern der Türkei, da, wie es mehrheitlich behauptet wird, in Griechenland keine Türken leben, sondern es nur eine muslimische Minderheit gibt.



DAS RECHT ZUM SCHUTZ DER KULTURELLEN EIGENTÜMER UND DER KULTURELLEN EXISTENZ DER TÜRKISCHEN MINDERHEIT IN WESTTHRAKIEN



In Bezug auf die Architektur zeigt Westthrakien auserlesene Beispiele türkisch-islamischer Kultur.
Das Verhalten der griechischen Behörden gegenüber dem türkischen kulturellen Erbe in dieser Region kann als "die Vernichtung und Ausradierung der von den türkischen Eroberern der einstmals byzantinischen Region hinterlassenen kulturellen Spuren und stattdessen die völlige Helenisierung der Region" beschrieben werden. Damit würde man die jetzige kulturelle Vielfalt der Region zerstören.
Obwohl durch die Fortschritte in den türkisch-griechischen Beziehungen und im Rahmen des "Prinzips der Gegenseitigkeit" die Restaurierung einiger historischer Gebäude in letzter Zeit beabsichtigt wurde, ist es reiner Optimismus davon auszugehen, dass die griechische Regierung ihre langfristige Absicht, die Spuren der türkischen Kultur in der Region völlig zu beseitigen, aufgegeben hat.
In den von örtlichen Behörden in Westthrakien veröffentlichten Büchern und Broschüren zu Westthrakien wird nicht auf die sechshundertjährige türkische Kultur in der Region hingewiesen.
Auch das Buch, das von dem regionalen Generalsekretariat Ostmazedonien-Thrakien über die Kultur Westthrakiens im Jahre 1998 veröffentlicht wurde, macht deutlich, dass für die griechische Regierung die türkische Kultur in der Region nicht existiert. In dem Buch, das mit dem Satz "Thrakien ist seit der Eisenzeit hellenistisch" eingeleitet wird, wird an keiner Stelle auf die unabhängige Existenz einer türkischen kulturellen Minderheitskultur und auf das osmanische Erbe in der Region hingewiesen. Darüber hinaus werden die noch existierenden 36 historischen türkischen Baudenkmäler nicht angegeben.
In dem Buch wird lediglich die Beyaz_t Moschee in Dimetoka, in der einst Richard Löwenherz gefangengehalten sein soll, mit ihrem heute abgerissenen Minarett erwähnt.



RELIGIONSFREIHEIT UND DAS RECHT AUF FREIE RELIGIONSAUSÜBUNG



Die Angehörigen der türkischen Minderheit in Westthrakien können die auch durch bilaterale Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland garantierte Religionsfreiheit nicht uneingeschränkt genießen. Obwohl es in Bezug auf die alltägliche religiöse Praxis keine Schwierigkeiten gibt, werden die Muftis im Widerspruch zu internationalen Abkommen und islamischer Tradition statt von den Gemeindemitgliedern von christlichen Präfekten ernannt. Diesen Umstand betrachten die Gemeinden natürlicherweise als Beschränkung der Religionsfreiheit.
Im Jahr 1994 wurde der von der türkischen Minderheit gewählte Mufti _erif von Komotini von Griechenland verurteilt. In dem dazu veröffentlichten Bericht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist festgehalten, dass Griechenland in dieser Angelegenheit gegen Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, mit dem die freie Religionsausübung und Gewissensfreiheit garantiert wird, verstoßen hat. Die griechische Regierung wurde dazu verurteilt, dem Mufti eine Entschädigung in Höhe von 2.7 Millionen Drachmen zu zahlen.



DAS RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG, DAS RECHT AUF INFORMATION



In Westthrakien gibt es derzeit 15 Zeitungen und Zeitschriften sowie fünf Rundfunksender in türkischer Sprache. Auch wenn auf die der türkischen Minderheit in Westthrakien angehörenden Herausgeber kein unmittelbarer Druck ausgeübt wird, so werden sie in allen öffentlichen Bereichen (Presseausweise, Hilfen in Bezug auf die Veröffentlichung) und mit allen Mitteln bei der Ausübung ihrer Arbeit behindert. Dass Veröffentlichungen der türkischen Minderheit in Westthrakien nicht unterbunden oder verboten werden, ist nicht auf die Toleranz oder die Respektierung des Rechts auf freie Meinungsäßerung in Griechenland zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Mühe und Sorgfalt der Minderheit in Bezug auf eigene Veröffentlichungen, Außenstehende nicht zu provozieren.
Darüber hinaus gibt es, auch wenn das Recht auf Information den Angehörigen der türkischen Minderheit in Westthrakien offiziell zugestanden wird, in Xanthi und Komotini Dörfer dieser Minderheit, in denen es keinen Strom gibt und somit Fernsehsendungen nicht empfangen werden können. Auch gibt es Dörfer, in denen es noch keine Telefone gibt. Beides zeigt, dass das EU-Mitgliedsland Griechenland den Angehörigen der türkischen Minderheit das Recht auf Information nicht wirklich zugestehen will.



RECHT AUF BILDUNG



In Westthrakien werden die Angehörigen der türkischen Minderheit in 230 Grundschulen und 2 Gymnasien in türkischer Sprache unterrichtet.
Das "Recht auf Bildung in der eigenen Sprache" wird den Türkischstämmigen nicht aufgrund der heute geltenden Normen der Menschenrechte zugestanden, sondern nur durch besondere Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland, wobei besonders der Vertrag von Lausanne zu nennen ist. Die Haltung der griechischen Regierung in Bezug auf das "Recht auf Bildung" für die in ihrem Land lebenden Mazedonier, Albaner, Walachen und anderen Minderheiten ist ja auch bekannt. Doch das "Recht auf Bildung" wird auch beschränkt durch Probleme, wie den Lehrermangel in den Schulen der Minderheiten, die Nichteinsetzung von Lehrern, die von dem Schulverwaltungsrat ausgewählt wurden, und den bautechnischen Zustand der Schulgebäude.

Der türkischen Minderheit wird auch "das Recht auf Gründung von Bildungseinrichtungen aller Art", das gemäß der bilateralen Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland zu gewähren ist, nicht zugestanden. Sie darf keine neue Bildungseinrichtung errichten.



DAS RECHT AUF MITBESTIMMUNG IM KULTURELLEN BEREICH



Die Angehörigen der türkischen Minderheit genießen in Griechenland im Allgemeinen kein Mitbestimmungsrecht in der Kulturpolitik oder in Bezug auf Gesetze in diesem Bereich. Es existiert keine landesweite oder lokale staatliche Institution zur Förderung der Kultur der türkischen Minderheit. Die zwei Parlaments-Abgeordneten, die der Minderheit angehören, haben keinen politischen Einfluss auf kulturpolitische Entscheidungen im Land.


