Ob es nun ausreicht oder nicht: Getan hat sich etwas in Griechenland.
1 . Quittungen.
Der Grieche schließt kein Geschäft mehr ohne Quittung ab, und jeder Ladenbetreiber hat unbestechliche Computerkassen. Ein schneller Kaffee für einen Euro? Eine Zeitung am Kiosk, ein Fläschchen Wasser, ein Drink an der Bar: Der Alltag in Griechenland ist reich an Belegen.
2. Steuern.
Charis Theocharis heißt der Generalsekretär im Finanzministerium, der für die Einnahmenseite der Staatsbilanz zuständig ist. Der oberste Steuereintreiber vermeldet: 2013 habe er erstmals mehr Steuern eingenommen als veranschlagt.
3. Fakelaki.
Ein freundlicher Steuerbescheid (oder gar keiner) gegen Schmiergeld? Um Sümpfe in Finanzämtern trockenzulegen, hat die Regierung unter anderem eine Rotationspflicht eingeführt: Finanzamtschefs müssen nun alle paar Jahre den Job wechseln.
4. Beamtenregister.
Um Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen, wie es die Troika von Griechenland fordert, ist ein Überblick über die Zahl und Beschäftigung der Mitarbeiter wohl hilfreich. Die Regierung ließ an jeden Beamten einen Fragebogen verschicken, den der Empfänger mit dem genauem Profil seines Arbeitsplatzes und seinen eigenen Qualifikationen ergänzen musste – zwingend vom Dienstrechner aus.
5. Entlassungen.
Wer im öffentlichen Dienst vorher bezahlt wurde, um nicht zu erscheinen, wird jetzt bevorzugt rausgeworfen.
6. Entlassungen II.
950.000 Menschen beschäftigte der griechische Staat im Jahr 2009, fast jeden zehnten Griechen also, Kinder und Greise mitgezählt. Viele davon in befristeten Verträgen. 750.000 waren es 2012, 660.000 sollen es bis 2016 werden.
7. Umbau.
Kyriakos Mitsotakis, Minister für Verwaltungsreform, sieht nach Ab- nun den Umbau zu einer modernen Administration als seine große Aufgabe.
8. Sparsamkeit.
Die sechsmonatige EU-Präsidentschaft will Griechenland mit geringen Mitteln ausrichten. 50 Millionen Euro, eine geringere Summe, als die Vorgänger ausgaben, darf die Bewirtung von Gästen und das für ein halbes Jahr erhöhte Reiseaufkommen zwischen Athen und Brüssel kosten. Wenn möglich weniger.
9. Sponsor.
Die Limousinen für den Fahrdienst während der Präsidentschaft stellt der Autobauer Audi.
10 . Mittelklasse.
Ein VW Passat wartet nach einem Termin auf Finanzminister Yannis Stournaras.
11 . Renovierungsbedarf.
Im Innenministerium sind die Kabelstränge hemdsärmelig verlegt: Quer über einer Durchgangstür hängt ein Elektro-Wulst über den Flur. Aufgehübscht hat man das Ministerbüro von Ioannis Michelakis: alte Möbel, ein feiner kirschbaumfurnierter Besprechungstisch. Am Boden musste es aber Laminat tun.
12. Altbau.
Früher zeigten Fachminister gerne den Kollegen ihre Heimat. Heute laden die Griechen zu informellen Räten, so heißt das Format für EU-Treffen im Land des Gastgebers, fast immer nach Athen ein, ins Zappeion Megaron. Das ist ein hübscher Altbau mit einem runden Säulenhof, in einem Park und dennoch mitten in der Stadt gelegen. Er hielt schon für alles Mögliche her. Im Jahr 1906 zum Beispiel als olympisches Dorf.
13 . Besucher.
17 Millionen Urlauber verzeichnete Griechenland im vergangenen Jahr, ein Rekord und eine Wohltat für die Tourismusbranche. Sie hatte gelitten, auch unter dem Fortbleiben deutscher Touristen, die sich gelegentlich offenbar unwohl gefühlt hätten, wie Tourismusministerin Olga Kefalogianni einräumt.
14 . Deutsche Fans.
Nun sei die Wende geschafft: Zehn Prozent mehr Deutsche als im Vorjahr zog es an die Ägäis. "Deutsche Urlauber verlassen Griechenland mit dem Gefühl, an einem sicheren Ort mit gastfreundlichen und warmherzigen Menschen gewesen zu sein", sagt die Ministerin.
15 . Gastfreundschaft.
Zu den Regeln der Gastfreundschaft gehört es, den Besucher nicht zu betuppen. Stichproben in Athen ergaben: Kein Taxifahrer versuchte mehr, absurde Zuschläge zu erfinden oder nicht minder absurde Umwege zu fahren. Nur die Wunderbäume in jedem der genutzten Wagen stanken wie früher und wie überall.
16 . Rauchen.
