Während ich diesen Kommentar schreibe, hat die Hamas den Waffenstillstand gebrochen – oder klarer formuliert: nie eingehalten. Während ich diesen Kommentar schreibe vibriert mein Handy im Dauerrhythmus:
Raketenalarm in Shar hagenev: 21:00:12
Alarm Sdot Negev: 21:00:54
Alarm Kiryat Malachi: 21:15:27
Alarm Beer Tuvia: 21:15:24
Alarm Gam Yavne: 21:15:23
Alarm Ashdod: 21:19:46
Für den Gaza-Streifen gibt es kein Alarm-System.
In Nahost ist Krieg. Raketen fliegen seit Monaten aus dem Gaza-Streifen auf Israel. Die Reaktion in Deutschland: Schweigen. Drei jugendliche Israelis werden entführt. Die Reaktion in Deutschland: weitgehendes Schweigen. Wenige Tage nach der Entführung werden die drei Jugendlichen tot aufgefunden. Unmenschlich. Grausam. Es gibt keine Demonstrationen, keine Kundgebungen.
Nichts.
Die Raketenbeschüsse dauern an und verstärken sich. Ein palästinensischer Jugendlicher wird entführt und gelyncht. Unmenschlich. Grausam. Israel wehrt sich gegen die andauernden Raketenbeschüsse. Proteste von Islamisten, Nazis und: der deutschen Linken folgen. Israel nimmt Stellungen der Hamas im Gaza-Streifen unter Beschuss. Der Aufschrei ist groß.
Es gibt Tote. Kinder, Frauen, auch Terroristen. Das menschenverachtende Kalkül der Islamisten geht auf: Attackiert Israel die Abschussrampen und Waffenlager, die bewusst in Wohngebieten stationiert sind, wird es die internationale Empörung geben. Die Terroristen erzwingen Reaktionen, um Israel zu isolieren. Würde Israel die Stellungen nicht angreifen, wäre das ein Zeichen von Schwäche und der Aufkündigung des Schutzversprechens des jüdischen Staates gegenüber seinen Bürger_innen.
Des aus den Erfahrungen von Jahrhunderten dauerndem Antisemitismus und der Shoa resultierenden Versprechens, dass diesem Staat jenseits des Konstrukts der Nation eine andere Notwendigkeit gibt. Islamisten, Nazis, Linke, Naive und Antisemiten weltweit sorgen dafür, dass das Kalkül der Terroristen aufgeht. Auch sie sind es, die Hamas und andere motivieren, weiterzumachen.
Angst macht sich breit. Ein neuer Krieg.
Die ersten Kundgebungen finden statt. Protestaufrufe folgen. Antisemitische Übergriffe nehmen zu.
Antisemiten erklären sich öffentlich „Hitler hatte Recht“, Antisemiten nehmen an den „Friedens-Demonstrationen“ gegen Israel, gegen die Bombardierung des Gaza-Streifens teil. Neonazis ebenso. Eine Distanzierung der organisierenden Linken suche ich. Ich befürchte, ich werde keine finden.
Man ist ja links. Man ist ja per se gegen Antisemitismus, gegen Neonazis. Die eigene Verantwortung an deren Teilnahme wird weder gesehen, noch hinterfragt. Linkssein schützt. Vor Antisemitismus, Rassismus, Neonazismus, Homophobie, vor Allem, was schädlich ist.
„Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“ ist auf den von Linken beworbenen oder gar angemeldeten und organisierten Demonstrationen zu hören. Flaggen der terroristischen Hamas sind zu sehen. Fehlt nur noch ein als Selbstmordattentäter verkleideter Teilnehmer. „DIE LINKE. NRW unterstützt die Demos gegen die Bombardierung Gazas“.
Es sind keine Demonstrationen für Frieden. Es sind Demonstrationen gegen Israel. Sie sind kalkulierter und funktionaler Teil des Terrors. Einseitig. Relativierend. Benzin im Brandherd Nahost.
Ich schwanke zwischen Wut und Trauer. Heulen und ausrasten. Weitermachen und aufhören. Es scheint keinen Effekt zu haben immer wieder zu versuchen, Verständnis für die diffizile Situation in Israel und Palästina zu erwirken. Einseitig Schuld zuzuweisen ist einfacher. Der Sündenbock Israel passt in die Schublade. Sensibilität fehlt.
Auch bei der von der Linksjugend Ruhr angemeldeten Demonstration für den morgigen Freitag. Neonazis und Islamisten haben ihr Kommen angekündigt. Sie wurden von der Veranstaltung ausgeschlossen. Von den Organisatoren. Bei facebook. Sie werden anwesend sein.
Am Freitag um 17:00 Uhr. Neonazis, Islamisten. Dazu Linke, Friedensbewegte.
Die jüdische Gemeinde in Kassel hat Angst. Den Religionsunterricht für Kinder sagten sie aufgrund einer ähnlichen Demonstration am vergangenen Dienstag ab. Die Durchführung des Shabbat-Gottesdienstes am Freitag ist fraglich. Auch in Kassel soll es Freitag erneut eine antiisraelische Demonstration geben. Der Gemeindevorsitzende fürchtet um die Sicherheit der Gemeindemitglieder. Aus Angst vor antisemitischen Angriffen, die aus einer Demonstration gegen Israel – natürlich für den Frieden – hervorgehen. Ist es wieder soweit?
„Stoppt die Bombardierung Gazas – Für ein Ende der Eskalation im Nahen Osten!“, so der Titel der für morgen angemeldeten Kundgebung in Essen. Das Motto ist an Einseitigkeit kaum zu überbieten, von der dahinter stehenden Ignoranz der Raketenbeschüsse durch die Hamas ganz zu schweigen. Die Forderung an einen militärisch attackierten Staat, sich nicht zu verteidigen, kommt der Aufkündigung seines Existenzrechtes gleich. Es werden Antisemiten kommen.
Es werden Neonazis kommen.
Es wird eine Querfront gegen Israel demonstrieren. Die Linksjugend Ruhr wird ebenso wie einige Mitglieder der LINKEN.NRW Teil davon sein. Mir bleibt nur zu sagen: Alles was ich will ist, nichts mit euch zu tun zu haben.
Katharina König im Internet: Haskala