Erste Regenbogenparade in Sarajevo - Angst vor homophober Gewalt
Bosniens erste LGBT-Parade startet im September. Noch immer müssen Lesben und Schwule im Land Angst vor Angriffen haben.
Es ist ein großes Experiment für die tief konservative bosnische Gesellschaft, die stark von sozialer Kontrolle und gesellschaftlich engen Konventionen geprägt ist. Am 8. September findet in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo mit der Pride erstmals eine Regenbogenparade statt, bei der für die Rechte der sexuellen Minderheiten geworben wird. Es wird viel Prominenz erwartet.
Einer der wichtigsten bosnischen Künstler, der Sänger Božo Vreco, freut sich schon sehr auf das Event. „Es geht um die Freiheit, man selbst zu sein und von Herzen geliebt zu werden, anstatt von der sozialen Norm bestimmt zu werden. Es ist wunderbar, dass Sarajevo eine jener Städte ist, die langsam beginnt, Vielfalt zu tolerieren. Liebe kennt kein Geschlecht, also ist die Pride ein Sieg für die Freiheit der Liebe für mich“, sagt er zu dieser Zeitung. „Ich werde auf jeden Fall dabei sein und die Parade unterstützen, denn das ist meine Stadt, und ich als Person, die frei lebt, liebt und durch meine öffentlichen Kunstwerke handelt, sollte ein Beispiel für alle sein, die das erwarten und sich bereits darauf freuen.“ Viele bosnische Künstler und Figuren des öffentlichen Lebens unterstützen ebenfalls das historische Ereignis.
Homophoben Kräfte überwiegen in Bosnien
In der bosnischen Gesellschaft überwiegen allerdings die homophoben Kräfte. Und vielen Mitgliedern der LGBT-Community ist noch die Gewalt gegen sie in Erinnerung, die im September 2008 beim Queer Festival verübt wurde. Am Tag der Eröffnung fanden sich damals etwa 70 Islamisten gegenüber der Akademie der Bildenden Künste ein, wo die Veranstaltung stattfand. Manche riefen: „Tötet die Schwulen! Wir kriegen euch!“ Die Polizei reagierte kaum. Die islamistischen Wahhabiten begannen danach mit Steinen zu werfen und einigen Festivalbesuchern zu folgen. Acht Personen wurden verletzt, darunter auch ein Polizist. Die Organisatoren des Festivals erhielten weiterhin Drohungen, darunter Todesdrohungen. Am dritten Tag musste das Festival wegen Sicherheitsrisiken beendet werden.
Die Gewalttäter erhielten damals ideelle Unterstützung von höchster politischer Stelle. So sagte etwa Bakir Izetbegovic, der noch heute Chef der SDA, der größten Partei der muslimischen Bosniaken, ist: „Ich bin in keinster Weise mit der Durchführung des Queer Festivals zufrieden. Diese Erinnerung an Sodom und Gomorra am Tag der 27. Nacht des Ramadan, einer Nacht, auf die sich die Muslime freuen – freut mich überhaupt nicht.“ Die SDA ist eine völkisch orientierte islamische Klientelpartei, die von Muslimen gewählt wird. Izetbegovic meinte damals zudem, dass sich die Homosexualität ausbreiten würde, wenn man es zulässt. „So etwas sollte zwischen vier Wänden geschehen.“
Hass gegen Homosexuelle lesbar und sichtbar
Der Mufti Seid Smajkic sagte damals: „Freiheit sollte nicht für Werbung für diesen westlichen Müll genutzt werden.“ Viele Bosnier glauben auch heute noch, dass man sich dafür entscheiden kann, homosexuell oder heterosexuell zu sein. Sie glauben auch, dass Homosexualität eine „europäische“ Idee sei, und meinen damit, dass es sich um eine ideologische und westliche Haltung handeln würde. Es gibt viel zu wenig Aufklärung über sexuelle Orientierungen. Vor der Pride kommen nun die homophoben Ansagen wieder vor allem von Politikern der SDA.
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Die Abgeordnete Samra Cosovic-Hajdarevic meinte etwa: „Ich will, dass solche Leute isoliert werden und weit von unseren Kindern und unserer Gemeinschaft entfernt werden. Lasset sie woanders hingehen und eine Stadt, einen Staat, Gesetze und Rechte für sich selbst schaffen, die niemand bestreiten würde. Aber nicht hier!“ Die SDA ruft schriftlich dazu auf, die Parade abzusagen, weil diese nur „zu Verwirrung unter den Bürgern Sarajevos führen“ würde. Denn die bosnische Gesellschaft würde grundlegende Familienwerte hochhalten.
Internationale Unterstützung
In den sozialen Netzwerken wurde daraufhin viel Hass gegen Homosexuelle lesbar und sichtbar. Andere Politiker, etwa der Chef der größten kroatisch-katholischen Partei, HDZ, Dragan Covic, reagierten hingegen positiv auf die Regenbogenparade. Er sagte: „Ich unterstütze absolut jede Vielfalt, das ist eine persönliche Angelegenheit. Jeder denkt anders, und das ist zu schätzen; das ist Vielfalt.“ Viele Lesben und Schwule trauen sich in Bosnien-Herzegowina nicht, sich zu outen und offen ihre Homosexualität zu leben. Sie haben Angst, von ihrer Familie verstoßen zu werden, ihren Job zu verlieren oder in der Gesellschaft diskriminiert zu werden. Sie stehen unter dem ständigen Druck, ihre Identität zu verheimlichen und zu verstecken. Rechtlich gibt es für sie keine Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft anerkennen zu lassen. In der Öffentlichkeit sind in Bosnien-Herzegowina keine schwulen oder lesbischen Paare sichtbar, weil sie Angst vor Beschimpfungen, Angriffen oder bösen Blicken haben.
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Deshalb versucht auch die internationale Gemeinschaft die Pride nach Kräften zu unterstützen. Erwartet werden aus Deutschland etwa der sozialdemokratische Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, und der grüne Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin. Die österreichische Botschafterin Ulrike Hartmann hat auch bereits ihr Kommen zugesagt. Laut den Veranstaltern läuft die Zusammenarbeit mit der Polizei gut, zudem wurde eine Sicherheitsfirma engagiert.
Der Marsch wird etwa eineinhalb Stunden dauern und um elf Uhr beginnen. Aus allen Teilen Bosnien-Herzegowinas, aber auch aus anderen Balkanstaaten werden Teilnehmer erwartet.
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