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Trauernde Mutter in Beslan: HundertLeichen sind nicht identifiziert
MASSENBEERDIGUNGEN
Beslan begräbt seine Toten
Mit einer landesweiten zweitägigen Staatstrauer gedenkt Russland heute der Opfer des Geiseldramas in der Schule von Beslan. In der kleinen Stadt im Kaukasus begannen derweil die Massenbeerdigungen. Etwa hundert Leichen konnten noch immer nicht identifiziert werden. Viele sind bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Beslan/Moskau - "Es gibt nicht eine Familie in Beslan, und leider auch in ganz Ossetien, die nicht einen Toten zu beklagen hat", sagte Bürgermeister Boris Urtajew zu Beginn der Massenbeerdigungen auf dem neuen Friedhof, der eigens nach dem Geiseldrama in der nordossetischen Stadt geschaffen wurde. Die ersten Toten waren am Sonntag bestattet worden.
Von den offiziell 335 Toten des Geiseldramas in Beslan ist fast ein Drittel bislang nicht identifiziert worden. Jene rund hundert Leichen seien zum großen Teil bis zur Unkenntlichkeit entstellt, teilte der Einsatzstab am Montag in Beslan mit. In 60 Fällen könne die Identität nur mit Hilfe einer DNS-Analyse festgestellt werden.
Nach Behördenangaben galten am Vortag noch etwa 190 Opfer der Tragödie als vermisst. Möglicherweise handelt es sich bei vielen von ihnen um noch nicht identifizierte Leichen. In den vergangenen Tagen gab es in Beslan aber auch wiederholt inoffizielle Äußerungen, wonach es deutlich mehr als die offiziell genannten 355 Todesopfer gebe. Insgesamt hielten die Terroristen 1180 Menschen in ihrer Gewalt.
Im Moskauer Kreml kam Präsident Wladimir Putin mit der russischen Regierung zu einer Trauerfeier zusammen. "Mit der Seele und dem Herzen sind wir heute alle dort - in Nordossetien, in Beslan", sagte Putin.
Russische Medien berichteten unter Berufung auf die Aussagen eines Tatverdächtigen, unter den 32 Geiselnehmern sei es am Mittwoch nach dem Überfall auf das Schulgebäude zu einem tödlichen Streit gekommen. Einige der Terroristen hätten von ihrem Anführer verlangt, die Kinder freizulassen. Daraufhin habe jener Anführer einen seiner Gefolgsleute erschossen und die Sprengstoffgürtel am Körper zweier so genannter Schwarzer Witwen fern gezündet.
Das Verhalten der russischen Behörden wurde von Bewohnern Beslans und den Anwohnern massiv kritisiert. Selbst das staatliche Fernsehen sagte, das Ausmaß des Geiseldramas in Nordossetien sei unterschätzt worden. "In solchen Augenblicken braucht die Gesellschaft die Wahrheit", sagte Sergej Briljow, ein Kommentator des Fernsehsenders Rossija. Die Behörden hatten die Zahl der Geiseln zunächst viel zu niedrig beziffert. Erst am Wochenende räumte ein Sprecher ein, es hätten sich mehr als 1100 Menschen in der Gewalt der Extremisten befunden.
Viele Bewohner von Beslan bezweifelten auch die offiziellen Angaben zur Zahl der Opfer. Ebenso in Frage gestellt wurde die Aussage, dass die Geiselnehmer zum Teil aus arabischen und afrikanischen Staaten stammten. Mehrere der befreiten Geiseln sagten, sie hätten die Terroristen für Tschetschenen gehalten. Aslanbek Aslachanow, ein Berater von Putin, hatte zuvor erklärt, die Gruppe sei "vollkommen international" gewesen.