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Türkischer Geistlicher: Zwei Drittel der Menschheit ist islamophob

Barut

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Deutsch Türkische Nachrichten
| 26.03.13, 11:04


Der Chef des türkischen Amtes für Religiöse Angelegenheiten ist in Sorge: Rund zwei Drittel der Menschheit, so Mehmet Görmez, hätten mittlerweile Angst vor dem Islam. Schuld daran hätten seiner Ansicht nach die politischen Akteure.

„Islamophobie ist eine Krankheit in den Herzen von zwei Dritteln der Menschheit geworden“, zitiert die türkische Zeitung Hürriyet den Chef des Amtes für Religiöse Angelegenheiten, Mehmet Görmez, während eines Treffens mit religiösen Führern in der westtürkischen Provinz İzmir. Derzeit, so seine Überzeugung, stünde man vor verschiedenen Herausforderungen gegen den Islam.
Die Massenmedien, so Görmez weiter, hätten vor allem die jungen Menschen in ihren Bann gezogen. Die Folge: Nicht nur ihre Sprache habe sich verändert, sondern auch das Verständnis ihrer Leser. „Mit den Definitionen von vor zehn Jahren können wir nicht weitermachen“, gibt er einen Hinweis darauf, dass auch seine Institution sich entwickeln und künftig anders lehren müsse.
10 % der Christen erleiden Nachteile wegen Religion

Seinem Eindruck von einer zunehmenden Islamophobie steht jedoch ein anderer Umstand entgegen. Denn die meistverfolgte Religion weltweit ist derzeit eine andere: Etwa 200 Millionen Christen müssen weltweit Nachteile wegen ihrer Religionszugehörigkeit hinnehmen. Dies sind etwa zehn Prozent aller Christen. Zu diesem Ergebnis kommt Rupert Shortt von der Oxford Universität, der zu dem Thema einen Bericht mit dem Titel „Christianophobia“ vorgelegt hat. Neben Nachteilen im bürgerlichen Leben und Einschränkungen in der Ausübung der Religion müssen Christen demnach vor allem dort auch um Leib und Leben fürchten, wo sie sich inmitten einer muslimischen Mehrheitsgesellschaft finden. Von 20 beanstandeten Ländern sind zwölf solche mit islamischer Mehrheitsbevölkerung. Erstaunlich an der Untersuchung von Shortt ist übrigens die Begründung der westlichen Eliten für die Weigerung, die weltweite Christenverfolgung ernst zu nehmen: Man fürchte, sich dem Vorwurf des „Rassismus“ auszusetzen, wenn man die Christen verteidigt, analysiert der Forscher (mehr hier).
Medien schüren Vorurteile gegen Muslime

Sein Eindruck zum Thema Medien wurde hingegen erst kürzlich in Deutschland bestätigt. So hat der Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) erst Mitte März dieses Jahres die 30-seitige Kurzstudie: „Muslime in der Mehrheitsgesellschaft: Medienbild und Alltagserfahrungen in Deutschland“ veröffentlicht. Das gemeinsam mit der Stiftung Mercantor erarbeitete Ergebnis: Nach wie vor herrscht eine „große Kluft zwischen negativem Medienbild von Zuwanderern und weitgehend positiver Alltagserfahrung in der Einwanderungsgesellschaft“. Bewegen sich die Redaktionsstuben allerdings nicht, könnten negative Einstellungen bald auch auf den Alltag überschwappen (mehr hier).

http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2013/03/472132/tuerkischer-geistlicher-zwei-drittel-der-menschheit-ist-islamophob/



- - - Aktualisiert - - -

Antisemitismus wird geächtet, Islamophobie nicht

Der türkische Jugend- und Sportminister Kılıç und zahlreiche Multiplikatoren aus Medien und Politik erörterten am vergangenen Wochenende Ursachen zunehmender Islamophobie und mögliche Strategien dagegen. (Foto: aa)

Von Deutsch Türkisches Journal | 29.01.2013 11:11
Die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, die am vergangenen Wochenende in Istanbul stattfand, stimmten am Ende darin überein, dass Islamophobie eine neue Form des Rassismus darstellt und man mit ihr auf die gleiche Weise verfahren sollte wie mit dem Antisemitismus. Die Bezeichnung „-phobie“ würde jedoch nicht dem wahren Charakter der Art und Weise gerecht werden, in der Muslime in Teilen des Westens wahrgenommen und dargestellt würden.

Die Teilnehmer des Podiums unter dem Titel „Islamophobie aus dem Blickwinkel junger Journalisten” machten deutlich, dass eher Hass als Angst die Haltung kennzeichneten, die weite Teile der westlichen Medienberichterstattung über den Islam präge.

Die zweitägige Veranstaltung wurde vom türkischen Ministerium für Jugend und Sport organisiert und durch die Maltepe-Universität ausgerichtet. Der türkische Journalistenverband ermöglichte einer größeren Gruppe junger Journalisten und Journalistenschüler die Teilnahme.

Jugend- und Sportminister Suat Kılıç umschrieb die Aufgabe der Veranstaltung mit der Erforschung von Islamophobie, die nicht nur ein Problem der muslimischen Community, sondern ein globales darstellen würde. „Solange Islamophobie nicht als globale Angelegenheit betrachtet wird, wird es kein Ergebnis geben. Indem wir türkische und ausländische Journalisten zusammenbringen, versuchen wir zu zeigen, dass es ein globales Problem ist“, so Kılıç.

Die Veranstaltung sollte aber nicht nur dazu dienen, Negativpropaganda gegen den Islam anzuprangern, sondern auch einen Beitrag leisten zum UN-Projekt der „Allianz der Zivilisationen” (UNAOC).

Islamfeindlichkeit reicht weiter zurück als zum 11. September 2001

Minister Kılıç kündigte an, sein Ministerium würde im kommenden Sommer eine Schiffsreise organisieren, an der 800 Jugendliche aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Ethnien teilnehmen würden. Diese Rundreise unter dem Motto „Wir sitzen alle in einem Boot“ wird von Zwischenstopps in mehreren Ländern des Mittelmeerraumes begleitet werden und ein deutliches Signal gegen Islamfeindlichkeit setzen.

„Islam ist Gerechtigkeit, Recht und Toleranz. Wie könnte der Islam Gewalt oder Terrorismus predigen, wenn er ein Glaubenssystem darstellt, das selbst zur Verteidigung der Rechte von Ameisen ermuntert?“, fragte Kılıç.