DAS RECHT AUF BETEILIGUNG AM KULTURELLEN LEBEN


Die Beteiligung der Angehörigen der türkischen Minderheit am kulturellen Leben Griechenlands wird nicht gefördert, und in den Minderheitsschulen wird auch die griechische Sprache nur unzureichend vermittelt. Den Angehörigen von Minderheiten, die die griechische Sprache erlernen wollen, wird empfohlen, die "griechischen Schulen zu besuchen".
Auch die bereits genannte Einschränkung des Versammlungsrechts hindert die Angehörigen der Minderheit daran, innerhalb ihrer kulturellen Organisationen kulturelle Aktivitäten durchzuführen und in Griechenland ihre Kultur darzustellen.
Im Rahmen einer von der Föderation Privater Erzieher in Griechenland organisierten Reise hat der Minderheiten-Studentenchor, der dem "Türkischen Lehrerverband Westthrakiens" angegliedert ist, die Türkei besucht und in Schulen der dort lebenden griechischen Minderheit Konzerte gegeben. Im Oktober 2000 wurde die Zulassung des "Türkischen Lehrerverbandes Westthrakiens" durch einen griechischen Gerichtsbeschluss aufgehoben. Damit ist auch dieser Verein illegal. Auch dies ist ein deutliches Beispiel für die herrschenden Umstände.
Im Licht des Genannten ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die in Griechenland lebende türkische Minderheit in Westthrakien kulturell isoliert wird.
Griechenland, das die Existenz einer kollektiven türkischen Kultur in Westthrakien nicht akzeptiert, gesteht den Angehörigen der türkischen Minderheit nicht das Recht zu, die türkische Kultur in Westthrakien zu wahren, geschweige denn zu fördern.
 
Minderheiten in Griechenland

"Die Präsenz von ethnischen und religiösen Minderheiten passt nicht in die Staatsräson von Griechenland. Das Land das als wiege der europäischen Demokratie gilt und Mitglied aller europäischen Institutionen ist, hat z.B. die Rahmenkonventionen des Europarates zum Schutz von nationalen Minderheiten nicht ratifiziert. mit diesem Text möchten ich die schwierige Lage der ethnischen und religiösen Minderheiten in Griechenland, der muslimischen Türken, Pomaken und Roma sowie der Albaner, Slawomazedonier und Aromunen näher bringen.



Griechenlands Verhältnis zu seinen Nachbarn und Minderheiten ist verkrampft

Wie die meisten Balkanstaaten hat sich Griechenland seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich in Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen erkämpft. Erst 1826 konnte das südliche Griechenland seine Unabhängigkeit erklären. 600 Jahre lang war das griechische Siedlungsgebiet von Istanbul aus beherrscht worden. Noch heute spricht man in Griechenland, Bulgarien oder Serbien mit Ranküne vom "Osmanischen Joch" – und verdrängt damit auch die großen Errungenschaften osmanischer Kultur und viele Jahrzehnte guten oder erträglichen Zusammenlebens von Muslimen und Christen.

Anfang des 20. Jahrhunderts bewohnten die Griechen alle Küsten der Ägäis und des Schwarzen Meeres bis nach Trapezunt im Osten (heute Türkei) und nach Burgas im Norden (heute Bulgarien). Erst im Balkankrieg 1912/13 eroberten griechische Truppen den südlichen Epirus, Südmazedonien und Westthrakien. Griechen bildeten dort nur Minderheiten innerhalb der Bevölkerung. Weite Teile dieser Regionen waren von christlichen Bulgaren, Pomaken (bulgarischsprachigen Muslimen) und Aromunen, von Albanern christlichen und muslimischen Glaubens, von Türken und von muslimischen Roma bewohnt. In vorangegangenen Jahrhunderten hatten Albaner Regionen Südgriechenlands bis hinunter zum Peloponnes und sogar einzelne griechische Inseln besiedelt und den griechisch-orthodoxen Glauben angenommen. Viele dieser gräzisierten christlichen Albaner nahmen an den griechischen Unabhängigkeitskämpfen teil. Letzte Reste dieser Bevölkerungsgruppe bezeichnen sich heute als Arvaniten und treten für Förderung und Anerkennung ihrer Kultur ein.

1922 versuchte Griechenland, die Siedlungsgebiete an der östlichen Ägäisküste, in Ostthrakien und Konstantinopel an sich zu reißen. Mit Zustimmung Englands und Frankreichs marschierten griechische Truppen Richtung Ankara und wurden vor der türkischen Hauptstadt von Kemal Atatürk vernichtend geschlagen, nachdem die Alliierten ihre Waffenlieferungen eingestellt hatten. Die griechischen Siedlungsgebiete in Ionien und Ostthrakien wurden von türkischen Truppen erobert. Hunderttausende, überwiegend Zivilisten, verloren ihr Leben. Im Vertrag von Lausanne wurde - auch durch britischen Druck - die Vertreibung von 1,5 Millionen Griechisch-Orthodoxen aus der Türkei sanktioniert. Sie wurden in Nordgriechenland angesiedelt. Gleichzeitig mussten über 500.000 Muslime – unter ihnen Türken, Albaner, Pomaken und Roma – Nordgriechenland verlassen. Die Schrecken von Flucht, Vertreibung und Völkermord werden seither als beispielhafter "Bevölkerungsaustausch" umschrieben. Nur die muslimischen Minderheiten Westthrakiens wurden, geschützt durch ein Sonderstatut, ebenso von der Umsiedlung ausgenommen wie 250.000 Griechen in Konstantinopel/Istanbul und auf den Inseln Imbros und Tenedos.

Mit dem unseligen Mittel des Bevölkerungsaustauschs förderten ebenfalls in den 20er Jahren auch bulgarische und griechische Politiker die weitere Homogenisierung ihrer Länder. Die griechische Bevölkerung musste die Südküste Bulgariens verlassen, slawische Mazedonier wurden von Griechisch Mazedonien nach Bulgarien umgesiedelt. Während des griechischen Bürgerkrieges 1945-48 mussten weitere Zehntausende Slawomazedonier Griechenland verlassen und wurden auf die kommunistischen Staaten Osteuropas verteilt. Bis heute dürfen die meisten von ihnen nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die damals im Land Zurückgebliebenen und ihre Nachfahren sind seither nur noch eine kleine Minderheit.

Während der Befreiungskämpfe der Völker des südlichen Balkans gegen die Türken hatte sich die große Mehrheit der Slawomazedonier an Bulgarien orientiert. Die mazedonischen Dialekte galten als Teil des Bulgarischen bis Tito-Jugoslawien 1944 eine eigene mazedonische Hochsprache schuf. Seither wurde Alexander der Große, der fast ein Jahrtausend vor der slawischen Besiedlung des Balkan Mazedonien beherrschte, eine Art mythischer Begründer Mazedoniens. Als es der südlichsten Republik des alten Jugoslawien gelang ohne kriegerische Auseinandersetzung mit Belgrad die Unabhängigkeit zu erlangen, nahm der neue Staat Mazedonien das antike mazedonische Sonnensymbol in seine Flagge auf.

Jetzt wirkten die Nationalitätenkämpfe in Nordgriechenland nach. Es waren wohl die größten Massendemonstrationen in Griechenland seit Ende des Zweiten Weltkrieges, als 1994 fast zwei Millionen Griechen mit antimazedonischen Parolen durch Athen und Saloniki marschierten. Griechenland gelang es, eine internationale Diskussion zu entfachen, Skopje zu erpressen und die europäischen Institutionen in Sachen Mazedonien zu paralysieren. Bis heute erleben viele Griechen Affekte des Chauvinismus, die sich aus Unsicherheit speisen. Vielleicht auch aus schlechtem Gewissen wegen der Vertreibung der Mehrheit der mazedonisch- und bulgarischsprachigen Bevölkerung aus Griechenland und der gnadenlosen Unterdrückung der dort zurückgebliebenen Minderheiten.

