Yutaka
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Sammelthread Abschiebung ex-jugoslaw. Kriegsflüchtlinge
Zurück bleiben Empörung und Verzweiflung
Kurzschluss: Verwandte kündigten Selbstverbrennung an – Unverständnis: Familie seit 1992 bestens integriert
Konsternierte Arbeitskollegen, empörte Landsleute, traurige Lehrer, in Tränen aufgelöste Klassenkameraden: Mit völligem Unverständnis reagiert das Umfeld einer seit 15 Jahren in Heidenheim lebenden dreiköpfigen Familie auf deren plötzliche Abschiebung nach Kroatien.
Tatort war die in nächtlicher Ruhe daliegende Clichystraße. Kurz nach 3 Uhr fuhren am gestrigen Donnerstag mehrere Polizeiautos vor, und schon wenig später klingelte es an der Tür der ob dieses unerbetenen Besuches völlig verstörten Familie Macura. Vater und Mutter blieb nur wenig Zeit, um ein paar wenige Sachen zusammenzupacken, dann schon ging es zusammen mit der verängstigten kleinen Tochter in Begleitung mehrerer Polizeibeamter auf eine Reise, die niemand gebucht hatte. Ziel: Kroatien.
In der Umgebung der vor vollendete Tatsachen gestellten Familie verbreitete sich die Nachricht von der Abschiebung wie ein Lauffeuer. Bereits in den frühen Morgenstunden wurde der Arbeitgeber des abgeschobenen Familienvaters von der Überraschungsaktion informiert, hatte wenig später noch kurz Gelegenheit, den zum Objekt staatlicher Ordnungspolitik geratenen Mann über Mobilfunk zu sprechen, bevor dem das Handy abgenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Familie auf der Fahrt nach Ludwigsburg, von wo aus es nach Mitteilung von Predrag Macura – „er war völlig von der Rolle“ – zum Frankfurter Flughafen weiterging.
Stunden später schon waren die drei in Kroatien, von wo aus die beiden Erwachsenen 1992 den Bürgerkriegswirren entflohen waren. Gleich nach der Ankunft in Heidenheim hatte der Mann bei Zoeppritz eine feste Arbeit, die heute 35-jährige Frau eine Putzstelle angenommen, so dass nach Auskunft von Verwandten bis zum letzten Tag ihres jäh beendeten Aufenthalts keinerlei staatlichen Leistungen in Anspruch genommen werden mussten. Die 13-jährige Tochter Stella ist unterm Hellenstein geboren und aufgewachsen, hat hier bis zuletzt die Westschule besucht.
Ungeachtet einer offenbar rundum geglückten Integration stand der Aufenthalt dieser als redlich und unauffällig geltenden Familie unter ausländerrechtlichen Aspekten während der ganzen zurückliegenden Zeit auf völlig unsicheren Beinen. Weil sie über keinen Aufenthaltstitel verfügten, die Einreise nur aus humanitären Gründen gestattet worden war, lebten die lediglich geduldeten Flüchtlinge von einer Genehmigung zur anderen. Wie das für die Abschiebung zuständige Regierungspräsidium Stuttgart gestern auf HZ-Anfrage mitteilte, hatte die in Heidenheim zuständige Ausländerbehörde das RP bereits 2001 wissen lassen, dass eine Rückkehr der aus Kroatien eingereisten Personen grundsätzlich möglich sei, nachdem bereits in den Jahren zuvor beantragte Duldungen abgelehnt worden seien. Als Problem hatte sich offenbar der ungeklärte Status der Mutter, Drazena Macura, dargestellt, nachdem diese über keinen Pass verfügt und sich nach Darstellung des Regierungspräsidiums auch bis zuletzt nicht um ein solches Dokument bemüht hat. Ungeachtet dessen habe das kroatische Innenministerium zugestimmt, dass auch die Frau aufgenommen werde, damit die Familie zusammenbleiben könne. Somit lagen nach RP-Darstellung keine hindernden Gründe mehr vor, die Abschiebung zu verfügen, die bereits im Oktober 2005 für den Fall angekündigt worden sei, dass die Familie die Ausreise nicht freiwillig vornehme.
Der Vollzug dieser Entscheidung führte gestern zu vorübergehend dramatisch anmutenden Ereignissen. Am späteren Vormittag kündigten zwei Brüder der abgeschobenen Frau im Pressehaus und gegenüber der Ausländerbehörde an, sich wenig später auf dem Rathausvorplatz anzuzünden und öffentlich zu verbrennen. Vorsorglich fuhren dort dann neben mehreren Polizeieinsatzfahrzeugen ein Notarztwagen und ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr vor. Tatsächlich wurden die beiden Männer gegen 11.20 Uhr in der Grabenstraße angetroffen und für kurze Zeit in polizeilichen Gewahrsam genommen. Als sie im Zuge eines längeren Gesprächs dann glaubhaft versicherten, aus einer Kurzschlusshandlung heraus agiert zu haben und keine Eigengefährdung mehr vorlag, wurden der 34- und der 37-Jährige wieder auf freien Fuß gesetzt.