Auch der stellvertretende Staatssekretär im Amt des Premierministers, Dr. Ibrahim Kalın (Foto), der für seine akademischen Studien der Geschichte des Islam bekannt ist, legte dar, dass Islamophobie, obwohl der Begriff eher neueren Datums ist und erst 1997 erstmals Großbritannien erreicht hätte, als Phänomen selbst bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. „Wir müssen die Islamophobie als Form des Rassismus begreifen“, so Kalın, „sie ist eine neuere Form desselben.“

Allerdings täten Europäer sich schwer damit, das zuzugeben, gab Kalın mit Blick auf eine Warnung des Präsidenten der Internationalen Krisen-Gruppe (ICC) vor Rassismus aus jüngster Zeit.

Nach Auffassung Kalıns sollte Islamophobie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geächtet werden, so wie dies im Regelfall mit Blick auf Antisemitismus geschehe. Er wies auf Anstrengungen der Regierung in Ankara hin, im Rahmen von Projekten auf eine solche Einstufung hinzuwirken. Im September letzten Jahres machte Ministerpräsident Erdoğan aus Anlass des Hassvideos „Die Unschuld der Muslime“ deutlich, dass die Türkei Antisemitismus als Verbrechen verfolge, während kein einziger westlicher Staat Gesetze gegen Islamophobie hätte. Die türkische Regierung wolle mit einer Gesetzgebung gegen blasphemische und zum Hass aufstachelnde Äußerungen dem Rest der Welt ein Beispiel geben, hatte Erdoğan damals angekündigt.

Zerrbild ersetzt Wirklichkeit

Durch die Geschichte hindurch habe man den Islam als Kultur und Zivilisation im Westen als Bedrohung dargestellt. Noch heute verbreiteten Hollywood-Filme Stereotype, die Muslime mit sexuellen Bezügen oder mit Gewalt in Verbindung bringen würden. Die Darstellungen würden suggerieren, Menschen würden eher aus Begierde denn aus Verstandeserwägungen heraus dem Islam angehören.

Kalın betonte, wir würden in einem Zeitalter leben, in dem nicht zuletzt auch auf Grund der sekundenschnellen weltweiten Kommunikation bestimmte Zerrbilder des Islam kultiviert würden und diese hätten unbewusst die wahren Fakten ersetzt. „Wir erleben eine Vorstellung vom Islam, die die Realität ersetzt hat.“

Auf einer parallel stattfindenden Podium wies Dr. Bülent Keneş, Chefredakteur von „Today’s Zaman“, darauf hin, dass Islamophobie weiter zurückreicht als zum 11. September 2001. Er forderte, dass islamophobe Attacken als Verbrechen geahndet werden sollten. Aufgrund der defensiven Position, in die sich Muslime als Resultat der negativen Rhetorik in westlichen Medien hätten drängen lassen müssen, habe während der letzten beiden Jahrzehnte der Islamhass zugenommen, so Keneş. Der Hass in westlichen Medien sei eine „bewusste Entscheidung“, so Keneş. Vor allem englischsprachige Medien müssten ihre Verantwortung wahrnehmen, da sie einem globalen Publikum zugänglich sind.

Mehdi Hasan von der „Huffington Post UK“ gab unter Verweis auf Schlagzeilenbeispiele zu bedenken, dass britische Medien heute in institutionalisierter Weise islamophob seien. Jerome Taylor, der Redakteur des „Independent“ für Religion, versuchte, diese Darstellung dahingehend abzuschwächen, dass britische Medien nur „vorwiegend“ islamfeindlich wären.

Fatima Manji von Channel 4 News unterschied zwei Formen der Islamophobie in westlichen Medien. Die eine wäre eine offen rassistische Form, die andere eine „orientalistische“, die den Islam als ein „unzivilisiertes“ und „rückständiges“ Anderes auffasse und auf paternalistische Weise versuche, eine Form des Islam zu kreieren, die in einer liberalen Gesellschaft als „akzeptabel“ erscheint.

Teils Denkfaulheit, teils böse Absicht

Auch Dr. Ömer Taşpınar von der Brookings Institution sieht zwei Problembereiche bei der Darstellung des Islam in westlichen Medien. Der eine resultiere aus Denkfaulheit und Bequemlichkeit im Journalismus, die nur die eingehende Recherche scheue. Der andere sei hingegen auf böse Absicht zurückzuführen.

In den Medien werde primär nur wahrgenommen, was dem Stereotyp dienlich wäre. Sie würden die Polarisierung vorantreiben, aber ineffektiv arbeiten, wenn es darum geht, moderate Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Auf diese Weise würde sich Huntingtons Theorie vom „Kampf der Kulturen“ als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen. Man sollte, so Taşpınar, immer dann skeptisch sein, wenn eine Aussage mit „Der Islam ist…“ beginne, um ein vorgefasstes Statement zu vermeiden und stattdessen die unterschiedlichen Facetten und Interpretationen des Islam verdeutlichen zu können.

Auch die Journalistin Hilal Kaplan unterstrich die große Rolle, die Medien spielen, wenn es darum gehe, bei Menschen Angst vor dem Islam zu erzeugen. „Die Medien bemühen sich, Hass gegen den Islam zu schüren.“ 98% der Nachrichten, die sich mit dem Thema zwischen 2000 und 2008 befasst hätten, hätten Muslime als „militant“, „extremistisch“, „radikal“ oder „terroristisch“ dargestellt. Dies würde, so Kaplan, erklären, wie sich Islamophobie unter so vielen Menschen ausbreiten könne, die in ihrem Leben noch nie einen Muslim kennen gelernt hätten und nur auf das angewiesen sind, was sie an Informationen aus dritter Hand bekämen.

http://dtj-online.de/news/detail/1613/antisemitismus_wird_geachtet_islamophobie_nicht.html


In Deutschland sehe ich in erster Linie den Zusammenhang von tabuisiertem Antisemitismus und legitimierter Islamophobie, welche nach dem 11. September 2001 einen großen weltpolitischen Aufschwung erhalten hat, als Nährboden für besagte Formation. Die Islamophobie ersetzt den Antisemitismus, der nun seinerseits in einen unsäglichen Philosemitismus umschlagen darf.
(Moshe Zuckermann)

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ANTISEMITISMUS UND ISLAMFEINDLICHKEIT

Vergleichen heißt nicht gleichsetzen

Darf man Antisemitismus und Islamophobie in einem Atemzug nennen? Der Historiker Wolfgang Benz hat es getan und wurde deswegen schwer angegangen.
https://www.taz.de/!32120/


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ISLAMFEINDLICHKEIT UND ANTISEMITISMUS

Diskursive Analogien und Unterschiede

In welchem Verhältnis stehen Islamfeindlichkeit und Antisemitismus heute zueinander? Lohnt sich ein vergleichender Blick? Ja, auf der Ebene der Diskurse und Stereotype und ihrer Funktion für die Mehrheitsgesellschaft, ist Yasemin Shooman überzeugt.

