Ares
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Sie waren schwarz gekleidet und kamen mit Beilen und Messern: In der südchinesischen Stadt Kunming haben bis zu zehn Attentäter 33 Menschen mit Hieb- und Stichwaffen getötet. Die Regierung machte umgehend islamische "Terroristen" verantwortlich.
"Gut, dass hier kaum jemand Zugang zu Schusswaffen hat", sagt ein Reisender auf einem Provinzbahnhof außerhalb Pekings, als er am Sonntagmorgen auf seinem Handy durch die Bilder aus Kunming streicht: Sein Handy-Bildschirm zeigt Tote in Blutlachen, Verletzte mit Stichwunden, abgesperrte Straßen im Zentrum der Millionenstadt Kunming, die auch Hauptstadt der südchinesischen Provinz Yunnan ist. "Nicht auszudenken, wenn die Terroristen Gewehre oder Maschinenpistolen gehabt hätten. Da wären Hunderte gestorben!"
Aber auch so ist die Bilanz des mutmaßlichen Terrorangriffs von Kunming tragisch genug: 33 Menschenleben und mehr als 130 Verletzte sind zu beklagen. Gegen 21.30 Uhr am Samstagabend drangen zwischen fünf und zehn Angreifer mit Messern und Macheten in den Bahnhof von Kunming ein und stachen nach Augenzeugenberichten wahllos auf Reisende ein, die an den Fahrkartenschaltern standen oder auf ihre Züge warteten. Die Attentäter haben ein Massaker angerichtet. Die Bilder sind so blutig, dass Chinas Staatsfernsehen sie den Zuschauern erspart, bis zu den Mittagsnachrichten sind nur Außenaufnahmen des Bahnhofs zu sehen. Im Internet ist unterdessen das ganze Grauen dokumentiert. Vor allem das vom linken Mundwinkel bis zum Ohr und über die ganze Stirn aufgeschnittene Gesicht eines Polizeibeamten bewegt und schockiert die Menschen in Blogs und Internetforen. Der Blogger Kaixin Jiaoya etwa schreibt: "Verneigen wir uns vor den Polizisten, die gestern Nacht an der Front gekämpft haben."
Attentäter sollen aus Uiguren-Provinz stammen
Der Reisende Wang Yu, der auf dem Rückweg ins nordchinesische Harbin war, wurde zusammen mit seinen Eltern von den Attentätern überrascht. Die Familie rannte davon und suchte Schutz in einem kleinen Restaurant. Yu berichtet, seine Mutter sei über einen Stuhl gestürzt. Als der Vater ihr aufhelfen wollte, sah er, dass sie mit einem Messer in den Hals gestochen worden war. Ein weiterer Augenzeuge und Einwohner Kunmings, Yang Haifei, sagte der Nachrichtenagentur Xinhua: Er habe gerade eine Fahrkarte gekauft, als eine Gruppe von zumeist schwarz gekleideten Leuten aufgetaucht sei. Die Unbekannten hätten begonnen, die Leute im Bahnhof anzugreifen. "Ich sah einen Menschen mit einem langen Messer auf mich zukommen. Ich rannte mit anderen davon."
Vier Attentäter will die Polizei erschossen und eine weibliche Verdächtige angeschossen haben, weitere Angreifer seien entkommen, so die Behörden in Kunming. Schon kurze Zeit nach dem Angriff gaben die Sicherheitskräfte außerdem bekannt, alles deute auf einen Anschlag von "Terroristen" aus der Provinz Xinjiang hin. In der riesigen, aber bevölkerungsarmen Provinz im äußersten Westen von China lebt die muslimische Volksgruppe der Uiguren.
Der Konflikt zwischen dieser Minderheit und Peking nimmt seit Jahren an Schärfe zu. Vertreter der Uiguren beschuldigen den Staat, sie in ihrer Provinz systematisch zu diskriminieren und die ethnische Mehrheit der Han-Chinesen als Unternehmer und Arbeitnehmer zu bevorzugen. Die Regierung wirft den Uiguren Terrorismus und Separatismus vor, sie wollten in Xinjiang ein Emirat namens Ost-Turkestan errichten.
Nach blutigen Ausschreitungen in der Provinzhauptstadt Ürümqi, bei denen 2009 Hunderte und im Sommer 2013 erneut Dutzende ums Leben kamen, traf im Herbst ein offenbar von Uiguren verübter Anschlag sogar die Hauptstadt Peking selbst: Eine Familie verursachte absichtlich einen Autounfall auf dem Tiananmen-Platz und setzte dann sich und ihr Fahrzeug in Brand.
Seither geht der Staat in der Uiguren-Provinz Xinjiang noch repressiver gegen die Bevölkerung und besonders gezielt gegen prominente Vertreter der Volksgruppe vor. Vorige Woche wurde der Wirtschaftsprofessor und Uiguren-Aktivist Ilham Tohti wegen Separatismus angeklagt, ihm droht die Todesstrafe.
