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Serbien: Land ohne Plan
Serbiens neue Regierung wirkt rückwärtsgewandt und kann wegen der Finanzkrise nicht viel gestalten.
In den 90er Jahren waren die Sozialisten, Nationalisten und Extremisten in Serbien für Krieg, internationale Isolation und die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten verantwortlich. Nach dem Sturz ihres Führers Slobodan Milosevic im Jahr 2000 und dessen Tod im Gefängnis des UN-Kriegsverbrechertribunals sechs Jahre später waren sie politisch tot. Und heute? Der neue Regierungschef war einst Pressesprecher des früheren Präsidenten Milosevic. Der neue Präsident war unter Milosevic Vize-Premierminister – und wenn er seinerzeit an seinem Chef etwas auszusetzen hatte, dann höchstens, dass er nicht klar genug für ein großes Serbien eintrat. Die Geheimdienste werden fortan von dem Mann kontrolliert, der die anfangs eher milde Milosevic-Diktatur mit Angriffen gegen Journalisten auf weißrussisches Niveau brachte. Die Geister der Vergangenheit, könnte man meinen, sind also alle wieder in Serbien versammelt.
Aber wer nach Kontinuität in der Politik oder der Ideologie sucht, der irrt. Schon Milosevic und die Mächtigen seiner Ära hatten keinen Plan. Sie haben immer nur reagiert und ihre Hilflosigkeit mit starken Sprüchen bemäntelt. Die Erben werden es genauso machen.
Das ist leider kein Trost. Die Sprüche sind noch nicht wieder so stark wie einst, aber schon jetzt verspricht die neue Regierung in Belgrad viel zu viel. Erstes Ziel des neuen Regierungschefs Ivica Dacic ist die wirtschaftliche Erholung Serbiens. Bei mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit, ständig neuen Entlassungswellen und zurückgehender Wirtschaftsleistung liegt dieses Ziel nahe. Schon im Wahlkampf hat Dacic sich bemüht, dem Namen seiner Sozialistischen Partei wieder einen Sinn zu geben. Niemand solle den Gürtel enger schnallen müssen, hat er dann in seiner Regierungserklärung wiederholt.
Für alle sichtbar gemacht hat Dacic seine Hilflosigkeit mit seinen ersten einschlägigen Amtshandlungen: Erst hat er die Finanz- und Wirtschaftspolitik seinem liberalen Koalitionspartner Mladjan Dinkic überantwortet, einem Mann, der schon seit zwölf Jahren in verschiedenen Funktionen Gelegenheit hatte, seine Ideen umzusetzen. Als Zweites hat Dacic einen "Rat zur wirtschaftlichen Erholung Serbiens" gegründet, der ihm sagen soll, was zu tun ist.
Um die Antwort zu kennen, muss man kein großer Ökonom sein: Serbien braucht dringend Geld, und das kann nur vom Weltwährungsfonds oder von der EU kommen. Beide stellen Bedingungen, die es Dacic unmöglich machen werden, groß Investitionen zu fördern. Ein wenig pokern ist alles, was er tun kann.
Gleich sein erstes Blatt allerdings hat nicht gestochen. Als Dacic seiner Regierung vorige Woche den Zugriff auf die Nationalbank, ihre Politik und ihre Devisen ermöglichte, hob Brüssel sofort warnend den Finger. Sobald Belgrad über seinen EU-Beitritt verhandelt oder Geld will, wird das Thema zurück auf den Tisch kommen. Lenkt das Land nicht ein, hat es eben Pech gehabt. Die EU hat derzeit genug andere Probleme, Serbiens Rettung hat wahrlich keine Priorität. Brüssel will folglich gnädig gestimmt werden; das hinzubekommen wird jedoch nicht einfach.
Berlin und Brüssel
erwarten Ergebnisse
Alles, was mit Außen- und Europapolitik zu tun hat, haben die Sozialisten und ihr stärkerer Partner, die nationalistische Fortschrittspartei, den Liberalen überlassen. Das Außenministerium boten sie sogar der Opposition an, die aber dankend ablehnte. Tatsächlich steckt in dieser Art Arbeitsteilung nur eine Versuchung zum doppelten Spiel: Europa zeigt man die freundliche Seite – und wo es ums Umsetzen geht, sitzen dann die Blockierer. Dass irgendjemand darauf hereinfallen könnte, ist nicht zu erwarten. Berlin und Brüssel erwarten vom Beitrittskandidaten Serbien, dass er Vereinbarungen nicht nur unterschreibt, sondern auch umsetzt. Die Vorgängerregierung unter Boris Tadic konnte immer noch damit drohen, dass Nationalisten und Sozialisten an Macht gewinnen könnten. Mit dieser Drohung konnten sie sich etwas Spielraum verschaffen. Jetzt sind die Nationalisten und die Sozialisten selbst am Ruder.
Noch ein Pfund hatte die Vorgängerregierung unter dem EU-freundlichen Präsidenten Boris Tadic, mit dem sie wuchern konnte: die günstige Rechtsposition Serbiens in der Kosovo-Frage. Aber schon Tadic musste erleben, dass das Pfund am Ende kaum noch etwas wert war. Jetzt hat sein Nachfolger Tomislav Nikolic zum wiederholten Male durchblicken lassen, dass er zu Fortschritten aus der verfahrenen Lage bereit ist – aber ob das ausreicht? Aufhorchen lassen würde Serbien allein noch mit der Bereitschaft, die abtrünnige Provinz völkerrechtlich anzuerkennen.
Hoch pokern ist also die einzige Chance, die diese Regierung hat. Sonst kann sie nur die Karten auf den Tisch legen und sich noch vor Aufnahme der eigentlichen Regierungsgeschäfte zum demütigen Verlierer erklären.
Kommentare: Serbien: Land ohne Plan - badische-zeitung.de
aus rücksicht auf einige serbische user und deren herzschmerz habe mal verzichtet extra einen neuen thread zu eröffnen ;-)