Viertes Gedenken an 9/11
Schweigeminuten für 2.749 Getötete in New York - Bush zieht Parallele zu Katrina - Menschenkette in Russland - Papst: "Dem Hass abschwören"
Archivbild vom 11. 9. 2001: Hinter dem Empire State Building die brennenden Twin Towers des World Trade Centers.
New York/Washington - Mit Schweigeminuten, Glockengeläut und Gedenkreden wurde in den USA am Sonntag der Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 gedacht. In New York versammelten sich die Angehörigen der 2.749 dort Getöteten zu einer Trauerfeier am Gelände des ehemaligen World Trade Centers. Geschwister verlasen dann nach und nach die Namen sämtlicher Opfer. Auch in anderen Teilen der Welt wurde der Toten gedacht.
Die erste Schweigeminute um 08.46 Uhr New Yorker Zeit (14.46 Uhr MESZ) markierte den Moment, als das erste von Terroristen entführte Passagierflugzeug ins World Trade Center raste. Nach der zweiten Schweigeminute um 09.03 Uhr (15.03 Uhr MESZ), dem Zeitpunkt des zweiten Flugzeugeinschlags, begann das Verlesen der alphabetischen Liste mit dem Namen Gordon Aamoth, einem Angestellten bei einer damals im World Trade Center ansässigen Investmentbank. Viele Angehörige hielten Bilder der Opfer in die Höhe.
Im vergangenen Jahr hatten Eltern und Großeltern die Namen verlesen, im Jahr 2003 hatten dies Kinder übernommen. Diesmal waren die Geschwister an der Reihe, die in insgesamt 320 Paaren auftraten. Darunter waren Cynthia, John, Jane und Neil Olson, die ihren Bruder Jeffrey bei den Anschlägen verloren. "Unsere Familie ist an diesem Tag gestorben", sagte ihre Mutter Carol. "Wir vermissen ihn ständig, an jedem Geburtstag und an jedem Feiertag."
Beileid für Londoner Terroropfer
Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg richtete in seiner Ansprache auch Worte des Beileids an alle Familien, die bei den Terroranschlägen in der Londoner U-Bahn am 7. Juli Angehörige verloren. Ferner gedachte er der Flutopfer am Golf von Mexiko. Zu der Trauerfeier waren auch Bloomberg Vorgänger Rudolph Giuliani, der New Yorker George Pataki und US-Außenminister Condoleezza Rice erschienen. Zu den beiden Zeitpunkten, als die Zwillingstürme des World Trade Centers einstürzten, wurden weitere Schweigeminuten eingehalten. Ebenso wurde an die gut 200 Toten der beiden anderen Flugzeugabstürze am 11. September auf das Verteidigungsministerium in Washington und bei Shanksville in Pennsylvania erinnert.
Bush verglich Terroranschläge mit Flutkatastrophe
US-Präsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney begingen die erste Schweigeminute gemeinsam mit ihren Ehefrauen auf dem südlichen Rasen des Weißen Hauses. Bush hatte zuvor an einem Gottesdienst in der Episkopalkirche gegenüber seines Amtssitzes teilgenommen. Für den späteren Verlauf des Tages war ein weiterer Besuch des Präsidenten im Katastrophengebiet von New Orleans vorgesehen. Dort eingesetzte Feuerwehrleute veranstalteten eine Gedenkfeier an ihre vor vier Jahren getöteten Kollegen.
Papst Benedikt XVI. rief die Menschen auf, dem Hass zu entsagen und eine gerechte und friedliche Welt aufzubauen. "Heute erinnern wir an die Opfer terroristischer Gewalt weltweit", erklärte Benedikt in Castel Gandolfo bei Rom. In Wolgograd in Südrussland bildeten 50.000 Menschen eine 40 Kilometer lange Kette, wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtete. Die Teilnehmer riefen "Wir wählen Frieden" und "Nein zum Terrorismus". In Padua im Norden Italiens wurde unterdessen ein Denkmal zu Ehren der Opfer enthüllt. In das Monument "Erinnerung und Licht" arbeitete der Stararchitekt Daniel Libeskind einen verbogenen Stahlträger aus dem zerstörten World Trade Center ein.
"Freiheitsmarsch"
Mit einem "Freiheitsmarsch" durch Washington wollte die Regierung gleichzeitig der Terroropfer vom 11. September 2001 und der im Irak-Krieg gefallenen Soldaten gedenken. Tausende Teilnehmer versammelten sich in der Früh am Sitz des Verteidigungsministerium, in das ebenfalls eine der entführten Maschinen gelenkt wurde. Der Marsch vom Pentagon in das Stadtzentrum war im Vorfeld auf heftige Kritik gestoßen, da viele darin eine Propaganda-Aktion der Regierung gegen die schwindende Zustimmung zur Irak-Politik sahen.
Bush zieht Parallelen
Die Gedenkfeiern zu den Terroranschlägen werden dieses Jahr von den verheerenden Folgen des Hurrikans "Katrina" überschattet. US-Präsident Bush sieht dabei durchaus Parallelen: In einer Radioansprache verglich er die Terroranschläge mit der Flutkatastrophe. Wie vor vier Jahren würden die Amerikaner auch diesmal die Krise dank ihrer Tugenden überwinden und gestärkt daraus hervorgehen. Für Bush selber wird dies angesichts der Kritik an der nur schleppenden und pannenreichen Hilfe allerdings angezweifelt.
derstandard.at