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© MiG



„Was unseren Vätern der Jud ist für uns die Moslembrut, seid auf der Hut!” Mit diesem Schriftzug schändeten Unbekannte 2009 die Mauer der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Auch wenn eine solche drastische Verknüpfung sicherlich keinen breiteren Diskurs widerspiegelt, wirft sie die Frage auf, in welchem Verhältnis Islamfeindlichkeit und Antisemitismus heute zueinander stehen. Natürlich käme niemand, der seriös argumentiert, auf die Idee, die Verfolgung und Ermordung der Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus mit der Situation von Musliminnen und Muslimen im heutigen Europa zu vergleichen. Aber Antisemitismus manifestiert sich auch unterhalb der Schwelle von Pogrom, Vertreibung und Genozid. Auf der Ebene der Diskurse und Stereotype und ihrer Funktion für die Mehrheitsgesellschaft lohnt sich ein vergleichender Blick durchaus.
Historisch gesehen nahmen Juden und Muslime in der europäischen Wahrnehmung unterschiedliche Positionen ein: Die Argumentationsfigur eines jüdisch-christlichen Abendlandes, die in politischen und medialen Debatten in Abgrenzung zum Islam beschworen wird, ist relativ neu und markiert eine diskursive Verschiebung. Denn seit Jahrhunderten galten die Juden als Europas „Andere“. Muslime wurden dagegen seit dem Mittelalter eher als äußerer Feind wahrgenommen. Erst mit der postkolonialen Migration nach Westeuropa und der Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften durch die Bundesrepublik leben muslimische Minderheiten hier in größerer Zahl und haben die Position des „Anderen“ im Inneren eingenommen.

Der moderne Antisemitismus, wie er im Deutschland des 19. Jahrhunderts entstand, war nicht zuletzt eine Abwehrreaktion gegen die Emanzipation, also die rechtliche Gleichstellung und den sozialen Aufstieg von Angehörigen der jüdischen Minderheit. Auch ein Teil der heutigen Konflikte um den Islam lässt sich durch eine voranschreitende gesellschaftliche Partizipation erklären: Es sind eben nicht Hinterhofmoscheen, die Abwehr hervorrufen, sondern repräsentative Gotteshäuser, die Musliminnen und Muslime als im Stadtbild sichtbare Mitglieder der Gesellschaft ausweisen. Eine weitere Parallele zu den Debatten des 19. Jahrhunderts: Jüdinnen und Juden wurden verdächtigt, sich aufgrund ihrer Religion gegenüber der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen, ihr sogar feindlich gesinnt zu sein und sich einer Integration und der Loyalität zum Staat zu verweigern. Solche Stereotypisierungen finden sich auch in aktuellen Islamdiskursen. In der Wissenschaft wird deshalb die These diskutiert, ob sich die Funktion, die der Antisemitismus bei der Herausbildung von Nationalstaaten im 19. Jahrhundert hatte, mit derjenigen vergleichen lässt, die der kulturelle Rassismus gegenüber Musliminnen und Muslimen im Zuge der europäischen Integration einnimmt. In beiden Fällen handelt es sich um Phasen eines beschleunigten sozialen Wandels, der gewohnte gesellschaftliche Ordnungen zu bedrohen scheint und mit einer verstärkten Grenzziehung zwischen dem Eigenen und dem vermeintlich Fremden einhergeht. Die Anrufung einer „abendländischen“ Identität dient dabei auch der Stabilisierung nationaler Identitätskonstruktionen, wie die in Deutschland immer wieder aufflammende Diskussion um eine „Leitkultur“ demonstriert. Hierbei wird häufig auf die vermeintliche Inkompatibilität des Islams mit der „westlichen Kultur“ abgehoben – eine Annahme, die mit Einstellungsmustern innerhalb der Mehrheitsbevölkerung korrespondiert: Laut repräsentativen Umfragen teilen ca. 39 % der Deutschen die Auffassung „Durch die vielen Muslime fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“.


Dem Überfremdungstopos liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Muslimsein und das Europäisch- bzw. Deutschsein etwas Gegensätzliches und Nicht-zu-Vereinbarendes wären, Musliminnen und Muslime also keine „richtigen“ Europäer und Deutschen sein könnten. Dieses Infragestellen der nationalen Zugehörigkeit, das einer rhetorischen Ausbürgerung gleichkommt, ist ein bekanntes Motiv aus dem Antisemitismus des 19. Jahrhunderts, mit dem deutsche Jüdinnen und Juden bis heute konfrontiert sind. So wurde dem ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, einmal anlässlich des Deutschlandbesuchs des israelischen Staatspräsidenten Weizman zu einer gelungenen Rede „seines“ Präsidenten gratuliert. Mit dem Antisemitismus teilt der antimuslimische Rassismus also, dass seine Objekte sowohl in religiösen als auch in ethnischen Kategorien erfasst und einem transnationalen Kollektiv zugeordnet werden.


Strukturelle Analogien zwischen islam- und judenfeindlichen Diskursen ergeben sich auch durch den argumentativen Rückgriff auf religiöse Schriften. Werden antimuslimische Zuschreibungen heute gerne mit Koranversen untermauert, so finden sich in antisemitischen Pamphleten des 19. Jahrhunderts ähnliche Argumentationsmuster, die auf den Talmud verweisen. Auch die Schlussfolgerungen der Talmud- und Koranhetze lassen sich vergleichen: Juden wie Muslimen wurde bzw. wird unterstellt, sie seien nur ihren Glaubensgenossen gegenüber loyal und zu ihrer religiösen Pflicht gehöre es, ihre nichtjüdische bzw. nichtmuslimische Umwelt zu täuschen. Ein aktuelles Beispiel für diese Verleumdungspraxis findet sich in der Diskussion um die Einführung von islamischem Religionsunterricht in Hessen. Der stellvertretende Vorsitzende der dortigen CDU-Landtagsfraktion und schulpolitische Sprecher, Hans-Jürgen Irmer, lehnt muslimische Verbände als Partner für einen solchen Unterricht ab. Ihnen sei, so Irmer, nicht zu trauen, denn zum „Wesen“ des Islams gehöre die bewusste Täuschung Andersgläubiger.