Noch viel bedenklicher sind die Folgen der antitürkischen Ressentiments. Die griechische öffentliche Meinung folgte Serbiens Agitation gegen Bosnien, als es dessen südslawische Muslime mit Aggression und Genozid überzog und zu Türken erklärte. Griechenland nahm entschieden Partei für den Krieg des Milosevic. Dessen Schlächter Karadjic erhielt einen Griechischen Menschenrechtspreis. Griechenland unterlief über Serbien verhängte Sanktionen und lieferte Nachschub für Belgrad, nicht zuletzt Petroleum aus dem Nahen Osten. Das Milosevic-Regime durfte seine finanziellen Transaktionen über Athen und selbst über das ferne Zypern abwickeln.

Erst eine tolerante griechische Minderheitenpolitik nach den Maßstäben des Europarates und der Europäischen Union, erst die Anerkennung der Rechte von Aromunen, Arvaniten und Slawomazedoniern, die Beendigung diskriminierender Gesetze und Regierungspraxis gegenüber den drei muslimischen Minderheiten der Türken, Pomaken und Roma, wird verkrustete Ressentiments auflösen und das Verhältnis Griechenlands zu den Nachbarn in Südosteuropa entkrampfen.

Aber jede Beschäftigung mit den griechischen Minderheitenproblemen bedarf eines Blickes in Richtung Türkei. Alle türkischen Regierungen haben den Vertrag von Lausanne missachtet. In den 50er und sogar noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu schrecklichen Pogromen an den Griechen von Istanbul/Konstantinopel und den Inseln Imbros und Tenedos. Seit 1974 müssen 80 Prozent der Bevölkerung Nordzyperns als Flüchtlinge im griechischen Südteil der Insel leben. Sogar die Hälfte der türkischen Zyprioten hat das von türkischem Militär besetzte Nordzypern verlassen. Wenn wir diese Tatsachen im Auge haben, werden meine Forderungen nach Toleranz für die Minderheiten in Griechenland umso glaubwürdiger.



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Die Pomaken in Griechenland

Bei vielen Pomaken herrscht Verwirrung über ihre eigene ethnische Zugehörigkeit. Während sich viele eher mit Türken oder allgemein mit der "muslimischen Minderheit" identifizieren, legen andere Wert auf ihre besondere pomakische Abstammung und Kultur. Nur wenige haben begonnen, sich mit dem griechischen Staat zu identifizieren. Die Herkunft dieser slawischsprachigen Ethnie, deren größerer Teil in Bulgarien lebt (ca. 250.000; in Griechenland leben gut 30.000), ist umstritten. V.a. aufgrund kryptochristlicher (ehem. christlicher, doch heute nicht als solche ausgeführter) Bräuche kann man davon ausgehen, dass es sich um konvertierte Nachfolger einheimischer Christen handelt. Kaum umstritten ist, dass ihre Sprache dem Bulgarischen so nah steht, dass sie als Dialekt desselben bezeichnet werden kann.

Die Siedlungen der Pomaken Griechenlands liegen in abgelegenen Regionen der Provinzen Xánthi und Rodópi. Sämtliche Pomaken, die in Griechisch-Makedonien lebten, mussten 1922 infolge des Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und der Türkei das Land verlassen. Das Siedlungsgebiet der Pomaken ist somit auf Thrakien beschränkt - Griechenlands abgelegenste und wirtschaftlich schwächste Region. Die pomakischen Siedlungen lagen darüber hinaus zum Großteil bis 1996 innerhalb eines militärischen Sperrgebietes, das zu betreten sehr aufwendig war.

In Griechenland gibt es weder Radio- noch Fernsehsendungen auf Pomakisch und nur wenige Publikationen. Ein pomakisch-griechisches Lexikon, das vor fünf Jahren erstmals erschien, wurde in der für slawische Laute äußerst ungeeigneten griechischen Schrift geschrieben, ebenso einige pomakische Informationsblättchen (z.B. vom Zentrum für pomakische Studien in Komotiní). Viele Pomaken nutzen daher türkische Medien.

Da die Pomaken Griechenlands als Muslime Minderheitenstatus genießen, haben sie das Recht auf Schulen. An den "muslimischen" Schulen wird jedoch nicht zwischen unterschiedlichen Ethnien und Sprachen unterschieden, der Unterricht erfolgt auf Türkisch und Griechisch. Pomakisch wird zur Familiensprache reduziert und kann so auf Dauer nicht bewahrt werden. Die sprachliche Situation, die durch die Pflege des Arabischen als Koransprache noch komplizierter wird, führt zu sprachlicher Inkompetenz, die ihnen ein berufliches Fortkommen außerhalb ihrer Wohngebiete sehr erschwert und die Isolation der Minderheit fördert. Vielen Pomaken sind höhere Positionen im griechischen Staat durch unzulängliches Griechisch von vornherein verwehrt. Dies führt einerseits zu einer weiteren Isolation der pomakischen Bevölkerung, andererseits zu ihrer Abwanderung (v.a. in die Türkei, aber auch nach Deutschland).

Weiterer Grund für die Abwanderung sind Benachteiligungen aufgrund einer lange Zeit restriktiven Minderheitenpolitik des griechischen Staates. Man versuchte die Muslime das Unrecht spüren zu lassen, das den in der Türkei verbliebenen und den von dort vertriebenen Griechen geschah. Seit 1977 wurde der Gebrauch türkischer geographischer Namen Thrakiens in offiziellen Dokumenten verboten. Im alltäglichen Leben waren es v.a. die Verzögerung oder Verweigerung von Baugenehmigungen und andere Dinge, die nicht nur die Pomaken, sondern alle Muslime, verbitterten. In der Türkei, wo sie sich überwiegend in Ostthrakien angesiedelt haben, leben sie in vielen Siedlungen verstreut und haben im türkischen Umfeld auf Dauer keine Chance, ihre Sprache zu bewahren. Dort gibt es ebenfalls weder pomakischen Unterricht noch Veröffentlichungen.

Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die Minderheitenpolitik Griechenlands gegenüber den Muslimen zu ändern begonnen. Es wird offiziell wahrgenommen, dass die nicht differenzierende restriktive Politik die Gefahr von Irredentismus (Irredentismus = Unabhängigkeitsbewegung, die den Anschluss abgetrennter Gebiete an das Mutterland anstrebt; d. Red.) und Unruhe bringt und zur wirtschaftlichen Schwäche dieser am geringsten entwickelten Region Griechenlands und der gesamten EU beiträgt. Außerdem hat man begonnen, nicht nur von einer "muslimischen Minderheit" zu sprechen, sondern zwischen den drei Gruppen der Pomaken, Türken und muslimischen Roma zu unterscheiden. Dies zeigt sich in einer Flut von griechischen Veröffentlichungen zu den Pomaken.

Die Pomaken sind jedoch weiterhin nur mangelhaft in die Wirtschaft und Gesellschaft des Landes integriert und leben in wirtschaftlich stark rückständigen Gemeinden. Für die Isolierung und den schlechten Entwicklungs- und Bildungsstand der Pomaken sind verfehlte Wirtschaftspolitik und mangelnde Infrastruktur, aber auch weitgehende Ignoranz der ethnischen Strukturen seitens vieler Politiker mitverantwortlich. Auch dadurch, dass das alltägliche Leben der Pomaken noch stark religiös bestimmt ist, wird ihre Isolierung verstärkt. So ist die Isolierung den Pomaken einerseits willkommen bei der Bewahrung ihrer Identität, Kultur und Religion, andererseits erschwert sie jegliche Integration in die griechische Gesellschaft und behindert entsprechend ihr wirtschaftliches Vorankommen.



