Die schöne Safikada
Hört gut zu: Vor ein paar Jahren lebte hier der kleine Stamm der Lapod. Sie führten mit den Trollen Krieg und weil sie verloren haben, mussten sie ihre Heimat, das Kastel, verlassen.
Sieben kleine verängstigte Kinder stiefelten verzaubert hinter dem Flötenspieler her durch den dunklen Wald. Die Zeit lief und lief und lief, und es was früher Morgen und späte Nacht, als die Kinder vor einem Tor zum Fluss Vrbas standen. Ja, es war einmal, vor sehr langer Zeit, in einer bosnischen Stadt eine Festung namens Kastel. Die sieben kleinen Kinder, die Lotta, Anna, Katia, Lina, Lenz, Jens und Klaus hießen, schauten die große steinerne Burg an. Jetzt hörten sie nicht mehr die Melodie, und auch der Flötenspieler war verschwunden.
„Wo sind wir?“, fragte die allerschönste Lotta.
„Und was machen wie hier?“, fügte Jens hinzu. Keiner antwortete. Keiner wusste es. So standen sie alle überrascht und schweigend da. Und wie sie so schwiegen, traten eines Augenblicks drei Ratten zu ihnen, die von einer traurigen Frau und einem Flötenspieler sprachen. Sie sprachen so wunderschön, dass Klaus neugierig war, und er fragte die Ratten, was geschehen war und wo sie die beiden finden könnten.
„Hört gut zu: Vor ein paar Jahren lebte hier der kleine Stamm der Lapod. Sie führten mit den Trollen Krieg und weil sie verloren haben, mussten sie ihre Heimat, das Kastel, verlassen. Eine Frau wollte aber nicht gehen, weil sie sich in einen Troll verliebt hatte. Aber sie konnten nicht zusammen sein, weil es eine verbotene Liebe war. Sie weinte und weinte und weinte, bis aus der Flut ihrer Tränen ein Fluss entstand, in dem alle Trolle ertranken und den man später nach den wunderschönen Trauerweiden an seinen Ufern Vrbas nannte.“
Das alles ist gegen Mittag geschehen.
„Eine alte Hexe sagte“, verrieten die Ratten weiter, „dass sie nur mit Hilfe sieben kleiner Kinder, die das versteckte Wasser trinken sollten, ihren Geliebten wiedersehen könne. Hört gut zu: Lauft gegen Mittag durch das Tor und findet neben einem Brunnen die schöne Safikada. Alle sieben Kinder müssen vom Brunnenwasser trinken, dann wird der Zauber aufgehoben und verschwinden.“ Die Ratten liefen schnell fort – und die Kinder machten sich auf den Weg.
Sie gingen langsam und aufmerksam. Es war ruhig, es war warm. Plötzlich sahen sie den Brunnen und die Frau.
Es war Punkt zwölf Uhr, und Safikada begann zu weinen. „Oooh, kommt kleine Kinder, rettet meinen Geliebten. Hier ist ein Brunnentopf und das Wasser ist schon darin.“
Die Kinder zögerten einen Augenblick, sie wussten nicht mehr, ob sie das Wasser trinken sollten oder nicht. Aber die schöne Safikada war so traurig und hörte nicht auf zu weinen, da nahm die kleine Lena den Topf und trank. Nachdem sie vom Wasser getrunken hatte, kamen von einer Seite die Ratten gelaufen, von der anderen Vögel geflogen. Als sechs der sieben Kinder getrunken hatten, sollte die allerschönste Lotta den letzten Schluck austrinken. Und so geschah es. Der Brunnentopf war leer und plötzlich konnten sie von irgendwoher Musik hören. Der Flötenspieler kam herbei und verwandelte sich in einen Troll. Den Troll, in den Safikada verliebt war. Sie hörte auf zu weinen und fiel ihm um den Hals.
„Oh mein Schatz, ich gebe dich nie mehr her
ah mein Schätzchen, ich liebe dich einfach viel zu sehr.
Schon viele Jahrhunderte sind vorbei und es ist klar
ab jetzt bin ich für dich immer da.“
Safikada sprach überglücklich zu ihren sieben kleinen Rettern: „Um euch zu danken, liebe Kinder, gebe ich euch Siebenmeilenstiefel, mit denen ihr nach Hause zurückkehren könnt.“
Mit diesen verzauberten Siebenmeilenstiefeln gingen die Kinder sehr schnell, stiegen über die hohen Berge und durch den finsteren Wald, bis sich am anderen Ende der Welt der Berg plötzlich öffnete und die Kinder wieder zu Hause in Hameln waren.
Safikada war ein bosnisches Mädchen, das sich in einen österreichischen Soldaten verliebt hatte. Er diente beim Militär im Kastel und war auch in sie verliebt, aber sie konnten nicht zusammen sein, weil er in eine andere Stadt gehen musste. Nachdem er gegangen war, bekam Safikada einen Brief, in dem stand, dass er irgendwo in Fernost gefallen war. Die todunglückliche Safikada stellte sich vor eine der Kanonen des Kastels, mit denen täglich um zwölf Uhr geschossen wurde, und nahm sich so, da niemand sah, welch wunderschönes Mädchen vor der Kanone stand, das Leben. Verona hat Romeo und Julia und Banjaluka hat Safikada.
Dragana Blagojević, geboren 1991, studiert im 3. Jahr Germanistik an der Universität Banja Luka in Bosnien-Herzegowina.