Ehemalige Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo müssen nach 13 Jahren Magdeburg verlassen
Seit 2 Uhr sitzt Familie Spahia auf gepackten Koffern
Von Peter Ließmann
Besa Spahia steht in Magdeburg auf einer Brücke. Sie und ihre Familie müssen jetzt Magdeburg verlassen. Vor 13 Jahren waren sie als Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. Foto: Viktoria Kühne
Zwischen 250 und 300 Ausweisungsverfahren werden jährlich in Magdeburg gegen Asylbewerber eingeleitet, davon rund 50 auch per Zwangsabschiebung vollstreckt. Ein Fall davon ist das Verfahren der Familie Spahia aus dem Kosovo, die seit 13 Jahren in Magdeburg lebt.
Magdeburg. Die Situation für Familie Spahia ist dramatisch. Bis heute, 2 Uhr in der Nacht, müssen sie Deutschland Richtung Kosovo verlassen haben, wenn nicht, kann sie zwangsabgeschoben werden. So lautet der Beschluss der Magdeburger Ausländerbehörde.
Das Protokoll einer Abschiebung : Vor 13 Jahren herrschte Krieg auf dem Balkan. Familie Spahia ( Eltern, drei Töchter, zwei Söhne ) ergreift die Flucht aus dem Kosovo und kommt nach Deutschland. Sie bekommen den Status anerkannter Asylbewerber. Man richtet sich ein. Die Kinder gehen zur Schule. Die beiden Söhne treten in einen Sportverein ein, schaffen es sogar mit dem FC-Magdeburg bis in die Fußball-Landesauswahl von Sachsen-Anhalt. Tochter Besa beginnt vor zwei Jahren eine Ausbildung als Altenpflegerin. Die Familie versucht, sich zu integrieren.
2000 dann läuft der Flüchtlings-Status aus. Der Krieg auf dem Balkan ist zu Ende, der Kosovo gilt als befriedet. Der Vater und die älteste Tochter müssen Deutschland verlassen, der Schritt wird ihnen durch ein Übergangsgeld erleichtert. Die vier jüngeren Geschwister und die Mutter dürfen auf Antrag in Deutschland bleiben, sie bekommen eine so genannte " Duldung ". Dann reißt der Kontakt zum Vater ab, er habe wohl eine neue Lebenspartnerin im Kosovo gefunden, berichtet Besa Spahia.
Am 13. Oktober vergangenen Jahres läuft auch die Duldung für Mutter und Kinder aus. Sie bekommen einen Rückführungsbescheid, sollen innerhalb eines halben Jahres in den Kosovo zurückkehren. Die Familie legt Widerspruch ein, der abgelehnt wird. Ein Rechtsanwalt wird eingeschaltet. Der legt beim Verwaltungsgericht Widerspruch gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde ein, der allerdings erfolglos bleibt. Formal habe die Ausländerbehörde rechtskonform gehandelt, auch könne die Familie sich nicht selbst fi nanziell absichern, so die Begründung des Gerichts. Die Härtekommission des Landes, die für solche Fälle zuständig ist, wird angerufen. Sie prüft die Angelegenheit, entscheidet, dass keine besondere Härte eine weitere Duldung der Familie rechtfertigen würde. Die Rechtsmittel sind ausgeschöpft.
Ende Juli bekommt Familie Spahia den Abschiebungsbescheid, bis 17. August 2006, 2 Uhr, müssen sie ausgereist sein, ansonsten wird der Beschluss per Zwangsabschiebung vollstreckt. Das Altenheim, in dem Besa Spahia lernt, Trainer des FCM und Lehrer setzen sich für die Familie bei der Ausländerbehörde ein. Gestern noch beraten OB Lutz Trümper und Beigeordneter Holger Platz über den Fall, Besa Spahia spricht sogar persönlich beim OB, begleitet von ihrer früheren Grundschullehrerin, vor. Lutz Trümper bietet einen Kompromiss an. Die Kinder, die zurzeit eine Berufsausbildung in Magdeburg machen, sollen diese auch zu Ende führen dürfen, alle anderen müssen ausreisen. Besa Spahia geht darauf nicht ein. Sie will lieber mit Mutter und Geschwistern ausreisen, als die Familie noch weiter auseinander reißen zu lassen, erklärt sie gegenüber der Volksstimme.
Auf Volksstimme-Anfrage sagt Beigeordneter Holger Platz, dass die Stadt Magdeburg bei ihrem Beschluss bleiben müsse, da das bundesdeutsche Ausländerrecht keine weiteren Spielräume in diesem Fall mehr zulasse. " Wir haben uns vor allem auch auf das Urteil der Härtekommission verlassen ", so Platz. Und dass das Verwaltungsgericht ebenfalls die Abschiebung der Familie für rechtens erklärt habe, sei für die Entscheidung bedeutend gewesen.
Gestern verabschiedete sich Familie Spahia von ihren Magdeburger Freunden.
Asylbewerber in Magdeburg
2005 lebten in Magdeburg rund 800 anerkannte Asylbewerber (laut statistischem Landesamt). Die Zahl der gestellten Asylanträge ist rückläufig.
Laut Statistik der Stadt Magdeburg wurden im Jahr 2003 292 Anträge gestellt, 2004 waren es nur noch 219. 2004 wurden gegen 345 Asylbewerber Ausweisungen eingeleitet, 62 davon vollzogen. 2005 wurden 254 Ausweisungsverfahren eingeleitet und 52 davon vollzogen.