Türkische Minderheit in Westthrakien

Mit dem Fahrrad kommt der Muezzin zur Moschee in Komotini, steigt auf den Balkon des Minaretts und singt in alle Himmelsrichtungen den Gebetsruf", so ein Reisender aus der griechischen Region Westthrakien, wo die türkische Minderheit lebt. Konkrete Angaben zur Zahl der muslimischen Minderheiten in Westthrakien finden sich in der Studie der Athener Akademie von 1995. Demnach sind es 105.000 Moslems mit griechischer Staatsbürgerschaft, darunter 48 Prozent Minderheitstürken. Etwa die Hälfte der Einwohner Komotinis – türkisch Gümülcine - sind Türken. Sie gehören auch heute noch zur ärmsten und am stärksten benachteiligten Schicht in dieser ärmsten Region Griechenlands.

Seit 1999 wandelt sich die Politik ihnen gegenüber. Hintergrund ist die Unterstützung des in der Türkei inhaftierten PKK Führers, Abdullah Öcalan: Nach dessen Festnahme in Kenia trat nämlich zutage, dass Griechenland ihm die Einreise erlaubt und ihn in seiner kenianischen Botschaft untergebracht hatte. Der Skandal weitete sich zu einer Regierungskrise aus, in deren Folge der griechische Außenminister Pangalos zurücktreten musste. Sein Nachfolger Papandreou leitete eine moderatere Politik gegenüber der Türkei und der türkischen Minderheit in Griechenland ein. Der Alltag der Türken in Westthrakien bleibt jedoch von schwerer Benachteiligung geprägt.

Nach offizieller griechischer Lesart gibt es keine "türkische" Minderheit sondern nur eine "muslimische". Es war daher eine kleine Sensation, als Außenminister Papandreou in diesem Zusammenhang nicht von "griechischen Muslimen" sondern von der "türkischen Minderheit" sprach. Auch die im griechischen Gesetz festgeschriebenen Benachteiligungen sind fast alle nach und nach beseitigt worden. Die Ungleichbehandlung ist jedoch bereits so stark institutionalisiert, dass sich die Reformen im Alltagsleben der Türken kaum niederschlagen.

Seit spätestens dem 14. Jahrhundert siedeln ethnische Türken in Thrakien. Unter dem Lausanner Vertrag von 1923 wurden der Minderheit weitgehende Rechte eingeräumt. Auf dem Rücken der türkischen Minderheit wurde jedoch - insbesondere seit 1963 - der politische Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland ausgetragen. Dies und die kontinuierliche Benachteiligung der Türken im griechischen Alltag hat zur relativen Unterentwicklung dieser Minderheit geführt. Die wenigen Schulen, an denen in Türkisch unterrichtet wird, sind überfüllt. Jahrelang wurden Türken, die in der Türkei ein Studium abgeschlossen haben, nicht in den Schuldienst eingestellt. Die Qualität des Unterrichts ist daher unbefriedigend, so die Betroffenen. Die Schulbücher sind vollkommen veraltet. Angehörige der türkischen Minderheit beklagen zudem, dass sie verstärkt von der Polizei kontrolliert würden, dass ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt würde.

Ein Fortschritt in der griechischen Behandlung der Türken war die Abschaffung des Artikel 19 des griechischen Zivilgesetzbuchs am 11. Juni 1998. Auf seiner Grundlage war 60.000 Bürgern Griechenlands zwischen 1955 und 1998 die Staatsbürgerschaft entzogen worden. Die meisten von ihnen waren türkischstämmige Griechen. So wurde versucht, die demographische Balance in Thrakien zu Gunsten der ethnischen Griechen zu verschieben. Allerdings erhielten die Ausgebürgerten keineswegs ihre Bürgerrechte zurück. Denn, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in ihrem Menschenrechtsreport "The Turks of Western Thrace" (1999), die Abschaffung des Artikel 19 ist nicht rückwirkend gültig. Wer einmal ausgebürgert ist, hat also keinen Anspruch auf Wiedereinbürgerung. Nach Schätzungen von Human Rights Watch gibt es demzufolge noch etwa 1.000 bis 4.000 Staatenlose in Griechenland. Die große Mehrheit der auf Grundlage von Artikel 19 Ausgebürgerten wanderten überdies aus und hat inzwischen die Staatsbürgerschaft anderer Staaten angenommen. Staatenlose werden in sozialen Belangen stark benachteiligt. So profitieren sie nicht vom staatlichen Gesundheitssystem und können nur unter Auflagen die staatlichen Schulen besuchen.

Auch die im Lausanner Vertrag garantierte religiöse Autonomie wird systematisch eingeschränkt. So werden z. B. Muftis in Verletzung des Lausanner Vertrages vom Staat eingesetzt, die von der Gemeinde gewählten Würdenträger hingegen schikaniert. Der 1990 von seiner Gemeinde gewählte Mufti von Xanthi wurde seit 1993 in bislang mehr als 80 Verfahren zu einer Gesamtstrafe von 139 Monaten verurteilt. Prozesse, die von Vertretern der türkischen Minderheit gegen die Einsetzung von Muftis durch den Staat angestrengt werden, werden immer wieder verzögert.



Albaner in Griechenland



Die albanischsprachigen Bevölkerungsteile in Griechenland sind nach Geschichte, Sprache und Bewusstsein keine einheitliche Gruppe. Als Eigenbezeichnung verwenden sie teils ein früher gesamtalbanisches Ethnonym, arbërorë. Die Sprache heißt dann entsprechend arbërisht. Der Großteil hat inzwischen aber auch im eigenen Sprachgebrauch die griechischen Bezeichnungen (arvanitika für die Sprache) übernommen. Die Zahl der Arvaniten wird nach den Kriterien von Sprachgebrauch oder Bewusstsein heute oft auf 150.000 - 200.000 geschätzt.

Die griechischnationale Seite propagiert, dass man zugleich griechisch und arvanitisch sein kann. Die nie erfolgte Förderung von arvanitischer Sprache und Kultur und die jahrzehntelange, auf allen Ebenen der staatlichen Institutionen sowie vielfach auch in der griechisch-orthodoxen Kirche (der die Arvaniten angehören) betriebene Verdrängung und Prestigeminderung der Minderheitensprache zeigt, dass die Vereinbarkeit im Grunde nur solange akzeptiert wird, wie das noch vorhandene Arvanitische als Übergangsstadium zur völligen Angleichung an die griechischsprachige Umwelt verstanden werden kann. Dies und die albanerfeindliche Stimmung im Griechenland der 1990er Jahre hat dazu geführt, dass arvanitische Vereinigungen sich an der Idee des "Albanertums" orientiert haben. Die Vereinigungen waren Ende der 1970er Jahre gegründet worden.

Eine kleine zweite Gruppe von Albanischsprachigen bilden die Bewohner einiger Ortschaften im griechisch-bulgarisch-türkischen Grenzgebiet in Thrakien. Sie sind der Rest einer bis 1922/23 größeren örtlichen Konzentration im heutigen Dreiländereck, die sprachlichen Befunden zufolge wohl auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen hierher noch einige Vertreter der albanischen Nationalbewegung, während heute auf der griechischen Seite zwar die albanische Sprache auch bei den jüngeren noch verbreitet ist, ist das Selbstverständnis aber Albanisch.