Präsident Xi warnt: "von Arroganz angeschwollene Terroristen"
War die Messerattacke von Kunming tatsächlich ein Terrorakt, könnte dieser mit Blick auf die am Montag beginnende Jahrestagung der Politischen Konsultativkonferenz und die des Nationalen Volkskongresses am Mittwoch verübt worden sein. Seit Wochen betont die chinesische Führung, dass sie zur Durchsetzung ihrer Wirtschaftsreformen besonderen Wert auf die Bewahrung "sozialer Stabilität" legt. Mit diesem ideologischen Kernbegriff beschloss Präsident Xi Jinping denn auch seine markige Warnung an die Angreifer von Kunming: Jene "von Arroganz angeschwollenen gewalttätigen Terroristen" seien "streng und resolut" zu bestrafen. Die Sicherheitskräfte rief er auf: "Geht alle hinaus und stellt die soziale Stabilität her."
Terrorattacken, wie nun mutmaßlich in Kunming geschehen, kommen in China selten vor. Das Land verfügt über eine allgegenwärtige Staatssicherheit und diverse konkurrierende Geheimdienste, die etwa die Beschaffung von Sprengstoff oder Bombenteilen extrem erschweren. Außerdem ist das Waffenrecht sehr restriktiv. Tötungen mit Schusswaffen kommen viel seltener vor als etwa in den USA oder im Nahen Osten. Angriffe mit Messern und Beilen geschehen häufiger. Wer in Pekinger Supermärkten Küchenmesser ab einer gewissen Größe kauft, muss sich mittlerweile ausweisen und seine Personalien hinterlassen. Nach dem Auto-Brandanschlag am Tiananmen-Platz warnte der Uiguren-Aktivist Ilham Tohti, damals noch auf freiem Fuß, vor einer vorschnellen und pauschalen Verurteilung seiner Volksgruppe. Diese Warnung übernahm am Tag nach dem Anschlag von Kunming selbst einer der publizistischen Hardliner der chinesischen Regierung, der Chefredakteur des Parteiblatts "Global Times": "Wenn es wirklich Separatisten aus Xinjiang gewesen sein sollten, dann soll die Regierung dies prompt bekanntgeben. Das Vakuum sollte nicht von Hörensagen gefüllt werden."
Noch fehlt es an einem konkreten Beweis.
Kunming-Anschlag: China macht Uiguren Terror-Vorwurf - SPIEGEL ONLINE
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"Gut, dass hier kaum jemand Zugang zu Schusswaffen hat", sagt ein Reisender auf einem Provinzbahnhof außerhalb Pekings, als er am Sonntagmorgen auf seinem Handy durch die Bilder aus Kunming streicht: Sein Handy-Bildschirm zeigt Tote in Blutlachen, Verletzte mit Stichwunden, abgesperrte Straßen im Zentrum der Millionenstadt Kunming, die auch Hauptstadt der südchinesischen Provinz Yunnan ist. "Nicht auszudenken, wenn die Terroristen Gewehre oder Maschinenpistolen gehabt hätten. Da wären Hunderte gestorben!"
Aber auch so ist die Bilanz des mutmaßlichen Terrorangriffs von Kunming tragisch genug: 33 Menschenleben und mehr als 130 Verletzte sind zu beklagen. Gegen 21.30 Uhr am Samstagabend drangen zwischen fünf und zehn Angreifer mit Messern und Macheten in den Bahnhof von Kunming ein und stachen nach Augenzeugenberichten wahllos auf Reisende ein, die an den Fahrkartenschaltern standen oder auf ihre Züge warteten. Die Attentäter haben ein Massaker angerichtet. Die Bilder sind so blutig, dass Chinas Staatsfernsehen sie den Zuschauern erspart, bis zu den Mittagsnachrichten sind nur Außenaufnahmen des Bahnhofs zu sehen. Im Internet ist unterdessen das ganze Grauen dokumentiert. Vor allem das vom linken Mundwinkel bis zum Ohr und über die ganze Stirn aufgeschnittene Gesicht eines Polizeibeamten bewegt und schockiert die Menschen in Blogs und Internetforen. Der Blogger Kaixin Jiaoya etwa schreibt: "Verneigen wir uns vor den Polizisten, die gestern Nacht an der Front gekämpft haben."
