Montenegro: Präsident hofft auf Unabhängigkeit der Landeskirche
Präsident Djukanovic erwartet nach dem Vorbild der Ukraine die Gewährung der Autokephalie für die montenegrinisch-orthodoxe Kirche durch den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios
Podgorica, 21.06.2019 (KAP) Der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic erwartet, dass der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. die Unabhängigkeit der montenegrinisch-orthodoxen Kirche anerkennen wird, wie die "Austria Presse Agentur" (APA) am Freitag berichtete. Gegenüber dem regionalen TV-Sender N1 argumentierte Djukanovic demnach seine Erwartungen mit dem Standpunkt, dass die orthodoxe Kirche den historischen Entwicklungen der Staatsorganisation folgen würde.
Montenegro habe 1918 seine staatliche Unabhängigkeit verloren und sei auch ohne selbstständige orthodoxe Kirche geblieben. Im Jahr 2006 habe sich diese Situation verändert, sagte Djukanovic im Hinblick auf die in jenem Jahr wiedererlangte staatliche Unabhängigkeit Montenegros.
Djukanovic hatte kürzlich bei einem Führungstreffen seiner regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) angekündigt, dass er sich um die Anerkennung der montenegrinischen Kirche durch die Orthodoxie bemühen würde.
Die derzeit von der Weltorthodoxie nicht anerkannte orthodoxe montenegrinische Kirche hatte Anfang der 1990er Jahre ihre Arbeit wieder aufgenommen.
Im Adria-Staat ist allerdings weiterhin die serbisch-orthodoxe Kirche dominant. Sie würde als Beschützer der "Groß-Serbien-Infrastruktur" auftreten, meinte Djukanovic am Mittwochabend unter Hinweis, dass
nach Ansicht der serbischen Kirche die staatliche Unabhängigkeit Montenegros wohl ein von Serbien zugelassener Fehler gewesen sei, den die Kirche allmählich korrigieren solle.
Die jetzigen Äußerungen des montenegrinischen Präsidenten sind inhaltlich nichts Neues. Schon zu Jahresbeginn hatte er sich in einem Fernsehinterview für die kirchliche Loslösung seines Landes von Belgrad stark gemacht. Offenbar hat ihn der Autokephalie-Erfolg des früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko dazu ermutigt. Djukanovic versprach den Aufbau einer autokephalen "Montenegrinischen Orthodoxen Kirche" auf soliden Grundlagen.
Autokephalie schon 1766
Die orthodoxe Kirche in Montenegro war bereits einmal unabhängig.
Die Autokephalie geht auf das Jahr 1766 zurück, als das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel Montenegro eine selbstständige Metropolie zuerkannte. Die Metropoliten im Kloster von Cetinje wurden bald auch zu politischen Landesherren, was in der orthodoxen Welt im Unterschied zum abendländischen Kirchenfeudalismus eine Ausnahme darstellt.
In Montenegro blieben Metropolie und Fürstentum durch Personalunion bis 1851 in der Familie Petrovic-Njegos erblich, wobei jeweils auf den Onkel ein Neffe folgte. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Cetinje das Fürstenamt von jenem des Metropoliten getrennt, der 1912 zum Erzbischof aufstieg. Doch als sich 1918 das neue Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) - das spätere Jugoslawien - Montenegros bemächtigte, kam auch das Ende der kirchlichen Autokephalie - sie wurde bis dahin auf der Liste der autokephalen orthodoxen Kirchen auf Platz 9 geführt.
Erzbischof Mitrofan Ban wurde unter Gewaltandrohung gezwungen, sich einer gesamtserbischen Kirche einzuordnen.
Im Zug der Auflösung Jugoslawiens in den 1990er Jahren kam auch das Streben nach Wiederherstellung der staatlichen und kirchlichen Unabhängigkeit von Montenegro zum Durchbruch. 1993 konstituierte sich aufs Neue die "Montenegrinische Orthodoxe Kirche" mit dem Anspruch auf Autokephalie. Ihr erster nachserbischer Erzbischof-Metropolit Antonije Abramovic machte die Peterskirche von Cetinje zu seinem Sitz, während im alten fürstbischöflichen Kloster bis heute weiter der belgradtreue Metropolit Amfilohije Radovic residiert. Dieser gehört zu den schärfsten Kritikern der Religionspolitik von Präsident Djukanovic.
Staat fördert eigenständige Kirche
Von Seiten des montenegrinischen Staats wird die kirchliche Unabhängigkeitsbewegung schon lange gefördert. Vom Staat wurden der montenegrinischen Autokephalkirche 50 der 650 serbischen Kirchen und Klöster des Landes überantwortet, 2000 hat sie das Innenministerium in Podgorica offiziell als anerkannte Religionsgemeinschaft registriert.
Aktuell hat das Innenministerium zu Jahresbeginn 50 Weltgeistlichen und Mönchspriestern aus Serbien ihre Aufenthaltsbewilligungen in Montenegro für 2019 nicht mehr verlängert.
Anfang Juni hat die Regierung in Podgorica einem
Gesetzesentwurf zu Religions- und Glaubensfreiheit und dem rechtlichen Status von Religionsgemeinschaften zugestimmt, der von der serbisch-orthodoxen Kirche heftig kritisiert wurde und wird. Ein zentraler und umstrittener Aspekt ist die Frage nach den Besitzverhältnissen von Immobilien und Grundstücken. Alle religiösen Gebäude, die vor 1918, als Montenegro Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen wurde, in Staatsbesitz waren und in der Zwischenzeit nicht durch entsprechende rechtliche Schritte in den Besitz einer Glaubensgemeinschaft übergegangen sind, würden demnach als
Staatsbesitz betrachtet.
Die serbisch-orthodoxe Kirche befürchtet, dass so ihr Eigentum verstaatlicht werden soll. Schon den ersten Gesetzesentwurf von 2015 hatte sie kritisiert, da dieser vorsah, dass sich alle Glaubensgemeinschaften registrieren müssen und nicht den Namen eines anderen Staats in ihrer Bezeichnung führen dürfen. Dies sei "inakzeptabel" und "diskriminierend" und stelle eine grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirche dar, hieß es.
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