Eine dritte albanischsprachige Gruppe ist heute nur noch teilweise vorhanden: die Çamen (griech. Tsamides) in einem schmalen, im Norden an Albanien angrenzenden Küstenbereich von Epirus.

Sie sind historisch und sprachlich ein Teil des geschlossenen albanischen Sprachgebiets und hatten bzw. haben ein albanisches ethnisches Bewusstsein. Die eigene Sprachbezeichnung z. B. lautet wie in Albanien shqipja. Als etwa je zur Hälfte muslimische und christlich-orthodoxe Minderheit durch die Grenzziehung von 1913 entstanden, wurde der muslimische Teil zwar offiziell vom griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch ausgenommen, tatsächlich jedoch wurde diese muslimische Minderheit diskriminiert. Als Folge der angeblichen Kollaboration mit den italienischen bzw. deutschen Besatzungstruppen und mit der von diesen eingesetzten albanischen Zivilverwaltung im 2. Weltkrieg wurden die verbliebenen ca. 20.000 muslimischen Albaner 1944 von griechischen Truppen kollektiv nach Albanien vertrieben. Die verbliebenen christlichen Çamen gibt es nach griechischer Lesart nicht. Sie sind wenig erforscht, scheinen aber immer noch ein Sonderbewusstsein und ihre Sprache zu besitzen und einem erheblichen amtlichen Druck ausgesetzt zu sein. Sie artikulieren sich jedoch nicht öffentlich.

Insgesamt hat der griechische Staat die albanischsprachigen Bevölkerungsgruppen nicht gefördert oder nur in ihrer kulturellen Eigenart akzeptiert. In einigen muslimischen çamischen Orten wurde einzig von 1936 bis 1939 halbherzig versucht, muttersprachlichen Unterricht anzubieten. Bis heute trägt Griechenland also wegen seiner verfehlten Minderheitenpolitik nicht zur grenzüberschreitenden Verständigung in Südosteuropa bei.



Die slavische Minderheit in Griechenland

In den Balkankriegen 1912/1913 eroberte Griechenland mit Ägäis-Makedonien 51 Prozent des Territoriums der historischen Großregion Makedonien – ein durch ethnische Gemengelage geprägtes Gebiet, dessen primär griechischsprachige Bevölkerung nur 10-20 Prozent ausmachte. Die Übernahme des von der Französischen Revolution entwickelten Ideals des sprachlich und kulturell homogenen Nationalstaats bestimmte das weitere Schicksal der Slaven in Ägäis-Makedonien, die mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung (ca. 370 000) bildeten: Vertreibung, Umsiedlung und Zwangsassimilation im Zeichen der Hellenisierung (nach dem Vertrag von Lausanne 1923 wurden 350 000 Muslime aus Griechisch-Makedonien ausgesiedelt, gleichzeitig 565 000 Kleinasienflüchtlinge in der Region angesiedelt. Der Austauschvertrag mit Bulgarien führte zu einer Aussiedlung von 86 000 Slaven nach Bulgarien.)

Eine weitere Möglichkeit der Vertreibung autochthoner Slaven in Ägäis - Makedonien bot sich dem griechischen Staat nach dem Griechischen Bürgerkrieg 1946 – 1949, in dessen Endphase die Slaven ca. 40 Prozent der Kämpfer auf kommunistischer Seite in Ägäis - Makedonien ausmachten: 1948/1949 flohen 60 000 Menschen vor den Regierungstruppen zumeist nach Albanien (unter ihnen 35 000 Slaven), die dann über den gesamten Ostblock (bis nach Taschkent) verteilt wurden. Erst mit dem Tauwetter nach Stalins Tod erhielten diese politischen Flüchtlinge, die ein starkes makedonisches Bewusstsein eint, die Möglichkeit zur "Rückkehr": Heute leben ca. 15 000 dieser Ägäis-Makedonen in der makedonischen Grenzstadt Bitola. Den Veteranen des Bürgerkriegs ist bis heute die Rückkehr – und sei es zu einem Kurzbesuch – in ihre Heimatdörfer verwehrt, da sich die Rehabilitierung der kommunistischen Bürgerkriegsteilnehmer von 1982 durch den griechischen Staat nur auf die "ellines to genos" (d.h. "mit griechischer Abstammung") bezieht: Noch am 30.5.2000 wurde dem Schriftsteller und Übersetzer Vasko Karadza (aus dem Dorf D’mbeni bei Kastoria) trotz eines gültigen Visums an der Grenzstation Evzoni die Einreise verweigert (vgl. Ethnos tis Kiriakis, 27.8.2000, 4). Die Beseitigung dieser letzten "Berliner Mauer" gehört zu den zentralen Anliegen der politischen Minderheitenvertretung.

Die ansässige slavische Bevölkerung Ägäis-Makedoniens wurde nach 1912/1913 einer rigiden Assimilationspolitik ausgesetzt, die eine allumfassende Ortsnamensänderung und das Sprachverbot des Slavischen selbst im privaten Bereich umfasste und bei Verstoß Prügel-, Geld- und Gefängnisstrafen bis hin zu Verbannung verhängte. Die erschreckende Kontinuität dieser Politik bis in die 1990er Jahre – also nicht nur ein Exzess der Metaxas-Diktatur nach 1936 – wird in der jüngst erschienenen Monographie des Athener Journalisten Tasos Kostopoulos faktenreich dargestellt. Die Tatsache, dass sein Buch "Die verbotene Sprache – Staatliche Unterdrückung der slavischen Dialekte in Griechisch-Makedonien" (Athen: Mavri Lista 2000) seit Monaten in den griechischen Bestsellerlisten rangiert, scheint ein Indiz für den momentanen Umdenkprozess der griechischen Gesellschaft zu sein.

Was die Menschenrechtssituation und speziell die freie Verwendung der slavischen Dialekte und ihrer Lied- und Musiktradition betrifft, so ist festzuhalten, dass infolge der Liberalisierung seit 1995/1996 der Minderwertigkeitskomplex der slavischen Minderheit inzwischen größer einzuschätzen ist als die Angst vor Repression: Griechisches Schul- und Wissenschaftssystem haben die slavischen Dialekte im Land jahrzehntelang als "durchmischt und somit korrumpiert - minderwertige Sinti und Romasprache" (d.h. als "dörflich-rückständig" konnotiert) dargestellt. Zusätzlich hat die slavische ethnolinguistische Minderheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung Mimikry - Techniken verinnerlicht, ihre sprachliche Andersartigkeit vor der Öffentlichkeit zu verstecken und nur im intimsten Kreis zu pflegen. Es gibt keine gesicherten Zahlenangaben über die Slavophonen. Nach inoffiziellen Schätzungen des griechischen Außenministeriums und eigenen Beobachtungen würde ich von 150.000 – 200.000 Slavophonen ausgehen, wobei diese Zahl auch jüngere Generationen umfasst, die das Slavische nicht mehr als Muttersprache besitzen.