Antisemitische und islamfeindliche Argumentationsfiguren unterscheiden sich jedoch auch in zentralen Punkten: Während sich der Antisemitismus im 19. Jahrhundert als eine Art antimoderne Klage herausgebildet hat, in der Jüdinnen und Juden gleichermaßen als Vertreter des Kommunismus wie des Kapitalismus, des Feminismus und des Liberalismus erscheinen, wird die Ablehnung von Musliminnen und Muslimen heutzutage häufig mit einer expliziten Verteidigung der Moderne begründet. Hierfür kennzeichnend ist die Instrumentalisierung von Menschenrechten, insbesondere Frauenrechten. Ein weiterer Unterschied ist die Blickrichtung, die den Diskursen inhärent ist: Während, wie die Psychologin Birgit Rommelspacher hervorhebt, der Antisemitismus „eher von ‚Über-Ich Projektionen‘ genährt wird und den Anderen ein Zuviel an Intelligenz, Reichtum und Macht zuschreibt“, dominiert im antimuslimischen Rassismus in der Regel der Blick nach unten. Das Feindbild des Islams als das eines starken militärischen Gegners wurde seit der Zeit des Kolonialismus durch die Vorstellung eines unterlegenen „Orients“ abgelöst, den „der Westen“ zivilisieren müsse.

Solche Wahrnehmungsmuster lassen sich natürlich nicht verabsolutieren. Historisch wurden Juden nicht nur als machtvoll, sondern auch als minderwertig stigmatisiert, z. B. in den Debatten über die sogenannten Ostjuden. Desgleichen lassen sich in heutigen islamfeindlichen Diskursen auch Verschwörungstheorien ausmachen, die Muslime als übermächtig imaginieren und so an antisemitische Topoi erinnern. Unterwanderungsfantasien von einer drohenden Islamisierung Europas, von der z. B. der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik, eine islamfeindliche Internet-Szene sowie rechtspopulistische Gruppierungen in Europa und den USA besessen sind, aktualisieren dabei mittelalterliche und frühneuzeitliche apokalyptische Angstbilder, die sich u. a. im historischen Diskurs über die Türkenkriege ins europäische kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben.

Aus der Tatsache, dass der Antisemitismus in Europa im Völkermord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden kulminierte, resultiert eine gewisse gesellschaftliche Sensibilität. Judenfeindliche Äußerungen unterliegen in der öffentlichen Kommunikation daher Sanktionierungen, die dazu beigetragen haben, die Akzeptanz von Antisemitismus abzubauen. Im Hinblick auf die Stigmatisierung von Musliminnen und Muslimen fehlt bislang ein vergleichbares Problembewusstsein. Dies hat sich zum Beispiel im Umgang mit dem Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann gezeigt, dessen antisemitische Aussagen zu seinem Ausschluss aus der CDU geführt haben, während der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin trotz seiner dezidiert antimuslimischen Thesen in der SPD verbleiben darf.
Es gilt also einerseits, die unterschiedliche Geschichte und Spezifik von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu berücksichtigen, und andererseits, aufmerksam für existente Parallelen zu sein. Dies ist auch vor dem Hintergrund neuerer Studien relevant, die belegen, dass Menschen, die antisemitische Einstellungen zeigen, auch verstärkt antimuslimischen Aussagen zustimmen – und umgekehrt. Es wäre jedoch irreführend, der Islamfeindlichkeit als neu diskutiertem Phänomen nur aufgrund solcher Zusammenhänge Bedeutung zuzumessen. Die Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen kann als eine Form des kulturell argumentierenden Rassismus eingeordnet werden und besitzt als solche eine eigenständige Relevanz.

http://www.migazin.de/2013/01/15/islamfeindlichkeit-und-antisemitismus-diskursive-analogien-und-unterschiede/

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[TD]Antisemitismus und Islamophobie – Neue Feindbilder, alte Muster[/TD]
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von Sabine Schiffer und Constantin Wagner

Der Vergleich von Antisemitismus und Islamophobie beziehungsweise anti-muslimischem Rassismus sorgt immer wieder für öffentliche Aufregung. Ein vorläufiger Höhepunkt war die Debatte um die im Dezember 2008 vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung veranstaltete Konferenz „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“. Diese Aufregung ist gut verständlich und hat ihre Berechtigung dort, wo entweder begründbare Zweifel bestehen, dass die Grauen des eliminatorischen Antisemitismus – der Holocaust – relativiert werden sollen (also auf der moralischen Ebene) und zum anderen dort, wo es gute Gründe dafür gibt, von einem analytischen Missverständnis auszugehen, wenn beide Phänomene in einem Atemzug genannt werden.

Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn behauptet wird, dass MuslimInnen heute in der gleichen Position seien wie Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus. Aber es ist unangebracht, Jüdinnen und Juden sowie MuslimInnen als Betroffene rassistischer Diskurse gegeneinander auszuspielen, diesem real ja vorhandenen Phänomen die Existenz abzusprechen oder alle rassistischen Ausdrucksformen unterhalb der totalen Barbarei abzuqualifizieren.
Vergleichen bedeutet nicht gleichsetzen, das hat mit anderen Micha Brumlik immer wieder betont.

Ganz im Gegenteil: Zu einem Vergleich gehört selbstverständlich immer auch, die Unterschiede herauszuarbeiten. Noch einmal: Natürlich gibt es die Gefahr, dass Antisemitismus und Islamophobie einfach gleichgesetzt werden – was nicht nur ein moralisches, sondern auch ein analytisches Problem darstellen würde. Gleichzeitig zwingt die Wirklichkeit aber Personen, die sich mit rassistischen Welterklärungen beschäftigen und versuchen, diese zu bekämpfen, auf das Phänomen „Islamophobie“ einzugehen. Und warum sollte nicht dort, wo es Parallelen gibt, aus den Erkenntnissen der Antisemitismusforschung gelernt werden?
Im Folgenden werden einige Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet. Dabei erscheint es sinnvoll, immer wieder zwischen analytisch-begrifflicher Ebene und empirischer Ebene zu unterscheiden.

