FBI-Beamter schildert letzte Minuten von Todesflug am 11.9.
Bei Hamburger Prozess gegen mutmaßlichen Mittäter Motassadeq - "Es muss die Hölle gewesen sein"
Hamburg - Im Prozess gegen den mutmaßlichen Helfer der Attentäter vom 11. September 2001, Mounir al-Motassadeq, hat ein Ermittler der US-Bundespolizei FBI am Dienstag die letzten Minuten an Bord des Todesfluges "American Airlines 11" geschildert. Bis zum Einschlag des Flugzeuges in den Nordturm des New Yorker World Trade Centers seien die Passagiere genau 32 Minuten der Gewalt ihrer Entführer ausgesetzt gewesen, sagte Matthew Walsh vor dem Hamburger Oberlandesgericht. "Es brach keine richtige Panik aus, aber es muss die Hölle gewesen sein", meinte der FBI-Beamte.
Walsh nannte die Details auf Fragen eines Nebenklägers, dessen Mutter an Bord des Flugzeuges zu Tode gekommen war. "Ich weiß nicht, ob die Passagiere wussten, dass sie sterben würden, aber auf jeden Fall haben sie die Gewalt mitbekommen", sagte der Beamte. "Sie waren aber Zeugen von Blutvergießen und wussten, dass etwas schrecklich falsch läuft." Laut dem Kriminalbeamten haben die Flugzeugentführer einem Passagier die Kehle durchgeschnitten, in der ersten Klasse beim Cockpit zwei Stewardessen nieder gestochen und Pfefferspray im Flugzeug versprüht.
Das Flugzeug sei sehr unruhig geflogen worden und einen Kontakt zu den Piloten habe es nicht mehr gegeben, sagte Walsh weiter aus. Am Steuer saß zu diesem Zeitpunkt einer der Terroristen, der aus Ägypten stammende Hamburger Student Mohammed Atta.
Erste-Klasse-Passagiere direkt mit Ereignissen konfrontiert
Am Anfang hätten viele Passagiere vielleicht nicht genau mitbekommen, was geschehe, so Walsh, der beim FBI in der für die Terroristen-Fahndung zuständigen Abteilung arbeitet. Die Fluggäste in der ersten Klasse jedoch, wo sich auch die Mutter des amerikanischen Nebenklägers Dominic Puopolo befand, seien direkt mit den Ereignissen konfrontiert gewesen. Unmittelbar vor dem Cockpit hätten sie durch eine Wolke von Pfefferspray kaum atmen können. Für Puopolos Mutter Sonia Morales, die an Asthma litt, sei die Situation wohl noch schlimmer gewesen als für die übrigen Fluggäste. "Das Schlimmste war, dass sie wusste, dass sie sterben würde", sagte Puopolo nach der Verhandlung.
Manche der Passagiere hätten noch versucht, ihre Angehörigen anzurufen, führte Walsh weiter aus. Zwei Flugbegleiterinnen hätten Kontakt zum Boden gehabt, bis das Flugzeug ins World Trade Center gerast sei. Durch ihre aufgezeichneten Gespräche habe das FBI viele Erkenntnisse erhalten und unter anderem die fünf Entführer der Boeing 767 anhand ihrer Sitzplätze identifizieren können.
Der Richter Ernst-Rainer Schudt sprach Puopolo, der den Prozess in Hamburg seit Beginn verfolgt und während Walshs Aussage sichtlich um Fassung rang, sein Beileid aus. Es war das erste Mal in dem Prozess, dass einer der Angehörigen einen der Ermittler persönlich befragen konnte. Bei den Anschlägen der insgesamt 19 Attentäter mit vier entführten Flugzeugen starben nach Angaben von Walsh insgesamt 3.115 Menschen.
Eingeschränkte Aussagegenehmigung
Der FBI-Ermittler war bereits im ersten Prozess gegen Motassadeq gehört worden. Das US-Justizministerium hatte ihm nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Er wiederholte weitgehend seine Aussagen aus dem früheren Prozess.
Der marokkanische Elektronikstudent al-Motassadeq war bereits 2003 als weltweit erster Angeklagter wegen Beteiligung an den Anschlägen zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der deutsche Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch später auf. Begründung: Möglicherweise entlastende Aussagen seien nicht berücksichtigt worden. Die US-Regierung hatte es zuvor abgelehnt, in ihrem Gewahrsam befindliche Verdächtige in Deutschland aussagen zu lassen. Nun wir der Fall neu verhandelt. (APA/dpa/Reuters/AP)
www.derstandard.at