Wenn die Türkei militärisch in den Syrien-Konflikt eingreift, würde dies wohl über Bodentruppen geschehen. Ihre F16-Kampfflugzeuge wären durch die von Russland ausgestattete syrische Luftabwehr verwundbar
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Ankara beansprucht eine führende Rolle beim Militärschlag gegen Syrien. Doch in Wahrheit ist der türkische Spielraum gering, die Risiken eines militärischen Engagements für die Region aber enorm. Von Boris Kálnoky, Istanbul
Es gibt zwei Narrative über den bevorstehenden Militärschlag gegen Syrien. Die eine Version besagt, dass die USA, unterstützt von Frankreich und England, Syrien mit Marschflugkörpern und vielleicht einigen Flugzeugen begrenzt bombardieren werden.
Die andere Version ist die des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu. Da klingt es sehr viel größer und gewaltiger: Eine Koalition von "36 oder 37 Ländern" bilde sich gegen Syrien, und im Rahmen dieser Koalition wolle auch die Türkei ihren Beitrag zum Militärschlag leisten.
Ankara fordert seit zwei Jahren eine internationale Intervention gegen das Assad-Regime, und insofern beansprucht die Türkei für sich, die führende Stimme der Militärschlags-Partei zu sein.
In gewisser Weise gibt der geplante Schlag gegen Syrien Davutoglu ja auch recht: Er kann nun mit einiger Berechtigung sagen, dass der Giftgasangriff bei Damaskus nie erfolgt wäre, wenn man früher auf Ankara gehört hätte und schon im vergangenen Jahr entschiedener gegen Assad aufgetreten wäre.
Vom Gesetz gedeckt
Aber kann, will und darf die Türkei überhaupt etwas gegen Syrien unternehmen? Aus der innertürkischen Sicht gesehen darf sie – es gibt bereits eine Parlamentsentscheidung vom vergangenen Jahr, die einen Einsatz des türkischen Militärs in Syrien erlaubt. Diese Genehmigung gilt noch bis Oktober.
Amerikanische Angriffe gegen Syrien von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik aus sind ebenfalls rechtlich von bestehenden Vereinbarungen gedeckt. Anders wäre es, wenn alliierte Bodentruppen über die Türkei nach Syrien gebracht werden sollten. Dafür wäre ein neuer Parlamentsbeschluss nötig.
Die Opposition macht geltend, dass vor einem Einsatz türkischer Streitkräfte die Brisanz der Lage eine neue Abstimmung im Parlament erfordert. Das wäre heikel: Die Stimmung im Volk ist ganz entschieden gegen eine Intervention.
Auch die Kurden-Partei BDP ist dagegen – weil die syrischen Kurden ihren eigenen Quasi-Staat aufbauen wollen und die türkische Regierung gedroht hat, das werde sie nicht dulden. Aber formal ist eben kein Parlamentsbeschluss notwendig. Bleibt die Frage: Kann und wird die Türkei eigene Kräfte gegen Syrien einsetzen?
Türkische Kampfflugzeuge verlegt
Medienberichten zufolge verlegte die türkische Luftwaffe am Mittwoch 20 zusätzliche F-16-Kampfflugzeuge in den Südosten nach Diyarbakir – wo ohnehin bereits beträchtliche Kräfte stationiert sind, um von dort sowohl gegen die PKK im Nordirak als auch gegen potenzielle Ziele in Syrien vorgehen zu können.
Dabei seien F-16-Jets gar nicht optimal geeignet, gegen die sehr moderne syrische Luftabwehr vorzugehen – das jedenfalls meint Militärexperte Gareth Jenkins. "Zumindest anfangs, wenn die syrische Luftabwehr noch voll einsatzfähig ist, braucht man eher Tarnkappen-Technologie, die die Türkei nicht hat", sagt Jenkins. Er hält es daher für "sehr unwahrscheinlich", dass die Türkei Bodentruppen einsetzt – etwa um Gebiete zu sichern oder gegen syrische Kurden vorzugehen.
Die Eskalation in Syrien birgt erhebliche Risiken für die Türkei. Ganz abgesehen davon, dass die Kriegsatmosphäre schon jetzt die Istanbuler Börse belastet, besteht die Gefahr, dass ein in die Ecke gedrängter Assad Scud-Raketen mit Giftgas gegen türkische Städte einsetzen könnte. Für diesen Fall sind im Südosten des Landes Nato-Raketenabwehrbatterien stationiert, auch aus Deutschland.
Gefahr durch Giftgas
Aber auch die Rebellen besitzen Giftgas, im Mai wurden laut Medienberichten zwei Kilogramm Sarin bei syrischen Freiheitskämpfern in der Türkei gefunden. Niemand kann ausschließen, dass die Rebellen selbst Giftgas in der Türkei einsetzen (und die Schuld auf Assad schieben), um Ankara tiefer in den Krieg hineinzuziehen.
Eine so gut wie gar nicht erwähnte, aber nicht ganz irreale Gefahr ist die sogenannte "türkische Hisbollah", die im Südosten über eine große Anhängerschaft verfügt und einen theokratischen Staat anstrebt. Zu diesem Zweck befürworten sie theoretisch auch den Dschihad – konkret dazu aufgerufen aber hat sie noch nicht, die Führer der Organisation sitzen mutmaßlich in Deutschland und warten den "richtigen Augenblick" noch ab.
Der Iran hat viele Agenten in der Türkei. Eine türkische militärische Beteiligung an einem Angriff gegen Syrien dürfte eine entsprechende iranische Vergeltung nach sich ziehen. Und auch an der kurdischen Front ziehen dunkle Schatten herauf. Gerade erst hat die PKK-Führung der Türkei ein "Ultimatum" bis zum ersten September gestellt: Entweder Ankara lässt politische Gefangene frei und verabschiedet erste ernste Reformen, um den Kurden mehr Rechte zu geben, oder ein seit Monaten andauernder "Rückzug" der PKK aus dem Land würde gestoppt und der Krieg gehe wieder los.
Büchse der Pandora
Im Prinzip haben sich PKK und AKP auf einen Friedensprozess geeinigt, aber zumindest rhetorisch hört es sich derzeit nicht nach Frieden an. Die Regierung sagt, die PKK habe ihr Rückzugsversprechen kaum erfüllt, und die PKK sagt, die Regierung verweigere die versprochenen Gegenleistungen für den Rückzug.
Ein türkischer Militärschlag in Syrien würde eine Büchse der Pandora öffnen. Aber es gibt auch Chancen: Die nach dem ersten Weltkrieg gezogenen Grenzen im Südosten – nicht nur die syrische, sondern auch die irakische Grenze zur Türkei – haben de facto keine Bedeutung mehr. In dieser Region löst sich gerade das Erbe des Ersten Weltkrieges auf.
Das kann zu einem neuem kurdischen Staat führen, oder zu einer größeren Türkei mit entscheidendem Einfluss in ihren einstigen osmanischen Regionen jenseits der modernen türkischen Grenze. Oder eben zu einem neuen kurdischen Gebilde unter türkischer Protektion.
http://m.welt.de/article.do?id=poli...uerkei-will-beim-Kampf-gegen-Assad-dabei-sein
NA DANN HOFFEN WIR MAL DAS WIR UNSERE GRANZEN BALD WIEDER AUSWEITEN UND UNSERE (OSMANISCHEN) GEBIETE WIEDER VERGRÖSSERN KÖNNEN!