Israels Reservisten verweigern immer häufiger den Dienst – auch aus politischen Gründen. Zwei ehemalige Soldaten berichten
Es ist ein sonniger Freitag im Spätherbst. An der Strandpromenade von Tel Aviv haben sich Familien zum Picknick niedergelassen, Jogger rennen vorbei, daneben schlendern Passanten in Shorts und T-Shirt. Nichts erinnert hier an den Krieg, an die Schützengräben an Israels Nordgrenze, wo Max Kresch in einer Kampfeinheit diente.
«Als die sechs Geiseln ermordet wurden, war das für mich ein Wendepunkt», sagt der 28-Jährige auf einer Parkbank in Sichtweite des Mittelmeers. Nachdem die Hamas Ende August sechs verschleppte Israeli im Gazastreifen mit Kopfschüssen exekutiert hatte, fasste der junge Mann mit dem gepflegten dunklen Bart den Entschluss, nicht mehr zu dienen.
Kresch ist einer von 130 Reservisten, die im Oktober einen Brief unterschrieben haben, in dem sie öffentlich verkündeten, den Dienst in der israelischen Armee zu verweigern. Ihre Begründung: Der Krieg trage nicht zur Freilassung der Geiseln bei, sondern gefährde deren Leben.
Reservisten, die nicht zum Dienst erscheinen, sind immer noch eine Minderheit. Doch die «refuseniks» werden zahlreicher: Im November berichteten israelische Medien, dass sich nur noch 75 bis 85 Prozent der einberufenen Reservisten zum Dienst meldeten. Nach über einem Jahr Krieg seien viele der eingezogenen Soldaten ausgelaugt und gingen nicht mehr ans Telefon, wenn ihr Offizier sie anrufe. Auf Anfrage wollten die israelischen Streitkräfte die Berichte nicht kommentieren.