Attentäter sollen aus Uiguren-Provinz stammen
Der Reisende Wang Yu, der auf dem Rückweg ins nordchinesische Harbin war, wurde zusammen mit seinen Eltern von den Attentätern überrascht. Die Familie rannte davon und suchte Schutz in einem kleinen Restaurant. Yu berichtet, seine Mutter sei über einen Stuhl gestürzt. Als der Vater ihr aufhelfen wollte, sah er, dass sie mit einem Messer in den Hals gestochen worden war. Ein weiterer Augenzeuge und Einwohner Kunmings, Yang Haifei, sagte der Nachrichtenagentur Xinhua: Er habe gerade eine Fahrkarte gekauft, als eine Gruppe von zumeist schwarz gekleideten Leuten aufgetaucht sei. Die Unbekannten hätten begonnen, die Leute im Bahnhof anzugreifen. "Ich sah einen Menschen mit einem langen Messer auf mich zukommen. Ich rannte mit anderen davon."
Vier Attentäter will die Polizei erschossen und eine weibliche Verdächtige angeschossen haben, weitere Angreifer seien entkommen, so die Behörden in Kunming. Schon kurze Zeit nach dem Angriff gaben die Sicherheitskräfte außerdem bekannt, alles deute auf einen Anschlag von "Terroristen" aus der Provinz Xinjiang hin. In der riesigen, aber bevölkerungsarmen Provinz im äußersten Westen von China lebt die muslimische Volksgruppe der Uiguren.
Der Konflikt zwischen dieser Minderheit und Peking nimmt seit Jahren an Schärfe zu. Vertreter der Uiguren beschuldigen den Staat, sie in ihrer Provinz systematisch zu diskriminieren und die ethnische Mehrheit der Han-Chinesen als Unternehmer und Arbeitnehmer zu bevorzugen. Die Regierung wirft den Uiguren Terrorismus und Separatismus vor, sie wollten in Xinjiang ein Emirat namens Ost-Turkestan errichten.
Nach blutigen Ausschreitungen in der Provinzhauptstadt Ürümqi, bei denen 2009 Hunderte und im Sommer 2013 erneut Dutzende ums Leben kamen, traf im Herbst ein offenbar von Uiguren verübter Anschlag sogar die Hauptstadt Peking selbst: Eine Familie verursachte absichtlich einen Autounfall auf dem Tiananmen-Platz und setzte dann sich und ihr Fahrzeug in Brand.
Seither geht der Staat in der Uiguren-Provinz Xinjiang noch repressiver gegen die Bevölkerung und besonders gezielt gegen prominente Vertreter der Volksgruppe vor. Vorige Woche wurde der Wirtschaftsprofessor und Uiguren-Aktivist Ilham Tohti wegen Separatismus angeklagt, ihm droht die Todesstrafe.
Präsident Xi warnt: "von Arroganz angeschwollene Terroristen"
War die Messerattacke von Kunming tatsächlich ein Terrorakt, könnte dieser mit Blick auf die am Montag beginnende Jahrestagung der Politischen Konsultativkonferenz und die des Nationalen Volkskongresses am Mittwoch verübt worden sein. Seit Wochen betont die chinesische Führung, dass sie zur Durchsetzung ihrer Wirtschaftsreformen besonderen Wert auf die Bewahrung "sozialer Stabilität" legt. Mit diesem ideologischen Kernbegriff beschloss Präsident Xi Jinping denn auch seine markige Warnung an die Angreifer von Kunming: Jene "von Arroganz angeschwollenen gewalttätigen Terroristen" seien "streng und resolut" zu bestrafen. Die Sicherheitskräfte rief er auf: "Geht alle hinaus und stellt die soziale Stabilität her."
Terrorattacken, wie nun mutmaßlich in Kunming geschehen, kommen in China selten vor. Das Land verfügt über eine allgegenwärtige Staatssicherheit und diverse konkurrierende Geheimdienste, die etwa die Beschaffung von Sprengstoff oder Bombenteilen extrem erschweren. Außerdem ist das Waffenrecht sehr restriktiv. Tötungen mit Schusswaffen kommen viel seltener vor als etwa in den USA oder im Nahen Osten. Angriffe mit Messern und Beilen geschehen häufiger. Wer in Pekinger Supermärkten Küchenmesser ab einer gewissen Größe kauft, muss sich mittlerweile ausweisen und seine Personalien hinterlassen. Nach dem Auto-Brandanschlag am Tiananmen-Platz warnte der Uiguren-Aktivist Ilham Tohti, damals noch auf freiem Fuß, vor einer vorschnellen und pauschalen Verurteilung seiner Volksgruppe. Diese Warnung übernahm am Tag nach dem Anschlag von Kunming selbst einer der publizistischen Hardliner der chinesischen Regierung, der Chefredakteur des Parteiblatts "Global Times": "Wenn es wirklich Separatisten aus Xinjiang gewesen sein sollten, dann soll die Regierung dies prompt bekanntgeben. Das Vakuum sollte nicht von Hörensagen gefüllt werden."
Noch fehlt es an einem konkreten Beweis.
Kunming-Anschlag: China macht Uiguren Terror-Vorwurf - SPIEGEL ONLINE
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