Islamophobie

Es kann keinen Zweifel daran geben, dass empirisch ein Phänomen vorhanden ist, das wir als „Islamophobie“, andere als anti-muslimischen Rassismus und andere wieder als „Islamfeindlichkeit“ zu beschreiben suchen. Es ist kritisiert worden, dass der Begriff „Islamophobie“ auch Gegner islamistischer Bewegungen diffamiert werden. Auch wenn es richtig ist, dass der Begriff instrumentalisiert werden kann, bietet das keinen hinreichenden Grund, ihn nicht weiter zu benutzen. Schließlich wird auch der Begriff „Rassismus“ verschieden definiert und zum Teil höchst problematisch verwendet. Das bedeutet nicht, dass es nicht sinnvoll ist, an ihm festzuhalten und schon gar nicht, das Phänomen dahinter zu negieren.
Wer die häufig als „Islamkritik“ bezeichnete Darstellung von MuslimInnen aus einer anti-rassistischen Perspektive näher betrachtet,[TABLE="width: 100%"]
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[TD]wird ohne Zweifel feststellen, dass der Islam erklärtermaßen als Islam, MuslimInnen als MuslimInnen angegriffen werden. Gleiches gilt für physische Übergriffe. Der Hass gegen Islam und MuslimInnen wird oft dadurch zu legitimieren gesucht, dass argumentiert wird, man habe gar nichts gegen „Ausländer“ im Allgemeinen und sei überdies „proisraelisch“; problematisch erscheinen einzig die MuslimInnen. Das spezifisch islamophobe Ressentiment ist unlängst in einer wachsenden Anzahl antirassistischer[/TD]
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Literatur erforscht worden (siehe z.B. Schiffer 2005; Schiffer/Wagner 2009; Attia 2007, 2009; Schneiders 2009; Benz 2009).Es ist – auch angesichts der enormen Popularität von Blogs wie Politically Incorrect, in denen nichts anderes als rassistische Hetze speziell gegen MuslimInnen praktiziert wird – nicht abzustreiten, dass es einen Rassismus gibt, der vor allem auf (vermeintliche) MuslimInnen abstellt. Die einschlägig bekannten Blogs sind damit nur die Spitze des Eisbergs, die auf einem sehr weit verbreiteten und mit historischer Tiefendimension ausgestattetem anti-muslimischen Ressentiment aufbauen können (Vgl. den Beitrag „Die Darstellung von MuslimInnen in deutschen Medien“ in diesem Dossier).
Auch wenn viele Bilder und Topoi aus dem „Ausländer“-Diskurs und somit aus dem altbekannten Rassismus zu erkennen sind, geht das empirische Phänomen „Islamophobie“ nicht vollständig in der „Rassismus“-Definition auf (falls es überhaupt eine allgemeingültige Definition dieses Begriffs gibt). Das liegt daran, dass Jahrhunderte alte anti-muslimische Anschauungen in den aktuellen Diskurs mit eingehen, diesen ganz entscheidend prägen und er somit um die genannte historische Dimension erweitert wird. Damit erhält anti-muslimischer Rassismus eine Eigenheit, die ihn von anderen Rassismen unterscheidet.
Darüber hinaus gilt es Islamophobie als eine neue Form des Rassismus, als „kultureller Rassismus“, zu bezeichnen. Es wird keine imaginierte „Rasse“, sondern eine als Religionsgemeinschaft konzipierte Gruppe in den Blick genommen. Kulturalistische Zuschreibungen sind besser geeignet, Stimmung zu machen, als der Rekurs auf „rassische“ Merkmale, was auch Auswirkungen auf die Intensität und Art des „nötigen Widerstands“ hat (1).

Antisemitismus

Auch wenn antisemitische Einstellungen im postnationalsozialistischen Deutschland stärker tabuisiert sind als andere Formen von Rassismus, heißt das keineswegs, es gäbe keinen Antisemitismus mehr. Zum einen gibt es die Phänomene, die in der Antisemitismusforschung als „sekundärer Antisemitismus“ und „struktureller Antisemitismus“ beschrieben worden sind.
Als sekundären Antisemitismus versteht man, dass das Ressentiment gegenüber Jüdinnen und Juden außer von fortwirkenden traditionellen[TABLE="width: 100%"]
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[TD]Vorurteilen auch von einem neuen Vorurteilsmotiv genährt wird: Der Vorstellung, Jüdinnen und Juden würden verhindern, dass ein „Schlussstrich“ unter die deutsche Vergangenheit gesetzt würde. Damit äußern sich in „aktualisierter“ Form traditionelle Vorwürfe wie Geldgier oder Machtstreben. Jüdinnen und[/TD]
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Israel190.jpg
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Juden werden – diesmal über die Vergangenheitsbewältigung – wieder als „Störenfriede“ der nationalen Identität ausgemacht.Als strukturell antisemitisch bezeichnet man Vorstellungen, die sich nicht explizit gegen Jüdinnen und Juden richten, aber antisemitischen Weltbildern in Bezug auf Begrifflichkeit und Argumentationsstruktur ähneln. Dazu gehört vor allem die Unterscheidung und Personifizierung von „raffendem“ Finanzkapital gegenüber „schaffendem“ Produktivkapital. Diese Personalisierung und Verkürzung einer marxistischen Gesellschaftskritik stellt eine strukturell antisemitische Argumentation dar, die auch die Ablehnung von Jüdinnen und Juden befördern kann.
Zum anderen gibt es nach wie vor auch explizit antisemitische Äußerungen und Übergriffe. Im Jahre 2008 wurden in Deutschland 1089 antisemitische Straftaten registriert. Zwischen 2000 und 2008 wurden rund 470 Fälle von Schändungen jüdischer Friedhöfe gezählt. Etwa 10 Prozent der Deutschen stimmen antisemitischen Aussagen zu, wie beispielsweise dass der Einfluss der Juden zu groß sei, Juden mehr als andere Menschen mit üblen Tricks arbeiteten und Juden etwas Eigentümliches an sich hätten und nicht so recht zu „uns“ passen würden.

Unterschiedliche Explizitheit der Diffamierung

Auch wenn nicht durchgängig, so ist doch der Tendenz nach festzustellen, dass die Diffamierung von Jüdinnen und Juden seltener explizit und offen geäußert wird. Es existiert ein bundesdeutsches Tabu, ein geschlossenes antisemitisches Weltbild offen zu äußern und Juden als Juden zu attackieren, auch wenn dieses Tabu immer wieder überschritten wird: Der Antisemitismus nach der Shoa ist in Deutschland vor allem ein indirekter Antisemitismus, Formen des sekundären und strukturellen Antisemitismus überwiegen hier. MuslimInnen hingegen werden gegenwärtig so offen diffamiert, wie es wahrscheinlich mit keiner anderen markierten Gruppe öffentlich durchzusetzen wäre.
Hier hilft kein Verweis darauf, dass die Angst vor MuslimInnen – anders als die Angst vor Jüdinnen und Juden – berechtigt sei, indem auf den islamistischen Fundamentalismus hingewiesen wird. Dieses Rekurrieren auf angebliche Fakten ist bereits eine rassistische Argumentation, da hier eine grundlegende rassistische Verallgemeinerung vorgenommen wird: Die Tat von Einzelnen wird über das Merkmal „Religionszugehörigkeit“ erklärt und in einem weiteren Schritt dem Kollektiv der Muslime zugerechnet. Die Bewertung dieses Kollektivs funktioniert über die Zusammenstellung von (negativen) Fakten. Das gleiche Muster ist aus anderen rassistischen Diskursen bekannt – auch und insbesondere aus dem antisemitischen. Am Beispiel des antisemitischen Diskurses kann par excellence nachvollzogen werden, wie über Jahrhunderte hinweg ein scheinbar kohärentes rassistisches System entsteht, das sich immer wieder zu bestätigen scheint.

