Ein guter Artikel dazu von der TAZ
Herkunftsdebatte nach Attentaten
Die Guten und die Bösen
Statt an die Opfer zu denken, wird nach Attentaten zuallererst die ethnische Herkunft diskutiert. Die rassistische Debatte kategorisiert nicht nur Täter:innen, sondern sogar Held:innen ein.
Der somalische Geflüchtete Ahmed Mohamed Odowaa hielt den afghanischen Attentäter auf, der im Februar in Aschaffenburg zwei Menschen tötete, darunter ein Kleinkind. Der pakistanische Taxifahrer A. Muhammad aus Mannheim stoppte den deutschen Attentäter, der Anfang März zwei Menschen tötete und elf Verletzte. Der syrische Geflüchtete Muhammad Al Muhammad hielt am Freitagabend die deutsche Attentäterin auf, die am Hamburger Hauptbahnhof mit einem Messer 18 Menschen verletzte, vier von ihnen lebensgefährlich.
In Deutschland hat sich ein grausames Ritual eingeschlichen. Wenn Eilmeldungen eines Attentats auf dem Handydisplay erscheinen, denken nicht alle gemeinsam an die Opfer. An die Menschen, die verletzt, traumatisiert oder gar getötet wurden. Stattdessen beschäftigen wir uns mit der Frage: Welche Ethnien haben die Beteiligten? Wer ist Held, wer ist Täter, wer ist Opfer?
Die dümmste Erzählung der Menschheitsgeschichte
Die deutsche Gesellschaft ist in einem desolaten Zustand. Menschen glauben, dass die ethnische Herkunft – die „Rasse“ – etwas darüber aussagt, ob ein Mensch „gut“ oder „schlecht“ sei. Es ist die wohl dümmste und am besten widerlegte Erzählung der Menschheitsgeschichte. Leider auch eine der grausamsten.
Und so ist es verständlich, wenn nun die Geschichte von Muhammad Al Muhammad erzählt wird. Als am frühen Freitagabend eine 39-jährige Frau am vollen Hamburger Hauptbahnhof anfing, wahllos um sich zu stechen, ging der 19-jährige Syrer dazwischen und hielt die Attentäterin möglicherweise davon ab, noch mehr Menschen zu verletzen oder gar zu töten.
Man ist verleitet zu sagen: Seht ihr? Ein Araber – er heißt auch noch Muhammad – ist ein Held!
Al Muhammad sagte gegenüber dem Spiegel, dass viele Menschen plötzlich in eine Richtung gerannt seien, er aber nicht. „Ich habe mich entschieden, in die andere Richtung zu rennen und die Frau zu stoppen.“ Ein Tschetschene hat ihr ins Knie getreten, Muhammad warf sich auf sie, bis die Polizei die Frau festnehmen konnte. Von einem politischen Motiv wird nicht ausgegangen, die mutmaßliche Täterin habe sich wohl in einem psychischen Ausnahmezustand befunden.
Statt an die Opfer zu denken, wird nach Attentaten zuallererst die ethnische Herkunft diskutiert. Die rassistische Debatte kategorisiert nicht nur Täter:innen, sondern sogar Held:innen ein.
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