Die Verantwortungsbewusste Tagesschau
Umgang mit CoronavirusVorzeigestaat Griechenland
Stand: 29.04.2020 04:22 Uhr
Viele Griechen zeigen sich selbst erstaunt über ihre Disziplin im Umgang mit dem Coronavirus und das gute Krisen-Management der Regierung. Die sieht Griechenland gern als Musterland in der Bekämpfung der Pandemie.
Von Thomas Bormann, ARD-Studio Istanbul
In einer Fernsehansprache zog Ministerpräsident Mitsotakis gestern eine positive Zwischenbilanz im Kampf gegen Corona und kündigte an, dass die Ausgangssperre am kommenden Montag gelockert wird. Doch die Hauptperson im griechischen Kampf gegen Corona ist nicht der Ministerpräsident, sondern ein 55-jähriger Mediziner. Wenn dessen Stimme jeden Abend um Punkt 18 Uhr im griechischen Fernsehen leise einen "Guten Abend" wünscht, dann ermahnen Eltern ihre Kinder: Seid ruhig. Doktor Tsiodras ist im Fernsehen.
Sotiris Tsiodras trägt mit monotoner Stimme die aktuellen Zahlen vor: wie viele neue Corona-Infektionen es gab; wie viele Todesfälle. Gestern waren zwei hinzugekommen; insgesamt zählt Griechenland seit Ausbruch der Pandemie 138 Corona-Tote, vergleichsweise wenig - denn Griechenland war auf die Pandemie gut vorbereitet.
Griechenland war auf die Pandemie vorbereitet
Den Virologen Sotiris Tsiodras hatte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis schon Ende vergangenen Jahres zu seinem Corona-Sonderberater ernannt. Als Ende Februar die erste Griechin positiv auf Corona getestet wurde, ließ die Regierung auf Tsiodras‘ Rat sofort alle Karnevals-Umzüge verbieten. Früher als in anderen Ländern wurden in Griechenland Schulen und Unis, Restaurants und Cafes geschlossen. So blieb die Zahl der Neu-Infektionen von Anfang an niedrig. Und wer von heute auf morgen die Arbeit verlor, bekam das frisch eingeführte Kurzarbeitergeld - 800 Euro pro Person.
Angst vor Corona-Ausbruch
Athen bringt Flüchtlinge aufs Festland
Die Angst vor einem Corona-Ausbruch in den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln ist groß. |
mehr
Seit fünf Wochen regelt eine Ausgangssperre, dass die Griechen nur noch in Ausnahmefällen ihre Wohnung verlassen dürfen. "Das musste so entschieden werden, das geht gar nicht anders, damit wir alle geschützt sind", sagt ein Mann in Athen. "Wir gewöhnen uns dran. Das ist das Beste für alle", meint die Frau auf dem Weg zum Supermarkt.
Breite Zustimmung für Krisenmanagement der Regierung
Mehr als 85 Prozent der Griechen loben das Krisen-Management der Regierung Mitsotakis - und er selbst stimmt gern in die Lobeshymne ein. Mitsotakis gestern Abend in der Fernseh-Ansprache:
"Gegen das Virus hat sich hier ein gut organisierter Staat aufgestellt. Der Staat hat die Bürger geschützt und gleichzeitig ihr Vertrauen gewonnen. Und die griechischen Bürger haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. Sie haben die Regeln beachtet und damit ihre eigene Gesundheit geschützt sowie die Gesundheit ihrer Nachbarn."
Die Ausgangssperre wird deshalb am kommenden Montag gelockert. Ab dem 4. Mai dürfen Griechen also wieder ohne besonderen Grund ihre Wohnung verlassen, aber es gelten weiter strenge Regeln. Strände bleiben geschlossen; auch Restaurants und Einkaufszentren.
Gesundheitssystem war gewappnet
Griechenland hat gerade erst die jahrelange Wirtschaftskrise überstanden; Krankenhäuser hatten während der Krisenjahre stark gelitten und viel Personal verloren. Aber auch hier legte Mitsotakis eine stolze Bilanz vor: Tausende Ärzte habe seine Regierung neu eingestellt; Intensiv-Stationen ausgebaut. Kein Corona-Patient habe wegen überfüllter Stationen abgewiesen werden müssen, und das werde auch so bleiben, versprach Mitsotakis.
Das Gesundheitssystem sei gut gewappnet gegen die Corona-Pandemie. Und wir haben noch zwei Verbündete gegen Corona, sagte der Regierungschef:
"Zum einen das gute Wetter, das uns erlauben wird, mehr Zeit draußen zu verbringen. Und das Wichtigste: die Bürger sind sensibilisiert, gut informiert. Sie wissen genau, was sie tun können und was sie lieber lassen sollen."
Doktor Tsiodras, der Chef-Virologe Griechenlands, belässt es lieber bei einer nüchtern vorgetragenen Mahnung: "Wir dürfen jetzt nicht fahrlässig werden", sagt er. "Sonst könnten wir alles zunichte machen, was wir bisher erreicht haben". Worte, die den Griechen bei jedem Gang vor die Haustür im Hinterkopf bleiben.