Im Hinblick auf Kravica gab es vor dem Tribunal die Aussage wie folgt: "Oni nama novu godinu, mi njima Bozic". Darin beschreibt ein Soldat der bosnischen Regierungstruppen den Angriff auf Kravica als Reaktion auf ein vorausgehend von serbischen Truppen verantwortetes Scharmützel. Es ist kennzeichnend, dass von den 49 getöteten am 7.Januar 1993 (Denkmal) die meisten Soldaten waren, was an dieser Stelle nicht die zivilen Opfer relativieren soll. Es ist aber ein Indiz dafür, dass es hier im Rahmen von Gefechten zu toten Zivilisten kam. Das war umgekehrt genau so und das kann man im Krieg niemandem ankreiden.
Wer sich ebenfalls mit den Kriegen in BiH beschäftigt hat, dürfte die nachvollziehbare Begründung des ICTY zu den Urteilen verstehen. In Srebrenica war die Situation über die Jahre hinweg katastrophal, unorganisiert, unstrukturiert und geradezu kriminell. Die aus der Enklave heraus geführten Angriffe waren nicht selten Notmaßnahmen um an Essen und Minution heranzukommen. Militärexperten nannte es mal auch "Elastische Verteidigung". Das ist was völlig anderes als im Juli 1995, wo die Massenmorde trotz befriedeter Situation und funktionierenden Kommandostrukturen erfolgten.
Ebenfalls "spannend" ist die Zahl von 3267 getöteten Serben im Umland von Srebrenica im Zeitraum 1992-1995. Die Zahl suggeriert im Zusammenhang mit den Vorwürfen an Oric, dass es ausschließlich zivile Serben waren, die quasi Massakern zum Opfer gefallen sind. Das von einem Bosniaken geführte, von Norwegen bezahlte und von allen Seiten gerne zitierte IDC (Istrazivacko Dokumentacioni Centar), wenn man die Opferzahlen anderer anzweifeln will, hat herausgefunden das ein großer Teil der 3267 getöteten Serben nachweislich als Militärangehörige in Brigaden dieser Region z.T. in und um Bihac gefallen sind. An der Integrität des IDC ist nicht zu zweifeln, die wurde sogar von der serbischen Regierung beim IGH anerkannt.
Ansonsten ist zu dieser Zahl auch ein Vergleich angebracht. Allein in der Gemeinde Visegrad wurden, im viel kürzeren Zeitraum zwischen April 1992 und Juni 1992, über 3000 Nichtserben Opfer von Morden. Voraus gingen: Internierungen, Vergewaltigungen etc. Das ganze, als die Stadt durch JNA-Truppen längst befriedet war.
Somit sollte also jedem der sich mit diesem Konflikt beschäftigt hat klar sein, dass es Verbrechen auf allen Seiten gab. Ja, sogar manche die wie im Falle Oric nicht ausreichend gesühnt wurden. Oric halte ich für einen Kriegsverbrecher und einen Kriminellen und würde ihn hier niemals abfeiern. So aber wie man fahrlässigen, vorsätzlichen, geplanten Totschlag oder Mord voneinander unterscheidet, so muss man auch die Verbrechen in BiH einordnen. Und hier ist die Sachlage eindeutig: Die Struktur serbischer Verbrechen und vertreibungen lässt eindeutig darauf schließen, dass man diese gezielt herbeiführte, bspw. mit Typen wie Arkan in Bijeljina oder Lukic in Visegrad und die Steuerung hier durch den serb. Geheimdienst erfolgte.
Das rüttelt nicht an der Grausamkeit bosniakischer Verbrechen, nur waren diese nicht planvoll und/oder Teil einer vorsätzlichen Aktion.