Duftspender scheinen nötig, wo geraucht wird, und geraucht wird viel in Griechenland. Drehtabak scheint aber das Gebot der Stunde zu sein. Liegt auf vielen Tischen und im Büdchen schnell greifbar ganz vorn.
17. Hellenen.
Im archäologischen Nationalmuseum ist ein Wrack ausgestellt, das irgendwann zwischen 70 und 50 vor Christus in der Ägäis zerschellte – überladen mit Kunstgegenständen, die damals schon Antiquitäten waren. Die Welt war ganz wild auf solche Stücke, worauf die Hellenen von heute gern hinweisen.
18 . Kaufkraft.
Die Wirtschaftsleistung liegt weit unter Vorkrisenniveau, der Lebensstandard vieler Griechen sank dramatisch. So stark wie nie und nirgends in Friedenszeiten, sagt der Finanzminister: "Wir möchten keine neuen Sparauflagen" nach dem Ende des laufenden, zweiten, Hilfsprogramms.
19 . Sparen.
Sparmaßnahmen in Höhe von insgesamt 30 Prozent der Wirtschaftsleistung hat Griechenland unternommen.
20. Bars.
Die Kneipen in Plaka sind voll wie früher. "Aber die Leute halten sich eine Stunde an einem Getränk fest", sagt ein Wirt.
21. Miniwachstum.
0,6 Prozent Wachstum erwartet Griechenland für 2014. "Die Erholung hat begonnen", sagt ein Regierungsmitglied und meint: Es geht wenigstens nicht weiter abwärts.
22. Kampf.
Es reicht mit den Zumutungen für die Griechen, findet die Regierung. Sie streitet daher diesmal besonders hartnäckig mit der Troika, die nun in Athen zurückerwartet wird.
23. Wahlkampf.
Im Mai ist Kommunal- und Europawahl. Pasok, die sozialdemokratische Partei, Evangelos Venizelos ist ihr Vorsitzender, ist von 44 Prozent bei der Parlamentswahl 2009 abgesackt auf einstellige Umfragewerte.
24 . Solidarität.
Und so wünscht sich die Regierung Entgegenkommen von den europäischen Partnern, niedrigere Zinsen oder eine längere Laufzeit für die zum größten Teil ausgezahlten Kredite von insgesamt 250 Milliarden Euro. Einen Schuldenerlass also, der nicht so heißt. Entschieden werden soll das vor der gefährlichen Mai-Wahl.
25. Lücke.
Um diese Summe geht es: Eine Finanzierunglücke von elf Milliarden Euro macht Finanzminister Stournaras bis Ende 2015 aus.
26. Marktzugang.
"Wir bereiten uns auf zumindest begrenzten Zugang zu den Finanzmärkten im Jahr 2014 vor", sagt Stournaras. Die Griechen wollen also versuchen, sich wieder Geld an den Kapitalmärkten zu leihen. Zuvor mit einen Schuldenschnitt einzugestehen, dass man alte Verpflichtungen nicht bedienen kann, wäre recht abenteuerlich. "Die Märkte würden den Weg über verringerte Zinsen und längere Laufzeiten mehr schätzen", sagt der Minister.
27. Überschussweltmeister.
So schnell habe noch kein Land der Erde sein Defizit in der Leistungsbilanz abgebaut, rühmt sich die Regierung von Antonis Samaras. Bei 15 Prozent lag es 2008. Mit einem Plus von 0,9 Prozent rechnet Griechenland für 2013.
28. Ursachenbekämpfung.
Griechenland konsumiert damit nicht mehr auf Pump: "Wir haben den Grund der Krise komplett eliminiert", sagt der Finanzminister.
29. Exporte.
In der Krise brachen die Importe drastisch ein. Die Regierung sieht diese Tendenz nun langsam gestoppt und verzeichnet gleichzeitig einen "merklichen Anstieg" der Exporte. Bemerkenswert ist das trotz des niedrigen Niveaus, weil sich die griechische Wirtschaft jahrzehntelang nur ins Binnenland orientierte.
30 . Staatsdefizit.
Rechnet man den Schuldendienst heraus, erwartet Griechenland auch im Staatshaushalt erstmals einen leichten Überschuss von 1,2 Prozent. Es muss ein Plus davor stehen – dies ist eine der Bedingungen, unter denen die europäischen Partner weitere Hilfen im November 2012 in Aussicht stellten.
31 . Troika.
Die zweite Bedingung allerdings hören die Griechen nicht gerne: die "Erfüllung aller Auflagen" aus dem Hilfspaket.
32 . Wohltaten.
Der – unerwartete – Primärüberschuss soll nun den Griechen zugutekommen. Um Härten abzufedern, werden 70 Prozent in die Sozialsysteme gesteckt, 30 Prozent gespart. Das kündigte Samaras am Freitag an. Die Troika sei einverstanden.
33 . Flexibilität.
