Serben boykottierten Urnengang
Laut Wahlkommission gaben nur 300 ihre Stimme ab - Wahl_beteiligung bei 41,50 Prozent - OSZE erfreut über friedlichen Ablauf
Die Wahlbeteiligung in den von Serben bewohnten Dörfern lag nahe bei Null.
Leere Wahllokale auch in Belgrad.
Belgrad/Pristina - Die Wahllokale in der von der UNO verwalteten, südserbischen Provinz Kosovo haben am Samstagabend um 20:00 Uhr ihre Pforten geschlossen. Unter starken Sicherheitsmaßnahmen verlief der Urnengang ruhig. Die Wahlbeteiligung war niedrig, die Kosovo-Serben boykottierten weitgehend die Abstimmung.
Allgemein geringe Wahlbeteiligung
An der Parlamentswahl im Kosovo haben sich nach den Angaben der OSZE-Mission in der Provinz bis 16:00 Uhr 41,50 Prozent der Bürger beteiligt. Schätzungen zufolge könnte sich die Beteiligung bis zum Schließen der Wahllokale um 20.00 Uhr noch auf 55 bis 65 Prozent erhöht haben.
Der serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica sowie die serbisch-orthodoxe Kirche hatten die Kosovo-Serben aufgerufen, die Wahl zu boykottieren, da ihrer Ansicht nach die Sicherheit der Minderheiten-Volksgruppe nicht gewährleistet sei. Die meisten Kosovo-Serben folgten dem Aufruf. In der Stadt Gracanica etwa, in der etwa 5.000 Serben leben, gingen nach offiziellen Angaben bis gegen Mittag nur fünf Serben wählen.
Handverlesener Urnengang der Serben
"Die Wahlbeteiligung in den mehrheitlich serbisch besiedelten Gebieten war ziemlich unbedeutend", erklärte ein Sprecher der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Kosovo am Samstagabend gegenüber der APA. Die Zahl der wahlberechtigten Kosovo-Serben in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz wird auf etwa 50.000 geschätzt. Nicht mehr als 300 davon sollen von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht habe, meldete der Belgrader Sender B-92 unter Berufung auf den Generalsekretär der Zentralen Wahlkommission (CEC), Adnan Merovci.
Laut der serbisch-orthodoxen Kirche erschienen im serbisch bewohnten Nordteil der Stadt Kosovska Mitrovica nur 15 wahlberechtigte Serben in Wahllokalen. In Zvecan sollen es zwei, in Zubin Potok 70 gewesen sein. Für Leposavic sprach man von 30 Wählern, für das gesamte Ostkosovo von 64. Die Aufforderung des serbische Präsident Boris Tadic an die Kosovo-Serben doch Urnengang teilzunehmen, hat demnach keine Wirkung gezeigt.
Wahllokale für geflüchtete Serben
In Serbien und Montenegro waren am Samstag 100 Wahllokale für rund 110.000 Kosovo-Serben eingerichtet, die aus dem Kosovo geflohen sind. Auch hier war die Beteiligung gering. Nach Angaben der OSZE-Mission in Pristina hatten dort bis 17:00 Uhr nur 384 Personen am Urnengang teilgenommen.
Die Wahllokale im Kosovo hätten ursprünglich um 19:00 Uhr schließen sollen. Wegen des moslemischen Fastenmonats Ramadan wurden die Öffnungszeiten aber kurzfristig um eine Stunde verlängert. Für den späten Nachmittag war ein größerer Wählerandrang erwartet worden. Laut Berichten kosovo-albanischer Medien könnte das zumindest teilweise stimmen: Im Zentral-Kosovo soll sich die Beteiligung bis 18:00 Uhr auf 48 Prozent, in der Hauptstadt Pristina auf 54 Prozent erhöht haben. In Pristina soll demnach kein einziger Angehöriger der serbischen Volksgruppe abgestimmt haben.
2001 wählten noch 64,3 Prozent
Es waren die zweiten Parlamentswahlen in dem seit Endes des Kosovo-Krieges 1999 von den Vereinten Nationen verwalteten Protektorat. Bei den ersten Parlamentswahlen im November 2001 hatten immerhin 64,3 Prozent von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die Zentrale Wahlkommission (CEC) und die OSZE haben für Montag erste vorläufige Ergebnisse angekündigt. Das offizielle Endergebnis soll eine Woche später vorliegen.
Provinz-Präsident Ibrahim Rugova sprach von einem "großen Tag" für den Kosovo auf "seinem Weg in die Unabhängigkeit", als er in Pristina seine Stimme abgab. Laut Umfragen dürfte seine Demokratische Liga des Kosovo (LDK) wieder stärkste Kraft werden. Bisher stellte die LDK 47 von 120 Abgeordneten. Auf den Plätzen zwei und drei werden vermutlich die Demokratische Partei des Kosovo (PDK) unter dem früheren Chef der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), Hashim Thaci, und die von Thacis UCK-Kollegen Ramush Haradinaj geführte Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) landen.
Nur zwei serbische Gruppierungen zur Wahl
Unter den 33 politischen Parteien und Bündnissen, die sich beworben haben, gab es nur zwei serbische Gruppierungen, die so genannte Bürgerinitiative und die "Serbenliste für Kosovo und Metohija". Das Wahlsystem sieht die automatische Vergabe von zehn Sitzen an Angehörige der serbischen Minderheit vor. Dass es mehr sein werden kann wegen der geringen Beteiligung der Kosovo-Serben als unwahrscheinlich gelten.
OSZE-Beobachter: Ungünstige Ausgangslage für die Zukunft
Der Schweizer OSZE-Wahlbeobachter Remo Galli beobachtete die Parlamentswahl im westlichen Teil der seit 1999 von der UNO verwalteten südserbischen Provinz. Die Stimmabgabe sei "erstaunlich gut" verlaufen, bilanzierte er laut Schweizer Nachrichtenagentur sda. "Die Wahlen waren äußerst friedlich und sehr gut vorbereitet." Galli bedauerte, dass viele Kosovo-Serben dem Boykottaufruf gefolgt und eine Wahlbeteiligung abgelehnt hatten. Dies sei eine ungünstige Ausgangslage für die Zukunft, denn um diese zu gestalten, müssten die verschiedenen Bevölkerungsschichten miteinander diskutieren. (APA)
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