Massaker nach Kriegsende
In einem in Slowenien gefundenen Massengrab liegen tausende Leichname - sie fielen dem „Kampf gegen Glaube und Kirche“ des kommunistischen Regimes zum Opfer. Die Verbrechen der Jahre nach 1945 reißen bis heute tiefe Wunden. Von Karl-Peter Schwarz.
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16. Oktober 2007
Der erste Überfall geschah im Schutze der Dunkelheit, als der Zug in einen Tunnel einfuhr. Die Tatwaffe war Karbolineum, eine ätzende Flüssigkeit, die in Obstgärten zur Schädlingsbekämpfung verwendet wird. Der „Schädling“, der auf diese Weise bekämpft werden sollte, war der katholische Bischof Anton Vovk, Administrator des Bistums Laibach (Ljubljana), der sich auf den Weg zur einer Orgelweihe gemacht hatte. Als er in Novo Mesto (Rudolfswerth) den Zug verließ, wurde er von einer wütenden Menge beschimpft und geschlagen. Man zwang ihn zurück ins Abteil.
Dort wurde er weiter bedrängt. Einer begoss ihn mit Benzin und zündete ein Streichholz an. Der schwer verletzte Vovk konnte sich von seinem Mantel befreien. Man brachte ihn in den Wartesaal, wo er auf einen Tisch gestellt und abermals bedroht, verspottet und beschimpft wurde. Ein Arzt rief einen Krankenwagen, aber die Menge hinderte ihn daran, den Bischof ins Spital zu bringen. Schließlich kehrte Vovk im gleichen Zug nach Laibach zurück. Im Dom kniete er sich vor dem Altar nieder. Jeder in der Stadt erfuhr, was ihm geschehen war.
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„Kampf gegen Glauben und Kirche“
Das war am 20. Januar 1952. Tito hatte mit Stalin gebrochen und der Westen sah ihm dafür großzügig die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Jugoslawien nach. Diesmal aber war die Udba, die kommunistische Gestapo, zu weit gegangen. Es gab internationale Proteste, ein Täter musste symbolisch geopfert werden. Der Mann, der den Bischof mit Benzin überschüttet hatte, wurde vor Gericht gestellt und wegen „leichter Körperverletzung“ zu zehn Tagen Haft verurteilt.
Im Laibacher Museum für Zeitgeschichte dokumentiert eine außergewöhnliche Ausstellung den „Kampf gegen Glauben und Kirche“, den das kommunistische Regime in Slowenien von 1945 bis 1961 führte – brutaler als irgendwo sonst im restlichen Jugoslawien. Von den rund tausend Priestern des Landes wurde jeder zweite vor Gericht gestellt. Neun wurden zum Tode verurteilt, an vier Priestern wurde das Urteil vollstreckt. Zwölf Militärgeistliche wurden ohne Verfahren erschossen. Der Klerus wurde unterwandert und durch den regimefreundlichen Cyrill-Method-Verein (CMD) gespalten, dessen Mitglieder zahlreiche Privilegien erhielten.
Slowenien ist ein unversöhntes Land
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Eine absurde antiklerikale Propaganda warf der Kirche vor, gemeinsame Sache mit den Faschisten und mit der Kominform zu machen, es gab Sonderprozesse gegen die Orden der Franziskaner, der Jesuiten und andere. Warum entlud sich der Hass der jugoslawischen Kommunisten gegen die Kirche gerade in Slowenien? Sie habe darauf, sagt die Historikerin Tamara Griesser-Pear, Autorin zahlreicher Bücher über die kommunistische Repression in ihrem Heimatland und Kuratorin der Ausstellung, eigentlich noch immer keine befriedigende Antwort gefunden. Selbst am Höhepunkt des Terrors in den frühen fünfziger Jahren bekannten sich noch mehr als 80 Prozent der Slowenen zum Katholizismus. Slowenien ist ein unversöhntes Land. Der Anteil der Katholiken ist seit der Unabhängigkeit im Jahre 1991 von 71 auf 58 Prozent zurückgegangen und der Anteil der Nichtgläubigen und religiös Indifferenten nimmt kontinuierlich zu. Doch immer noch formieren sich an der Haltung zur Religion die politischen Lager, entzünden sich heftige Kontroversen an anderswo längst gelösten Themen wie dem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen.
Besonders deutlich wird das an der Geschichte eines Kreuzes, dessen verbogene Teile in der Vorhalle der Ausstellung zu sehen sind. Es wurde 1934 auf der Škrlatica, einem der höchsten Gipfel der Julischen Alpen, für „alle Opfer der Berge“ errichtet. Im August 1945 wurde es in den Abgrund gestürzt. Teile davon wurden geborgen und 1969 wieder zu einem Gipfelkreuz zusammengefügt, das kurz danach zum zweiten Mal zerstört wurde. Als es 1996 noch einmal aufgestellt wurde, polemisierte die slowenische Linke heftig gegen diese „Verletzung“ des Prinzips der Trennung von Kirche und Staat. Zum dritten Mal endete das Kreuz daraufhin im Abgrund. Gewiss haben Reformation und Gegenreformation, Laizismus und Klerikalismus in Slowenien tiefe Spuren hinterlassen. Die Heftigkeit der Kontroversen aber, die sich an religiösen Symbolen festmachen, hat ihren Grund aber wohl darin, dass die Nation den blutigen Bürgerkrieg nicht bewältigt hat, der während des Zweiten Weltkriegs im von deutschen, italienischen und ungarischen Besatzern dreigeteilten Slowenien stattfand.