Parallele Diskursmuster: Verwandte Bilder

Kollektivkonstruktionen, Entmenschlichungen, Missdeutungen religiöser Imperative (Beweisführung durch „Quellenrecherche“) und Verschwörungstheorien sind die Muster, die wir im antisemitischen wie im islamophoben Diskurs finden. Die bisweilen erschreckend deutlichen Parallelen sind bei Analyse von Argumentationsfiguren oder auch Bildern unverkennbar: Zum Teil werden exakt die gleichen Metaphern und Vorstellungen bemüht, mit denen Stimmung gegen Jüdinnen und Juden gemacht wurde und gemacht wird. Dies setzt sich über viele begriffliche Parallelen wie die der „Islamisierung“ und „Judaisierung“/„Verjudung“ fort.
Gerade in Zeiten der Krise lässt sich über die Bestimmung von Subjekten und Gruppen als „Fremde“, die angeblich eine interne und/oder externe Bedrohung darstellen, Identität konstruieren. Während ein klassisches antisemitisches Diskursmotiv bereits im 19. Jahrhundert war, dass sich „die Juden“ mit „ihrem Volk“ – und nicht mit dem Land, deren Staatsbürger sie waren – identifizierten, findet man ein ähnliches Motiv bei den Reden von „muslimischen Parallelgesellschaften“. Dies geht so weit, dass die eindeutig antisemitische Metapher vom „Staat im Staat“ reaktiviert wird – diesmal in Bezug auf MuslimInnen. Die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft wird so zu einer totalen Zugehörigkeit, so als ob das „Muslim(a)-Sein“ von MuslimInnen über sämtliche ihrer Handlungen und Einstellungen entscheiden würde.

Unterschiedliche Funktionen rassistischer Weltbilder

Trotz der Gemeinsamkeiten bei Argumentation und Argumentationsfiguren ergibt sich auf begrifflich-analytischer Ebene ein Unterschied bezüglich der inneren Logik der Phänomene „Antisemitismus“ und „Islamophobie“.
Sowohl Jüdinnen und Juden als auch MuslimInnen werden in historischer Tradition als Gefahr für das „christliche Abendland“ wahrgenommen – allerdings auf unterschiedliche Art und Weise: Die „Türken vor Wien“ (auf diese im kollektiven Gedächtnis erinnerte Situation wurde und wird gerne sowohl in Bezug auf die Einwanderung von MuslimInnen als auch in Bezug auf die sogenannte „Islamisierung“ verwiesen) oder die Mauren in Spanien waren immer die „Fremden“ im Sinne eines „Äußeren“. Man konnte und musste sich ihnen entgegenstellen und sie vertreiben. Damit stellen sie die für den Rassismus klassische Form des Fremden dar: der äußere, sichtbare Feind. Jüdinnen und Juden hingegen wurden vor allem als „innerer“ Feind imaginiert; der moderne Antisemitismus sah sich einem „unsichtbaren“, weil assimilierten Feind gegenüber. Damit gingen Vorstellungen von inneren ZersetzerInnen einher, die nicht vertrieben, sondern vernichtet werden müssen. So richteten sich etwa die Kreuzzüge gegen einen tatsächlichen und/oder imaginierten äußeren Feind, während der Antijudaismus und der Antisemitismus sich nach innen richteten: Insofern steht der Antisemitismus in einer anderen historischen Kontinuität als die Islamophobie.
Weiter ist zu nennen, dass man sich MuslimInnen gegenüber tendenziell überlegen fühlt, während im Antisemitismus tendenziell von der eigenen Unterlegenheit ausgegangen wird. So galten Jüdinnen und Juden auch immer als die VertreterInnen der Moderne, sei es in der Form des Liberalismus, des Kapitalismus oder des Kommunismus, während MuslimInnen als Verkörperung von „Rückständigkeit“ verstanden werden. Auch hier zeigt sich, dass sowohl MuslimInnen als auch Jüdinnen und Juden als Gegenbild zum eigenen Ideal verstanden werden – allerdings auf unterschiedliche Art und Weise.
Ferner gibt es Unterschiede in Bezug auf den Welterklärungsanspruch. Nicht einen Teil der Realität (wie andere rassistische Diskurse), sondern die ganze Welt beansprucht der antisemitische Diskurs zu erklären. So kann „der Jude“ als Drahtzieher hinter beinahe jedem Übel ausgemacht werden: Kapitalismus und Kommunismus, Washington und Moskau, Gottlosigkeit und frommster Glauben. Der Antisemitismus ist ein totaler, universeller Erklärungsversuch.
Es ist wichtig, diese Unterschiede zu verstehen, wenn man das jeweilige Phänomen analysieren und bekämpfen will. Die Trennung zwischen den Ressentiments gegen die Unterlegenen einerseits und die als omnipotent Imaginierten andererseits, zwischen dem inneren und dem äußeren Feind, ist aber auf die analytisch-begriffliche Ebene bezogen: In der (rassistischen) Realität findet sich diese Eindeutigkeit nicht immer so wieder.