Im Umfeld der Familie hat deren zwangsweise Rückführung zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Der Arbeitgeber von Predrag Macura fühlte sich angesichts der Nacht-und-Nebel-Aktion an Ereignisse erinnert, die er unverblümt mit dem Dritten Reich verglich. „Wo sind wir denn?,“ fragt sich Artur Schmid als Geschäftsführer der Firma Zoepptex, für den die Methode „unterste Kategorie“ ist und der sich für diesen Vorgang regelrecht schämt. „Wer das zu verantworten hat, ist kein Mensch“, so das Urteil des Arbeitgebers, der mit Predrag Macura einen angenehmen Menschen und ausgesprochen guten Mitarbeiter verloren und für die getroffene Entscheidung keinerlei Verständnis hat. Auch Predrag Macura selbst habe immer wieder auf die Mitgliedschaft Kroatiens in der EU geblickt und damit eine letztlich gesicherte Existenz in der neuen Heimat verbunden.
Betroffenheit auch in der Westschule, wo die 13-jährige Stella von der Klassenlehrerin als ruhiger, höflicher sowie ordentlicher und zuverlässiger Mensch mit Vorbildfunktion beschrieben wird. Viele der Klassenkameraden seien ob der Ereignisse tief bestürzt, „und auch mir tut's weh“. So tief sitzt der Schock, dass jetzt in der Klasse 6a der Versuch einer Aufarbeitung unternommen werden müsse, indem etwa in Briefen an die betroffene Schülerin die Anteilnahme zum Ausdruck gebracht wird.
Ein letzter Versuch, die bereits in die Wege geleitete Abschiebung doch noch zu verhindern, war gestern Vormittag von dem Ulmer Rechtsanwalt Christoph Käss unternommen worden. Er hatte die nach seiner Darstellung seit 1992 „auf dem Schleudersitz“ sitzende Familie zuletzt vor zwei Jahren vertreten und gestern beim Verwaltungsgericht über einen Eilantrag auf eine einstweilige Untersagung der Abschiebung hinwirken wollen. Die Ablehnung erfolgte noch bevor das Flugzeug in Frankfurt abhob.
Zurück bleiben Empörung und Verzweiflung
Kurzschluss: Verwandte kündigten Selbstverbrennung an – Unverständnis: Familie seit 1992 bestens integriert
Konsternierte Arbeitskollegen, empörte Landsleute, traurige Lehrer, in Tränen aufgelöste Klassenkameraden: Mit völligem Unverständnis reagiert das Umfeld einer seit 15 Jahren in Heidenheim lebenden dreiköpfigen Familie auf deren plötzliche Abschiebung nach Kroatien.
Tatort war die in nächtlicher Ruhe daliegende Clichystraße. Kurz nach 3 Uhr fuhren am gestrigen Donnerstag mehrere Polizeiautos vor, und schon wenig später klingelte es an der Tür der ob dieses unerbetenen Besuches völlig verstörten Familie Macura. Vater und Mutter blieb nur wenig Zeit, um ein paar wenige Sachen zusammenzupacken, dann schon ging es zusammen mit der verängstigten kleinen Tochter in Begleitung mehrerer Polizeibeamter auf eine Reise, die niemand gebucht hatte. Ziel: Kroatien.
In der Umgebung der vor vollendete Tatsachen gestellten Familie verbreitete sich die Nachricht von der Abschiebung wie ein Lauffeuer. Bereits in den frühen Morgenstunden wurde der Arbeitgeber des abgeschobenen Familienvaters von der Überraschungsaktion informiert, hatte wenig später noch kurz Gelegenheit, den zum Objekt staatlicher Ordnungspolitik geratenen Mann über Mobilfunk zu sprechen, bevor dem das Handy abgenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Familie auf der Fahrt nach Ludwigsburg, von wo aus es nach Mitteilung von Predrag Macura – „er war völlig von der Rolle“ – zum Frankfurter Flughafen weiterging.
Stunden später schon waren die drei in Kroatien, von wo aus die beiden Erwachsenen 1992 den Bürgerkriegswirren entflohen waren. Gleich nach der Ankunft in Heidenheim hatte der Mann bei Zoeppritz eine feste Arbeit, die heute 35-jährige Frau eine Putzstelle angenommen, so dass nach Auskunft von Verwandten bis zum letzten Tag ihres jäh beendeten Aufenthalts keinerlei staatlichen Leistungen in Anspruch genommen werden mussten. Die 13-jährige Tochter Stella ist unterm Hellenstein geboren und aufgewachsen, hat hier bis zuletzt die Westschule besucht.