Von Todesschwadronen niedergemäht
Titos kommunistische Partisanen hatten den Widerstand monopolisiert und kämpften gegen alle, die sich ihnen nicht bedingungslos unterordneten. Katholische und konservative Kreise fürchteten den Sieg der Kommunisten mehr als die Besatzungsmächte, von denen sie annahmen, dass sie das Land ohnehin früher oder später verlassen müssten. Am Ende rechnete Tito, damals noch Stalins Lieblingsschüler, mit allen ab, von denen er glaubte, sie könnten sich ihm in den Weg stellen. In diesem Sommer wurde in einem südlichen Vorort von Maribor (Marburg), der zweitgrößten Stadt Sloweniens, damit begonnen, einen zugeschütteten Panzergraben aus dem Zweiten Weltkrieg auszuheben. Es war seit langem bekannt, dass sich in dem Wäldchen von Tezno ein Massengrab befindet.
1999 wurde beim Bau der Südumfahrung der Stadt ein Teil eines Panzergrabens geöffnet, in dem 1179 Leichname geborgen wurden – vorwiegend kroatische, serbische und montenegrinische Soldaten, die von den kommunistischen Todesschwadronen mit Maschinengewehren niedergemäht und verscharrt wurden, aber auch deutsche Soldaten und Angehörige der deutschen Minderheit sowie zivile Opfer der politischen Säuberungen in Kroatien und Slowenien. Die Autobahngesellschaft drängte darauf, die Straßenbauarbeiten fortsetzen zu können und die Regierung in Laibach, die damals noch von den Linksparteien gestellt wurde, hatte dagegen keinerlei Einwände, obwohl es als sehr wahrscheinlich galt, dass sich in dem Panzergraben, der eineinhalb Kilometer lang und etwa vier Meter breit ist, noch Tausende Leichname befinden.
Wochenlange Massenexekutionen
Die nun vorgenommenen Untersuchungen ergaben, dass dort mindestens 15.000, möglicherweise mehr als 20.000 Leichname liegen. Der Panzergraben eignete sich für Massentötungen, es reichte, Kriegsgefangene und Zivilisten dort aufzustellen, sie mit einem Maschinengewehr niederzumähen und die Leichname zuzuschütten. Seit die vom slowenischen Historiker Mitja Ferenc geleiteten Untersuchungen bekannt sind, melden sich immer mehr Zeitzeugen, die zu den Ereignissen im Mai 1945 aussagen.
Wochenlang hätten die Exekutionen gedauert, in Lastwagen seien die Opfer hergebracht und erschossen worden. An vielen Knochen hängen noch die Drähte, mit denen die Gefangenen gefesselt worden waren. Anfang September hat die konservative Regierung in Laibach entschieden, am Massengrab von Marburg eine Gedenkstätte einzurichten. In Srebrenica, so hieß es bisher, habe sich das größte Massaker seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ereignet. Titos Verbrechen aber waren noch weit größer als die von Miloševi, Mladi und Karadži zu verantwortenden Greuel.
Mehr Tote als beim Massaker von Srebrenica
Bereits im November 1944 wurden die Amerikaner in Rom über die Todeslisten der Partisanen in Slowenien informiert. Sofort nach dem Rückzug der Deutschen sollten 15.000 potentielle Regimegegner aus Laibach, 50.000 aus Triest und 41.000 aus anderen Teilen des Landes liquidiert werden. Bisher wurden in dem kleinen Slowenien 540 Massengräber entdeckt. Allein im Panzergraben von Marburg liegen mehr als doppelt so viele Menschen als in Srebrenica begraben, unter ihnen vermutlich Tausende Flüchtlinge, die die Briten in Bleiburg (Kärnten) den Partisanen ausgeliefert hatten. In zugeschütteten Bombentrichtern im Süden der Stadt sowie auf dem Bachern (Pohorje), dem Hausberg der Marburger, werden noch zahlreiche weitere Massengräber vermutet. Das Epizentrum des kommunistischen Terrors in Europa, sagt Jože Dežman, der Leiter der Kommission der slowenischen Regierung für die Massengräber und Direktor des Zeitgeschichtemuseums, lag in Slowenien.
Im Kampf gegen die Kirche setzte sich die Ausschaltung potentieller Regimegegner fort, denn die Kirche war, wie das slowenische Innenministerium im November 1945 feststellte, das „Rückgrat der Opposition“, die einzige Organisation, die sich noch außerhalb des kommunistischen Machtbereiches halten konnte. In einem Hirtenbrief hatte es die jugoslawische Bischofskonferenz im September 1945 gewagt, die „offene Verfolgung der Kirche“ anzuprangern und sich in einem scharfen Brief an Tito dagegen zu verwehren. Tito wertete dies als „eine Art amtliche Kampfansage“ und seine Partei handelte dementsprechend. In Slowenien wurde das totalitäre Kapitel der Tito-Diktatur und besonders der Anteil, den die slowenischen Kommunisten daran hatten, jahrelang verharmlost, verschwiegen und tabuisiert. Nicht zuletzt dank des Engagements von Historikern wie Griesser-Pear und Dežman beginnt sich das nun zu ändern.