Verschiebungen

Auch wenn diese analytische Unterscheidung der Tendenz nach immer noch gültig ist, ergeben sich in jüngster Zeit auf empirischer Ebene Verschiebungen, die es immer nötiger machen, die Erkenntnisse der Antisemitismusforschung auch zur Analyse von Islamophobie nutzbar zu machen.
Neben dem äußeren Feind, den MuslimInnen gemäß der rassistischen Wahrnehmung schon lange darstellen, werden sie diskursiv immer mehr auch zum „inneren“ Feind gemacht, deren deutlichste Verkörperung – auch heute noch – in der Figur des „Juden“ zu finden ist. Dies geschieht beispielsweise über die Behandlung von Islamismus als Phänomen der inneren Sicherheit. MuslimInnen sind in wachsender Zahl Staatsbürger der Bundesrepublik und damit keine „Ausländer“, keine „äußeren Feinde“ mehr. Auch der „Verstellungsvorwurf“ trifft immer mehr MuslimInnen – und gerade solche, die sich aktiv in der Zivilgesellschaft oder im Berufsleben einbringen wollen. Ihnen wird eine Loyalität zur „eigenen Gruppe“, die sich über die Religionszugehörigkeit ergibt, unterstellt. Damit wird das klassische Schema durchbrochen und MuslimInnen avancieren in der wahnhaften Vorstellung zum „inneren Feind“.
Auch die Vorstellung von einer Überlegenheit und Privilegierung der „Anderen“ wird immer häufiger auf MuslimInnen angewandt. Die Debatten über „Sonderrechte“ – sei es in Bezug auf das Recht, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, sei es in Bezug auf die Teilnahme am Schulunterricht – reißen nicht ab. Es gibt die sowohl in populären Debatten als auch einer Reihe von Publikationen geäußerte Vorstellung, mit potenter finanzieller Unterstützung aus dem „Nahen Osten“ würde Deutschland „islamisiert“ und Grundstücke gekauft, Moscheen gebaut und Medien beeinflusst werden.
Islamophobe Verschwörungstheorien haben, etwa in den einschlägigen Internet-Blogs, Hochkonjunktur. Diese Verschwörungstheorien haben durchaus den Anspruch, verschiedene politische Entwicklungen und nicht nur einzelne Phänomene der Wirklichkeit zu erklären. Während ein geschlossen antisemitisches Weltbild mit Welterklärungsanspruch auftritt, ergibt sich hier die Tendenz, immer mehr Fakten der sozialen Welt mit dem Verweis auf die Religionszugehörigkeit von MuslimInnen zu erklären. So erscheinen alle möglichen Probleme – von Jugendgewalt bis zur Homophobie – unter Rückgriff auf „den Islam“ erklärbar.
Aus diesen Übernahmen und Verschiebungen muss sich die Forderung ergeben, anzuerkennen, dass prinzipiell auch andere markierte Gruppen in die historisch vor allem den Juden zugeschriebene Rolle fallen können: als gedachtes Element der Negation, das gesunde Kollektive zerstört. Hierfür bedarf es zunächst einer Gruppe, die als solche „markiert“ wird. Heute beobachten wir eine zunehmend intensivere Wahrnehmung von tatsächlichen oder scheinbaren MuslimInnen „als MuslimInnen“. Sowohl politisch rechts zu verortende Konzepte wie der Ethnopluralismus als auch der eher links zu verortende Multikulturalismus samt Anhängsel wie der interkulturellen Pädagogik reproduzieren hierbei häufig diese Fremdgruppenzuschreibung und das Othering einer (religiös) markierten Gruppe. Bereits diese Markierungspraxis muss als rassistische Denkweise verstanden werden, die die weiteren Schritte der Zuweisung negativer Eigenschaften und der Diffamierung und Diskriminierung nach sich zieht. Gewalt beginnt bereits mit dem Stereotyp, nicht erst mit der physischen Aktion.

Fazit

Antisemitismus und Islamophobie unterscheiden sich im postnationalsozialistischen Deutschland unter anderem durch ihre Explizitheit. Sie haben „traditionell“ andere – man könnte vielleicht sagen: komplementäre – Funktionen. Insofern ist es wichtig, die Unterschiede des Funktionierens von Antisemitismus und Islamophobie auf analytischer Ebene herauszuarbeiten, auch um Verschiebungen und Übernahmen festzustellen. Beide Phänomene sind empirisch vorhanden und haben eine Funktion in der rassistischen – der falschen – Erklärung der Welt.
Es ist offenkundig schwachsinnig, zu behaupten, heute liege in Bezug auf MuslimInnen die gleiche Situation vor wie für Jüdinnen und Juden „früher“. Es kann bei einem Vergleich von Antisemitismus und Islamophobie nicht um eine Relativierung des Holocausts gehen, sondern darum, rassistische Mechanismen zu erkennen, bevor es auch nur ansatzweise zu einer vergleichbaren Situation kommt. Dass der Holocaust, obwohl historisch singulär, prinzipiell wiederholbar ist, stellt keine neue These in der Antisemitismus- und Shoa-Forschung dar. Dass prinzipiell von einer Wiederholbarkeit der totalen Katastrophe ausgegangen werden muss, ist getrennt davon zu behandeln, dass die Shoa ein historisch singuläres Phänomen ist und historisch konkret Opfer und Täter benannt werden können. Aber: Erinnern allein reicht nicht, auch weil wir aus heutiger Perspektive wissen, dass die Vernichtung der Juden im Dritten Reich ohne einen Jahrzehnte langen und Jahrhunderte alten vorbereitenden antisemitischen Diskurs nicht geschehen hätte können. Ausgehend von dem Imperativ der Geschichte, rassistische Diskurse zu dekonstruieren, bevor es zu spät ist, muss ein rassistischer Diskurs, der gesellschaftlich äußerst dominant zu werden droht, als solcher entlarvt werden. Dies auch, indem – bisweilen erschreckende – Parallelen zum antisemitischen Diskurses aufgezeigt und analysiert werden. Während es nach wie vor antisemitische Erklärungsmuster und Ressentiments gibt, erhalten islamfeindliche Stimmen immer größeren Einfluss in der Öffentlichkeit.
Der Verdienst der Antisemitismusforschung, Judentum und Antisemitismus getrennt voneinander zu verhandeln, muss auch auf andere Rassismen wie die Islamophobie übertragen werden. Voraussetzung hierfür ist es, zu verstehen, dass die Vorstellungen und Bilder über eine „Fremdgruppe“ mehr über die sie produzierende Gruppe und ihre Verfasstheit als über die als Outgroup markierte Gruppe aussagen.
April 2010
Endnote
(1)Die Zuschreibung der Zugehörigkeit zu einer als ‚Rasse‘ imaginierten Gruppe kann man – selbst theoretisch – nicht loswerden: die rassistisch-biologistische Problemkonzeption erfordert in äußerster Konsequenz eine biologistische Lösung: die physische Vernichtung. Die Zuschreibung der Zugehörigkeit aufgrund kulturalistischer Konzepte lässt zumindest theoretisch die Chance zu, ‚auszusteigen‘. Anders als in der antisemitischen Projektion konstruieren Islamfeinde ‚die Muslime‘ nicht als vermeintliche ‚Blutsgemeinschaft‘ oder ‚Rasse‘ und macht diese Rassenzughörigkeit für die negativen Eigenschaften verantwortlich – dies aber ist ein wesentliches Element des eliminatorischen Antisemitismus. Anders als in der antisemitischen Ideologie besteht für Muslime also zumindest theoretisch die Möglichkeit, sich von bestimmten Phänomenen zu ‚distanzieren‘. Allerdings wird dies zunehmend in Frage gestellt. Wenn auch Kriege nach außen und diskriminierende Praxen nach innen über islamophobe Diskursmuster gerechtfertigt werden, die antisemitischen Metaphern bisweilen erschreckend ähneln, ist die vollständige physische Vernichtung der Muslime nicht das Ziel der Islamfeinde; zumal ‚der Islam‘ hauptsächlich als äußerer Feind wahrgenommen wird (s.u.).