Ungeachtet einer offenbar rundum geglückten Integration stand der Aufenthalt dieser als redlich und unauffällig geltenden Familie unter ausländerrechtlichen Aspekten während der ganzen zurückliegenden Zeit auf völlig unsicheren Beinen. Weil sie über keinen Aufenthaltstitel verfügten, die Einreise nur aus humanitären Gründen gestattet worden war, lebten die lediglich geduldeten Flüchtlinge von einer Genehmigung zur anderen. Wie das für die Abschiebung zuständige Regierungspräsidium Stuttgart gestern auf HZ-Anfrage mitteilte, hatte die in Heidenheim zuständige Ausländerbehörde das RP bereits 2001 wissen lassen, dass eine Rückkehr der aus Kroatien eingereisten Personen grundsätzlich möglich sei, nachdem bereits in den Jahren zuvor beantragte Duldungen abgelehnt worden seien. Als Problem hatte sich offenbar der ungeklärte Status der Mutter, Drazena Macura, dargestellt, nachdem diese über keinen Pass verfügt und sich nach Darstellung des Regierungspräsidiums auch bis zuletzt nicht um ein solches Dokument bemüht hat. Ungeachtet dessen habe das kroatische Innenministerium zugestimmt, dass auch die Frau aufgenommen werde, damit die Familie zusammenbleiben könne. Somit lagen nach RP-Darstellung keine hindernden Gründe mehr vor, die Abschiebung zu verfügen, die bereits im Oktober 2005 für den Fall angekündigt worden sei, dass die Familie die Ausreise nicht freiwillig vornehme.
Der Vollzug dieser Entscheidung führte gestern zu vorübergehend dramatisch anmutenden Ereignissen. Am späteren Vormittag kündigten zwei Brüder der abgeschobenen Frau im Pressehaus und gegenüber der Ausländerbehörde an, sich wenig später auf dem Rathausvorplatz anzuzünden und öffentlich zu verbrennen. Vorsorglich fuhren dort dann neben mehreren Polizeieinsatzfahrzeugen ein Notarztwagen und ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr vor. Tatsächlich wurden die beiden Männer gegen 11.20 Uhr in der Grabenstraße angetroffen und für kurze Zeit in polizeilichen Gewahrsam genommen. Als sie im Zuge eines längeren Gesprächs dann glaubhaft versicherten, aus einer Kurzschlusshandlung heraus agiert zu haben und keine Eigengefährdung mehr vorlag, wurden der 34- und der 37-Jährige wieder auf freien Fuß gesetzt.
Im Umfeld der Familie hat deren zwangsweise Rückführung zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Der Arbeitgeber von Predrag Macura fühlte sich angesichts der Nacht-und-Nebel-Aktion an Ereignisse erinnert, die er unverblümt mit dem Dritten Reich verglich. „Wo sind wir denn?,“ fragt sich Artur Schmid als Geschäftsführer der Firma Zoepptex, für den die Methode „unterste Kategorie“ ist und der sich für diesen Vorgang regelrecht schämt. „Wer das zu verantworten hat, ist kein Mensch“, so das Urteil des Arbeitgebers, der mit Predrag Macura einen angenehmen Menschen und ausgesprochen guten Mitarbeiter verloren und für die getroffene Entscheidung keinerlei Verständnis hat. Auch Predrag Macura selbst habe immer wieder auf die Mitgliedschaft Kroatiens in der EU geblickt und damit eine letztlich gesicherte Existenz in der neuen Heimat verbunden.
Betroffenheit auch in der Westschule, wo die 13-jährige Stella von der Klassenlehrerin als ruhiger, höflicher sowie ordentlicher und zuverlässiger Mensch mit Vorbildfunktion beschrieben wird. Viele der Klassenkameraden seien ob der Ereignisse tief bestürzt, „und auch mir tut's weh“. So tief sitzt der Schock, dass jetzt in der Klasse 6a der Versuch einer Aufarbeitung unternommen werden müsse, indem etwa in Briefen an die betroffene Schülerin die Anteilnahme zum Ausdruck gebracht wird.
Ein letzter Versuch, die bereits in die Wege geleitete Abschiebung doch noch zu verhindern, war gestern Vormittag von dem Ulmer Rechtsanwalt Christoph Käss unternommen worden. Er hatte die nach seiner Darstellung seit 1992 „auf dem Schleudersitz“ sitzende Familie zuletzt vor zwei Jahren vertreten und gestern beim Verwaltungsgericht über einen Eilantrag auf eine einstweilige Untersagung der Abschiebung hinwirken wollen. Die Ablehnung erfolgte noch bevor das Flugzeug in Frankfurt abhob.