Einen Sonderfall in Ägäis - Makedonien stellt der Regierungsbezirk Florina dar, dessen Dörfer durch ihre Zivilcourage und die verbissene Ausdauer, sich in den 1980 bis 1990er Jahren regelmäßig an den großen Dorffesten mit Polizeikräften zu prügeln, erreicht haben, dass in der gesamten Region slavische Lied- und Musikabende ohne strafrechtliche Folgen veranstaltet werden, die bei der Jugend enorm großen Zulauf haben. Im Distrikt Florina (und abgeschwächt im Distrikt Pella mit Zentrum Edessa) trifft man – vor allem bedingt durch die Nähe zur Grenze und die engen Kontakte nach Bitola – auf ein klares makedonisches Bewusstsein: Die ethnisch neutrale Selbstbezeichnung "dopios" (von gr. "entopios" – "Hiesiger") ist hier bereits durch die ethnische Bezeichnung "makedonas" verdrängt. Der Terminus "Slavomakedonier", eine Schöpfung der griechischen KP in den 1930er Jahren, wird nirgends verwendet.

Noch wichtiger aber für das Ende des offiziellen griechischen Diskurses der nichtexistenten slavischen "Phantomminderheit" ist die politische Formierung der slavischen Minderheit nach 1989: die "Makedonische Organisation für balkanische Prosperität" (MAKIVE) und der "Dachverband der makedonischen Kultur", die schließlich in die Gründung der RAINBOW-Partei (gr. "Ouranio toxo") mündeten, welche 1994 bei den Europaparlamentswahlen landesweit mehr als 7 000 Stimmen erhalten hat.

In ihrem Organ "NOVA ZORA" ("Neue Dämmerung" / 1997-1999) – als Fortsetzung der Zeitschriften "TA MOGLENA" (1978-1993) und "ZORA" (1993-1996) – werden ohne Verbitterung die Probleme aufgezeigt und die politischen Forderungen an europäische Standards angepasst. Zugleich warnt RAINBOW vor einer Zunahme des ethnischen Hasses im ländlichen Bereich, den der griechische Staat jahrzehntelang zwischen den einzelnen Gruppen (Slaven und Kleinasienflüchtlinge sowie Vlachen und Arvaniten) gesät hat.

Die Zusammenarbeit der RAINBOW-Politiker mit der Athener Politik wird in Bälde zur Einrichtung einer slavischsprachigen Radiostation in Florina führen. Was die Einrichtung von slavischsprachigen Schulen betrifft, so ist eine weitere Liberalisierung nach der Lösung des leidigen Namensstreits mit der Republik Makedonien ("FYROM") zu erhoffen. Dann wäre es auch möglich, das Standardmakedonische im Lehrplan der neu eingerichteten Abteilung für Balkanstudien an der Universität Florina zu berücksichtigen.




DAS DRAMA DER AROMUNEN

Wer in Griechenland von "Vlachen" spricht, wird leicht missverstanden. Während man im Norden des Landes unter "Vlachen" die Gruppe der Aromunen versteht, denkt man anderswo eher allgemein an rückständige Landbevölkerung. Dabei haben gerade die Aromunen durch zahlreiche Mäzene, Nationalhelden und Intellektuelle einen bedeutenden Beitrag zur geschichtlich-kulturellen Entwicklung Griechenlands geleistet. Das Bild der Aromunen als wildes Hirtenvolk wird heute noch durch die Medien geschürt. Die Identifikation mit dem Griechentum als altes Kulturvolk erleichtert es den Aromunen, dieses Image abzulegen. Die Mehrheit der Aromunen bezeichnet sich selbst nicht als Minderheit und erkennt diejenigen Personen, die als Vertreter der Minderheit entsprechende Rechte fordern, nicht als Aromunen an.

Im wissenschaftlichen Gebrauch wird zwischen Aromunen und dem umfassenderen Begriff der Vlachen unterschieden. Da der Begriff "Aromune" in Griechenland aber weitgehend unbekannt ist, werden die Bezeichnungen im folgenden parallel verwendet.

Die Aromunen machen in vielen Gebieten Nordgriechenlands eine starke Bevölkerungsgruppe aus. Da sie ursprünglich Nomaden und Händler waren, leben sie über die ganze Balkanhalbinsel verstreut und lassen sich schlecht zählen. In den Lausanner Verträgen von 1923 ist die Rede von 150.000 bis 200.000 Vlachen in Griechenland. Die letzten Volkszählungen in Griechenland, die zwischen einzelnen christlichen Ethnien unterscheiden, gaben nur 26.750 (1940) und 22.736 (1951) in Griechenland lebende Vlachen an. Die Aromunen dürften heute ca. 300.000 Personen in Griechenland ausmachen, die Zahl der Aktivsprecher scheint aber nicht wesentlich über 100.000 zu liegen. Neben den Aromunen leben noch Meglenorumänen (megenitische Vlachen) im Paiko-Gebirge nordwestlich von Thessaloniki (Distrikte Kilkis und Edessa) sowie im salwo-makedinischen Städtchen Gevgeljia. In ihrer Kultur und Sprache zeigen sich eher slawische Einflüsse, während die Aromunen viele griechische Elemente annahmen. Das Bewusstsein ihrer Unterschiedlichkeit von den Aromunen schwindet auf diesem Wege bei der jungen Bevölkerung. Die Meglenorumänen Griechenlands dürften 5.000 Personen nicht überschreiten.

Da in Griechenland offiziell lediglich die Minderheit der "Muslime" existiert, erfährt der Minoritätenbegriff für Nicht-Muslime eine negative Wertung. Die meisten Aromunen nennen heute ihre Sprache das einzige Merkmal, das sie von den (übrigen) Griechen unterscheidet. Ihre romanische Sprache ist eng mit dem Rumänischen verwandt und wird daher von vielen als ein Dialekt des Rumänisches angesehen. Wie bei anderen Minderheitensprachen, versuchen lokale Politiker auch im Fall des Aromunischen, die Sprache als minderwertiges Idiom abzustempeln, das weder über Grammatik noch Schriftlichkeit verfügt. Dazu kommt die Behauptung, die Minderheitensprache wäre zwangsweise oder versehentlich zusätzlich zum Griechischen erlernt worden, und man sollte die alte Muttersprache, das Griechische, schnellstmöglich wieder zur einzigen eigenen Sprache machen. Diese Denkweise hat sich sogar bei vereinzelten Sprachwissenschaftlern breitgemacht. Erwünschte Folge ist vielfach ein verschlechtertes Ansehen der Minderheitensprachen und die Bevorzugung der Staatssprache. Im "Optimalfall" geht mit dem Sprachverlust ein Identitätsverlust einher, und Griechenlands Bevölkerung wird ethnisch wieder ein Stückchen einheitlicher.