Literatur

  • Attia, Iman (Hg.) (2007): Orient- und Islambilder: Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischen Rassismus. Münster.
  • Attia, Iman (2009): Die »westliche Kultur« und ihr Anderes: Zur Dekonstruktion von Orientalismus und antimuslimischem Rassismus. Bielefeld.
  • Benz, Wolfgang (Hg.) (2009): Islamfeindschaft und ihr Kontext: Dokumentation der Konferenz Feindbild Muslim Feindbild Jude. Berlin.
  • Brodkorb, Mathias (2010): „Die kritische Theorie frisst ihre Kinder“ , in: endstation-rechts.de
  • Brumlik, Micha (2009): Vergleichen heißt nicht gleichsetzen. in: taz.de
  • Schiffer, Sabine (2005): Die Darstellung des Islams in der Presse: Sprache, Bilder, Suggestionen. Eine Auswahl von Techniken und Beispielen. Würzburg.
  • Schiffer, Sabine / Wagner, Constantin (2009): Antisemitismus und Islamophobie. Ein Vergleich. Wassertrüdingen.
  • Schneiders, Thorsten Gerald (Hg.) (2009): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Wiesbaden.
  • Sokolowsky, Kay (2009): Feindbild Moslem. Berlin.

http://www.migration-boell.de/web/diversity/48_2528.asp
 
Zuletzt bearbeitet:
2/3 ist übertrieben. Islamophobie entsteht nicht einfach durch Hollywoodfilme
Der islamische Exportschlager Nummer 1 ist nun mal leider Gewalt (bei einer Minderheit der Muslime) gefolgt von Überheblichkeit Nicht-Muslimen gegenüber. Stichwort: Christen in der Türkei beispielsweise.
 
PROF. KLAUS J. BADE

“Umgang mit Islam und Integration ist an einem kritischen Punkt angelangt”

"Es kommt darauf an, klar zu machen, daß der Islam mit dem Islamismus ungefähr so viel zu tun hat wie die Katholische Kirche mit der Pädophilie von einzelnen Priestern oder dem Bombenterror der IRA.”



Der renommierte Wissenschaftler Prof. Klaus J. Bade sieht den Umgang mit dem Thema Islam und Integration an einem kritischen Punkt angelangt. Sollte sich nichts ändern, könnte Deutschland am Beginn einer rechtsterroristischen Epoche mit entsetzlichem Erinnerungswert stehen.

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Prof. Dr. Klaus J. Bade, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration © David Ausserhofer, MiG
Im politischen Deutschland gibt es nur selten parteiübergreifenden Konsens. Gerade wenn es um Integrations- und Migrationsthemen geht, scheiden sich die Geister. Nicht so, wenn Klaus J. Bade mitmischt. Zwar hat er nicht immer Beifall geerntet, dies war aber nicht selten dem Umstand verschuldet, dass er seiner Zeit voraus war. Nur eins ist sicher: auf den Weichen, die er gestellt hat, sind am Ende alle gefahren.
Das war der Tenor auch bei seiner Verabschiedung als Chef des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), dessen ideeller Anstifter, Konzeptgeber und Gründungsvorsitzender er war. Von Cem Özdemir als Parteivorsitzendem der Grünen und Aydan Özoğuz als stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD über die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) bis hin zu den beiden kritischen Multikulturalisten bzw. konservativen Republikanern in der CDU, Heiner Geissler und Dieter Oberndörfer – von allen höchste Anerkennung quer durch die Parteienlandschaft für den parteilosen Politikberater. Dokumentiert in der jetzt erschienenen Festschrift zu seiner Verabschiedung.
Bade bleibt aktiv und warnt
Besonders erfreulich ist daher, dass Bade die Ankündigung in seinem kleinen politischen Testament zum Abschied vom SVR wahr gemacht hat, aktiv zu bleiben an der „schmutzigen Front“ gegen Kulturrassismus, Islamfeindlichkeit und damit gegen die von ihm so genannte „negative Integration“ im Sinne der Selbstvergewisserung der Mehrheit durch ihre Abgrenzung von Minderheiten, hierzulande vor allem vom Islam und zunehmend auch von Muslimen. Im Frühjahr soll sein neues Buch „Von der Kritik zur Gewalt: Sarrazin-Debatte, ‚Islamkritik‘ und rechter Terror in Deutschland“ im Schöningh-Verlag erscheinen.

Bade dazu: „Unser Umgang mit dem Thema Islam und Integration ist an einem kritischen Punkt angelangt. Jetzt muss sich zeigen, ob der Schock der NSU-Verbrechen einen verantwortlichen Diskussions- und Lernprozess einleitet oder ob das demagogische Spiel mit gefährlichen Vorurteilen weitergeht. Sonst könnte Deutschland am Beginn einer rechtsterroristischen Epoche mit entsetzlichem Erinnerungswert stehen.“ (es)
 
Islamophobia Watch

Documenting anti Muslim bigotry

Islamophobia Watch - Documenting anti Muslim bigotry


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Pariser jüdischer Kongress: Juden und Muslime vereint gegen “Islamophobie”

Muslime und Juden warnen Europa: Es ist nicht hinzunehmen, dass die rechts-extremistischen Parteien zu Mainstream werden
Muslims, Jews warn Europe: Mainstreaming of far-right parties is unacceptable
Prominente islamische und jüdische Führer aus Europa versammelten sich in Paris und beschlossen, gemeinsam gegen das Aufkommen des rechtsextremistischen xenophobe und rassistische Parteien vorzugehen, die eine wachsende Gefahr für die ethischen und religiösen Minderheiten (sprich mohammedanische Zuwanderer, wie Türken, Araber u. ä.) bedeuten, darunter auch Juden und Moslems.

Prominent Muslim and Jewish leaders from across Europe gathered in Paris have pledged to stand together against the rise of far-right xenophobic and racist parties that represent an escalating peril to ethnic and religious minorities across Europe, including Jews and Muslims.


Indem sie feststellten, dass man nie erlauben dürfe, dass "Islamophobie, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus salonfähig werden", äußerten die Führer ihr Besorgnis über die Aussagen der europäischen Staatsoberhäuptern wie Sarkozy, Merkel und Cameron, dass der Multikulturalismus gescheitert ist.

Contending that “Islamophobia, anti-Semitism, xenophobia and racism must never be allowed to become respectable,” the leaders expressed disquiet over recent pronouncements by European statesmen including President Sarkozy of France, Chancellor Merkel of Germany and Prime Minister Cameron of Britain, characterizing multiculturalism as a failure

http://islamineurope.blogspot.de/2011/03/muslims-jews-warn-europe-mainstreaming.html



 
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