[h=1]Europa war gestern: Von der EU außen vor gehalten schlittert das kleine Balkanland Mazedonien langsam in eine Diktatur.[/h]In seinem gläsernen Büro am Hauptplatz von Skopje darf sich Saso Ordanoski wie in Klein-Europa fühlen. Ringsum reihen sich vor seinem Auge blütenweiße, imposante Bauwerke aneinander, dicht wie in einer Modellanlage eines Freizeitparks. Von links grüßt eine überdimensionierte Reiterstatue, in der Mitte massige Monumente von allerlei historischen Größen, und ganz rechts sieht es aus, wie ein naiver Maler die Seine oder die Themse, den Tiber oder die Moldau darstellen würde: Brücken mit einer Unzahl Skulpturen wie in Rom oder Prag, dahinter klassizistische Paläste wie in Paris oder Wien – Minidomm auf dem Balkan.
Aber Saso Ordanoski fühlt sich ganz und gar nicht wie in Europa. „Das Land befindet sich im freien Fall“, sagt der 50-Jährige, der als junger Mann hier in Skopje zu den ersten wirklich freien Journalisten gehörte und so das Glück hatte, eine junge Demokratie mit schaffen zu dürfen. Aber es wurde einsam um Ordanoski.
Sein wichtigster Mitstreiter von damals, Nikola Mladenov, war im vorigen Jahr bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen. Der Journalist, der den Fall recherchierte, wurde unter fadenscheinigen Vorwürfen zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Kritische Fragen sind nicht mehr gestattet in dem Land, dessen einzigen oppositionellen Fernsehsender die Regierung schon vor drei Jahren schließen ließ.
Gefragt wird nicht mehr; stattdessen wird gebaut. Bis zu einer halben Milliarde Euro schätzen Kritiker die Kosten des gigantischen Projekts „Skopje 2014“, das der Hauptstadt etliche billige und ästhetisch fragwürdige, aber strahlende Palazzi, Brücken, Monumente und Statuen beschert hat.
Unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit rutscht das kleine Balkanland Jahr um Jahr ein Stück tiefer in die Diktatur. Am Sonntag wird zwar gewählt – erst der Staatspräsident, dann zwei Wochen später wieder einmal das Parlament, zum vierten Mal schon in acht Jahren. Mit Demokratie hat der permanente Wahlkampf aber nichts zu tun. Er dient vielmehr der Dauermobilisierung: „Alle Beamten sind angehalten, Listen von Wählern zu erstellen, die sie zur Wahl der Regierungspartei überreden wollen“, sagt Uranija Pirovska, Leiterin des Helsinki-Komitees. „Beamte“ gibt es genug: Ihre Zahl ist auf fast das Doppelte gestiegen, seit 2006 die Partei VMRO unter Premier Nikola Gruevski die Macht übernommen hatte.
Etliche dieser Staatsdiener bekommen nur ein Gehalt, keine Arbeit; genug Büros und Schreibtische für die vielen neuen Beamten gibt es im ganzen Land nicht. Bringt jeder der inzwischen knapp 200.000 Beamten nur eine weitere Stimme mit, hat die Partei es wieder geschafft.
Schon bei der Kommunalwahl im vorigen Jahr registrierten die wenigen unabhängigen Beobachter, die sich noch trauen, Einschüchterung bis hin zum Terror: Belegschaften von Firmen wählten nahezu geschlossen VMRO – nachdem vorher die Steuerfahndung vorbeigeschaut hatte und aufmüpfige oder kritisch denkende Arbeiter und Angestellte Entlassungsdrohungen bekommen hatten. Wer – bei über 30 Prozent Arbeitslosigkeit – über keine Firma erreichbar war, bekam einen Telefonanruf: Mit Schein-Umfragen lockten Parteisoldaten aus den Wählern ihre Präferenz heraus. Umstritten war vor allem die Gemeinde Skopje-Zentrum: Dort stehen die vielen neuen Skulpturen und Bauwerke, und weitere sollen noch folgen. In der Bevölkerung ist der städtebauliche Overkill nicht populär. Deshalb wählten die Innenstadtbewohner bisher hartnäckig die Opposition. Die Regierungspartei karrte Albaner aus grenznahen, mazedonischsprachigen Dörfern herbei, gab ihnen Pässe und schickte sie an die Urnen. Als alles nichts half, wurde der sozialdemokratische Vorsitzende des Bezirksrates eingesperrt, angeklagt und verurteilt.
Ob der so beliebte Vorwurf der Steuerhinterziehung wirklich zutrifft, lässt sich kaum klären. „Die Justiz steht zu hundert Prozent unter der Kontrolle der Regierung“, sagt Pirovska.
Dabei hat Mazedonien hoffnungsvolle Zeiten erlebt. 2005, als das Land offiziell den Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen bekam, deuteten alle Parameter nach oben, und der Beginn von Verhandlungen schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Aber Griechenland legte sein Veto ein. Auch 23 Jahre nach der Unabhängigkeit macht der Nachbar dem Land, der Nation und der Sprache ihren selbstgewählten Namen streitig und blockiert jeden Erweiterungsschritt, nicht nur in die EU, sondern auch in den Nato-Bund.
Mazedonien: Mazedonien auf dem Weg in die Diktatur | Politik - Frankfurter Rundschau
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