Die Entscheidung des Europarates von 1997, die das Aromunische als eine schützenswerte Minderheitensprache in Griechenland unterstützt, stieß auf heftige Kritik der Panhellenischen Vereinigung Kultureller Vereine der Vlachen (der größten aromunischen Organisationen Griechenlands). Bei der Betrachtung der über 200 aromunischen Vereine Griechenlands fällt auf, dass keiner von ihnen einen aromunischen Namen trägt und keiner sich die Erhaltung des Aromunischen zum Hauptziel erklärt hat (mit Ausnahme des Vereins von Véria). Zwar finden seit 1994 gelegentlich an der Aristoteles-Universität von Thessaloníki Kurse statt, in denen Aromunisch unterrichtet wird - von Sprachpflege kann aber keine Rede sein. Die meisten heutigen Vereine verfügen über eine Tanz- und Trachtengruppe und organisieren Ausstellungen mit lokaler Volkskunst. Die seit 15 Jahren meist in Métsovo stattfindenden Vlachentreffen stellen mit über 40.000 Teilnehmern die weltweit größten Zusammentreffen von Aromunen dar. Die aromunische Kulturarbeit, die in Griechenland stattfindet, sucht in ganz Südosteuropa ihresgleichen. Sobald bei Veranstaltungen jedoch Aromunisch gesprochen wird oder irgendwelche prorumänischen Tendenzen gewittert werden, werden sie so gut wie möglich boykottiert und kritisiert. Entsprechend gibt es in Griechenland heute keine Zeitschriften, die sich des Aromunischen bedienen.

Mit Sicherheit aber ist die schlechte Sprachsituation nicht allein in der starken Identifikation mit griechischer Kultur zu begründen, sondern geht auch auf Repressalien in der Vergangenheit zurück. Viele Aromunen Griechenlands erinnern sich aus ihrer Kindheit an Verbote, in den Schulen Aromunisch zu sprechen. Aromunen der Diaspora können sogar von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Vertreibung berichten. Die Einschüchterungen durch lokale Politiker, Lehrer, Priester sowie eine rechte Presse (z.B. Stóchos, Chrysí Avgí) haben bewirkt, dass Themen wie Abstammung, Sprache und Identität der Aromunen tabu waren. Minderheitensprachen wurden heimlich zu Hause gesprochen. Auch heute noch halten viele Kreise in Griechenland nahezu jede nicht rein kulturelle Beschäftigung mit den Aromunen für "ethnisch gefährlich". Die Enttabuisierung des Themas und die politische Lockerung der letzten Jahre erlaubt zwar heute in Griechenland eine offenere Diskussion über Identitätsfragen der Aromunen, dennoch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. 1998 fanden unmittelbar hintereinander zwei aromunische Veranstaltungen statt. Das kulturell ausgerichtete Aromunentreffen in Velestino wurde perfekt organisiert und von Politikern unterstützt, der eine Woche später in Lárisa stattfindende Kongress zur Situation des Aromunischen, der von Aromunen der Diaspora organisiert worden war, wurde mit allen Mitteln boykottiert und in Tageszeitungen als staatsfeindliche Propaganda verurteilt.

Im Ausland stattfindende Initiativen zur Bewahrung der aromunischen Sprache werden in Griechenland schnell als rumänische Propaganda verstanden, und man ist nicht zimperlich damit, vermeintlichen Akteuren aus Rumänien Einreiseverbote für Griechenland zu erteilen. Auch Organisationen, die sich heute mit Minderheitensprachen in Griechenland beschäftigen, haben unter diesem Misstrauen zu leiden (z.B. das heftig kritisierte Zentrum zur Bewahrung von Minderheitensprachen KEMO).

Gipfel der Intoleranz ist der aktuelle Fall der Inhaftierung des Aromunen Sotiris Bletsas, Mitglied der Gesellschaft für Aromunische (Vlachische) Kultur in Athen, der am 2. Februar zu 15 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 500.000 Drachmen (ca. 3.000 DM) verurteilt wurde. Die Begründung lautete, er habe nach Artikel 191 des griechischen Strafrechts "falsche Informationen verbreitet". Die Anklagen bezogen sich auf den Juli 1995, als Sotiris Bletsas die Sprachenkarte des Brüsseler European Bureau for Lesser Used Languages auf einem aromunischen Kulturfestival in Náusa verteilte, auf der die Sprachminderheiten in Griechenland (u.a. aromunisch) dargestellt sind. Wer hoffte, man könne aufgrund der Lockerungen der letzten Jahre auf einen neuen Umgang Griechenlands mit seinen Minderheitensprachen schließen, der hat etwas zu früh gehofft.
Die Aromunen, auch Mazedoromanen oder Vlachen genannt, sind die Nachkommen der Bewohner der ehemaligen "Provincia Macedonia"(158 v. Chr. – 467 n. Chr.). Diese umfasste das alte Königreich Mazedonien sowie die Regionen Thessalien und Epirus. Hier, zwischen dem Adriatischen, Jonischen und dem ägäischen Meer bildete sich aus der Verschmelzung der thrako-illyrischen Autochthonen mit den aus der italienischen Halbinsel stammenden Kolonisten das Volk der "wlachophonen" (latinophonen) Aromunen. Zur Zeit des Oströmischen Reiches (467–1453) mussten sie ihre Freiheit gegen die willkürliche zentrale Administration von Byzanz oder gegen räuberische Nomaden mit Waffengewalt verteidigen. Deshalb gründeten sie im Mittelalter autonome staatliche Gebilde, die unter dem Namen "Walachei" eine wichtige Rolle in Südost-Europa spielten.

Im 17. und 18. Jh. traten sie für eine große Republik aller Nationen in Südosteuropa ein, wo "Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit" für alle gelten sollten. Nicht zufällig war der geistige Vater der Bewegung für eine "Republik aller freien, gleichberechtigten Völker, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion, Rasse und Hautfarbe" der Aromune Riga Fereu Velestin (1757-1798). Am 9./22. Mai 1905 wurde den Aromunen durch eine Irade des letzten Sultans kulturelle, religiöse und Verwaltungsautonomie zugestanden. Vorausgegangen waren Kämpfe gegen die Patriarchalkirche von Konstantinopel, in denen 400 Aromunen starben. Die Patriarchalkirche verlangte, dass griechisch-orthodoxe Gläubige im Osmanischen Reich nicht nur "orthodox", sondern auch griechisch sein müssen. In der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. ist es den Aromunen mit Hilfe Rumäniens - dem die Rolle eines Protektors der Latinität im Südosten Europas zuerkannt wurde – gelungen, in über 100 Schulen eigenen Unterricht zu organisieren. In zahlreichen Kirchen konnten die Aromunen den Gottesdienst und die Predigt in ihrer eigenen Sprache hören.

Nur in der kurzen Zeitspanne von 1905 bis zum Frieden von Bukarest (1913) konnten die Aromunen ihre Sprache und Kultur frei entfalten und pflegen. Obwohl 1913 Griechenland, Bulgarien und Serbien zugesichert hatten, die 1905 erworbene Autonomie der Aromunen zu bewahren, den aromunischen Unterricht zu fördern und je einen eigenen Bischofssitz der Aromunen in allen drei Staaten zuzusichern, unterdrückten sie die Aromunen.

Das Drama der Aromunen verschärfte sich im XX. Jahrhundert zunehmend. Während des Ersten Weltkrieges befanden sich aromunische Siedlungen an der Front von Thessaloniki. Die Dörfer wurden verlassen oder zerstört, die Bevölkerung evakuiert, vertrieben oder nach Bulgarien in Lager verschleppt. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten massive Vertreibungen, und zwar nicht nur aus Griechenland und Bulgarien, sondern in etwas geringerem Ausmaß auch aus Albanien und Jugoslawien. Die Vertriebenen flohen nach Rumänien, Amerika oder Australien.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein Großteil der aromunischen Orte im griechischen Gebirge evakuiert. Mein Geburtsort, Livedzi war 1943 durch einen Brand zerstört worden. Während des Bürgerkriegs 1948 wurde Livedzi ein zweites Mal vollkommen niedergebrannt. Vielen anderen Orten ging es genauso.

