Die Macht des Militärs in Nordkorea wächst
Die Macht des Militärs in Nordkorea wächst
"Wir brauchen keine Süßigkeiten, sondern Kugeln"
Bislang feierte sich Nordkoreas kommunstische Partei als wichtigste Institution des Landes. Doch mit dem Wandel Nordkoreas zur Atommacht ändert sich die Tonlage: Nun präsentiert sich die Armee als mächtigste Gruppe. Waffen, so die Devise, sind wichtiger als Ernährung.
Von Martin Fritz, ARD-Hörfunkstudio Tokio
[Bildunterschrift: Erst das Militär, dann die Partei: Nordkoreas Herrscher Kim nimmt die Militärparade in Pjöngjang ab]
Pathos färbte die Stimme des Sprechers im nordkoreanischen Staatsfernsehen beim Bericht über den Aufmarsch Tausender Uniformierter in Pjöngjang. "Führer" Kim Jong Il persönlich nahm die Militärparade ab. Anlass war der 75. Jahrestag der Gründung der Armee, mit über einer Million Soldaten die fünftgrößte der Welt.
Diese Parade bedeutete für Nordkorea eine wichtige politische Zäsur. In der Vergangenheit war das Militär immer zuerst am Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung Mitte April aufmarschiert. Diese Parade wurde dann rund eine Woche später zum Armee-Geburtstag wiederholt.
Diktator zeigt Machtzuwachs
[Bildunterschrift: Mit starmmen Schritt in eine ungewisse Zukunft: Nordkoreas Militär pflegt preußische Tugenden]
Doch in diesem Jahr marschierten die Sicherheitskräfte erstmals nur anlässlich der Armee-Gründung, während die Geburtstagsparade für den "Großen Führer" ausfiel. Das heißt: Kim Jong Il fühlt sich in seiner Macht so sicher, dass er es zum ersten Mal gewagt hat, aus dem politischen Schatten seines Vaters zu treten.
Dazu passend trommelte die Propaganda so laut wie nie zuvor für die von Kim Jong Il erfundene neue Staatsdoktrin "Songun". Danach steht in Nordkorea die Armee an erster Stelle. Die militärische Macht des Landes gehe vor, erklärte etwa die Rodong-Zeitung - egal, wie hart dadurch die Lebensbedingungen für die Nordkoreaner würden. "Wir können ohne Süßigkeiten leben", schrieb das Blatt, "aber nicht ohne Kugeln". Die Losungen auf den Spruchbändern an Straßen und in Fabriken forderten die Bevölkerung dazu auf, dem Vorbild der Armee nachzueifern.
Erst die Armee, dann die Partei
Dagegen tritt die bisherige Staatsdoktrin "Juche", Kim Il Sungs Lehre von der Unabhängigkeit Nordkoreas, kaum noch in Erscheinung. Der jetzige Machthaber wird offiziell "der Große General, Genosse Kim Jong Il" genannt. Zuerst kommt also die Armee, dann die Partei.
[Bildunterschrift: Frauen ans Gewehr: Auch weibliche Bataillone marschierten in Pjöngjang]
Der Quantensprung in seiner Macht gelang Kim Jong Il durch den Atomtest im vergangenen Oktober. Seitdem verkünden die Staatsmedien nahezu täglich, dadurch sei das Land "unbesiegbar" geworden. Dank der Atombombe könne es die USA endlich von einem Angriff abschrecken. Bei der Militärparade erklärte der neu ernannte Chef der Generalstabs, Kim Gyok Sik: "Japan und andere Länder, die den USA dienen, sollten sich der militärischen Stärke der koreanischen Volksarmee bewußt sein und auf unbedachte Aktionen verzichten."
Nicht mehr nur Sohn
Den Aufstieg zur unbesiegbaren Nuklearmacht verkauft Kim Jong Il dem Volk als seine historische Leistung. Bislang beruhte seine Legitimation als Herrscher lediglich darauf, der Sohn des "Großen Führers" zu sein. Jetzt begründet er seinen Machtanspruch damit, dass Nordkorea auf Grund der Atombombe den USA auf Augenhöhe begegnen könne.
[Bildunterschrift: Ein Stadt ganz im Zeichen der Macht: Zur Militärparade verschwindet der Mensch in der Masse ]
Als Zeichen der neuen Stärke ließ der Diktator bei der Militärparade zum ersten Mal seit 15 Jahren mobile Raketenabschussrampen auffahren. Insgesamt wurden 48 Raketen von vier verschiedenen Typen vorgeführt, darunter eine Weiterentwicklung der russischen Scud C, die bis nach Japan fliegen kann. Diese Demonstration seiner Macht dürfte die Zweifel im Westen verstärken, ob Kim Jong Il wirklich jemals auf die Atombombe verzichten kann und will.
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