Eine Art Aufnahmegebühr von 25 Euro sollten Patienten in Krankenhäusern zahlen, so eine der Auflagen der Troika. Die Regelung wurde in dieser Woche nach wenigen Tagen wieder außer Kraft gesetzt. "Aber der Betrag wird eins zu eins durch andere Einkünfte ersetzt", sagt Stournaras. Wie? Durch eine Erhöhung der Tabaksteuer um fünf Cent für jede Packung.
34. Überweisungen.
Rechnungen über neun Milliarden Euro hatte Athen 2010 nicht bezahlen können. "Sieben Milliarden sind inzwischen überwiesen", heißt es aus Regierungskreisen.
35 . Letzter Drücker.
Thessaloniki ist 2014 Europäische Jugendhauptstadt. Noch spät im Jahr 2013 waren etliche Fragen offen. "Es ist der griechische Weg, wir sind immer spät dran. Aber es wird keine Probleme geben", sagt Provinzgouverneur Apostolos Tsitsikostas.
36. Wartemarke.
Nur noch an einem Schalter müssen Unternehmensgründer anstehen, in einem Tag kann die Prozedur durch sein, verspricht die Regierung.
37. Belohnung.
Für den Kauf einer Immobilie im Wert von 250.000 Euro gibt es eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre geschenkt.
38. Privatisierungen.
Vier Milliarden Euro hat Griechenland mit Privatisierungen eingenommen. Geplant war freilich mehr.
39. Kataster.
Man muss ja zunächst wissen, was einem gehört, bevor man verkaufen kann. Grundbuch gibt es keines in Griechenland (in Frankreich aber auch nicht). Unter Anleitung niederländischer Beamter entsteht ein Katastersystem.
40. Lobby.
Früher musste jede Partei ihren Anwalt zu einem Immobilienkauf mitbringen. Das gilt nicht mehr: "Es ist so logisch, das abzuschaffen. Aber die Widerstände organisierter Interessengruppen waren riesig", heißt es aus Regierungskreisen.
41 . Lob.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) lobte bei seinem Besuch Ende der Woche die Griechen für ihre Reformen. "Die Arbeit, die hier getan wird, ist nicht nur eine Arbeit für Griechenland, sondern für Europa. Dafür habe ich Ermutigung ausgesprochen."
42. Demonstranten.
Europaminister Dimitris Kourkoulas schaut aus seinem Büro auf den Syntagma-Platz hinunter. "Je besser die Signale, desto mehr Menschen glauben daran, dass unser Weg der weniger schmerzhafte ist", sagt er. Und desto weniger Menschen gehen auf die Straße zum Protestieren.
43 . Durchgriff.
Die griechische Postbank soll mehr als 400 Millionen Euro durch faule Kredite verloren haben. Die Staatsanwaltschaft vermutet Untreue und Korruption und hat Haftbefehle gegen mehrere Unternehmer und Bankiers ausgestellt. Zufall oder nicht: Viele Festnahmen erfolgten genau während des Festakts zur Übernahme der Ratspräsidentschaft.
44 . Kirchgänger.
In die Kirche gehen mehr Menschen, sagt Pater Maximos Papagiannis, Generalvikar des Erzbischofs von Athen, in seinem holzvertäfelten Büro, das auch nicht weit vom Syntagma-Platz liegt. "Ob sie nun gläubig sind oder nicht, die Liturgiebesucher nehmen zu. Sie suchen materielle Hilfe und Hilfe für die Seele."
45 . Konsum.
Pater Maximos tun die Leute leid, aber der "Konsumismus" der Pump-Jahre hat ihm auch nicht gefallen: "Dadurch haben die Griechen eine Zeit lang ihre Identität verloren."
46. Lehre.
Studieren musste, wer etwas werden und gelten wollte. Jetzt gibt es die ersten dualen Ausbildungsgänge im Handwerk, nach deutschem Muster. "Das wird helfen", sagt der Chef der in Griechenland ansässigen EU-Agentur für Berufsbildung, James Calleja.
47. Kultur.
Zwölf Millionen Menschen besuchten 2013 "die wichtigsten Museen und Ausgrabungsstätten", sagt Kulturminister Panos Panagiotopoulos. "Ich verspreche Ihnen: Im Frühjahr werden wir die Öffnungszeiten ausweiten, um noch mehr anzuziehen."
48 . Museum.
Das staatliche Akropolis-Museum zog schon sechs Millionen Besucher an, seit es 2009 eröffnet wurde. Es brauchte noch keinen einzigen Subventions-Euro, sagt der Chef, Pandermalis Dimitrios.
49 . Dienstleistung.
Der Archäologieprofessor Dimitrios sieht das Museum als Lehrbetrieb: "Die Angestellten lernen hier, dass wir guten Service liefern müssen, damit wir von den Einnahmen leben können."
50 . Forderung.
Die Hälfte des umwerfenden Parthenon-Frieses wurde einst nach London gebracht – "entführt", sagt der Museumsdirektor. Er will es gern zurück: "Das gehört der Menschheit, und es gehört nach Athen."