Noch heute versucht die griechische Regierung das Aromunische zu verdrängen. Im Dezember 2000 konnte erstmals zu einem Symposium eingeladen werden, welches jedoch nicht das griechische Kultusministerium, sondern das Verteidigungsministerium organisierte. Diese Veranstaltung an der Universität in Thessaloniki sollte das "griechische Bewusstsein" der "wlachophonen Griechen" bezeugen. Hier durfte jedoch nicht Aromunisch gesprochen werden. Trotzdem brachte der deutsche Wissenschaftler, Thede Kahl, es zur größten Genugtuung hunderter von aromunischen Teilnehmern – fertig, seinen Beitrag zum Teil auf Aromunisch vorzutragen.



Selbstorganisation der Aromunen im Rahmen der Europäischen Union

Zur Bewahrung der aromunischen Sprache und Kultur erwirkte die "Union für aromunische Sprache und Kultur" (UASK) mit Sitz in Freiburg – zu deren Mitgliedern aromunische Vereine weltweit zählen – am 24. Juni 1997 die Annahme einer speziellen Empfehlung (Nr.1333) durch die Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die am 9. Juni 1999 von allen Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarats akzeptiert wurde.


Roma in Griechenland - Geächtet und verfemt

Rechtzeitig zu den Olympischen Sommerspielen 2004 hatte Gastgeber Griechenland die Umgebung der Wettkampfstätten offenbar "romafrei" bekommen. Nachrichten über Zwangsvertreibungen von Roma aus Gemeinden im Großraum Athen, aber auch aus Ortschaften in anderen Landesteilen, häufen sich seit Ende 1999. Sogar das IOC hat bereits gegen eine Zwangsräumung von Roma interveniert, die mit dem Bedarf an Bauland für Sportstätten begründet wurde (vgl. pogrom 208, S. 6). Die Regierung hat 1996 zwar ein Programm zur Besserstellung der Roma verabschiedet, dessen Ausführung aber den Kommunen übertragen. Unwillige Verwaltungsbeamte verschleppen offensichtlich die Umsetzung des Programms.

Im 11. Jahrhundert bereits sollen Roma im Zuge ihrer Wanderung von Armenien nach Westeuropa nach Thrakien gelangt sein. Durch den Lausanner Vertrag (1923), der u.a. die Grenzen zwischen Griechenland und Türkei festlegte, wurden die heute etwa 25.000 westthrakische Roma zur Minderheit innerhalb Griechenlands und erhielten aufgrund ihres muslimischen Glaubens gemeinsam mit den bulgarischsprachigen Pomaken und den Türken den offiziellen Status einer geschützten muslimischen Minderheit. Viele von ihnen sind inzwischen auf der Suche nach Arbeit in die Randgebiete der Ballungszentren abgewandert. Die christlich-orthodoxen Roma kamen als Flüchtlinge aus Ostthrakien, Istanbul und Kleinasien in den 1920er und 1930er Jahren über die Ägäischen Inseln oder Nordgriechenland, und ließen sich am Rande von Dörfern und Städten im ganzen Land nieder. Sie erhielten erst 1979 die Bürgerrechte. Schätzungen über die Gesamtzahl der Minderheit bewegen sich zwischen 120.000 und 300.000. Von der Mehrheitsbevölkerung werden sie meist als "Atsigani" oder abwertend "Gifti" (Gypsies) bezeichnet. Die muslimischen Roma nennen sich selbst auch "Türken".

Typische Erwerbszweige der Roma sind Saisonarbeit als Erntehelfer, Straßenhandel oder - für die Frauen - Arbeit als Haushaltshilfe. Kinder müssen häufig mitarbeiten, um das Einkommen der Familien zu sichern. In größeren Siedlungen gibt es unter Roma auch Kaffeehaus- oder Ladenbesitzer. In Berufen, die eine höhere Schulbildung erfordern, sind Roma dagegen selten zu finden. Wissen, so die Soziologin Sevasti Trubeta, wird traditionell mündlich innerhalb der Familien übermittelt, so dass Schulbildung häufig kein erstrebenswertes Sozialprestige besitzt. Viele Kinder brechen die Schule vorzeitig ab, z. B. weil sie in den Klassen von anderen Schülern oder den Lehrern diskriminiert werden, weil sie durch die Wanderarbeit der Familien die Schule zu häufig wechseln müssen, oder weil sie sehr jung heiraten. Die Analphabetenrate ist entsprechend hoch. Lediglich das Roma Viertel Agia Barbara in Athen wies nach einer Untersuchung von 1990 einen relativ hohen Anteil von 20 Prozent Grundschulabsolventen unter Männern und 22,7 Prozent unter den Frauen sowie einige Roma mit akademischer Bildung auf.

Im Dezember 1999 kam die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz ECRI in ihrem zweiten Bericht zu Griechenland zu dem Schluss, dass die Roma dort extrem harten Lebensbedingungen ausgesetzt seien. Oft werde im Zuge von Zwangsräumungen ihre gesamte Habe zerstört. Vielfach bekämen sie keinen Ersatzwohnraum zugewiesen und würden, wo immer sie sich erneut niederzulassen versuchten, vertrieben. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Minority Rights Group, Greek Helsinki Monitor oder European Roma Rights Center (ERRC) beschreiben die Situation der Roma in Griechenland einstimmig als katastrophal.

Ein Beispiel von vielen: Nach dem Erdbeben in Athen im September 1999, das auch die Roma aus den Vororten der Hauptstadt Aspropyrgos und Ano Liosia obdachlos machte, erhielten gerade zehn Roma Familien feste Notunterkünfte. Die meisten Roma wurden in Zelten untergebracht. Andere Obdachlose erhielten dagegen von Gemeinden, die Roma zuvor wegen Platzmangel die Ansiedlung verweigert hatten, großzügig Land als Nothilfe. Am 14. Juli 2000 zerstörten Bulldozer der Stadtverwaltung in Anwesenheit des Bürgermeisters und unter Polizeischutz einen Großteil der Zelt - Unterkünfte griechischer und albanischer Roma in Aspropyrgos, ohne dass die Bewohner ihre Habe zuvor bergen konnten. Familien mit kranken, nicht transportfähigen Mitgliedern wurde ein Ultimatum gesetzt, bis zum 17. Juli den Platz zu räumen. Ein gesetzlich erforderlicher richterlicher Beschluss lag nicht vor, auch ein ebenfalls vorgeschriebener Vertreter der Staatsanwaltschaft war nicht zugegen. Einige Tage zuvor, so ERRC, habe der Bürgermeister von Ano Liosia jeder ortsansässigen Roma Familie 100.000 Drachmen (ca. 300 Euro) als Prämie für das Verlassen des Ortes gezahlt und anschließend ihre Siedlung eingeebnet. Menschenrechtsorganisationen beklagen ebenfalls Polizeiwillkür und Straflosigkeit von Polizeibeamten. Im März 2000 z.B. wurde die Anklage gegen drei Polizeibeamte fallengelassen, die 1998 den unbewaffneten Rom Angelos Celal durch Schüsse in den Rücken getötet hatten: Sie hätten in Notwehr gehandelt.






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Mit freundlichen Grüßen,

Guerrier


Ohne die Großmächte kein Albanien ganz einfach und jetzt Nerv nicht.
 
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