Unfähig und unwillig zu Reformen
Vor allem aber hat der Rummel verhindert, Kroatien als einen Staat zu erkennen, der für alle Reformen, die die EU von Beitrittskandidaten fordert, unfähig und unwillig ist und in dieser Blockadehaltung bis hin zum ökonomischen Kollaps verharrt. Kroatien ist mit 56.538 Quadratkilometern und knapp 4,5 Millionen Einwohnern an Fläche und Volk mehr als doppelt so groß wie Slowenien (20.273 Quadratkilometer, 1,9 Millionen Einwohner). Im ökonomischen Vergleich aber kehrt sich das Bild um. Es zeigt ein starkes Slowenien, das seit Mai 2004 als bislang einziger Nachfolgestaat Jugoslawiens Mitglied in der EU ist, und ein chronisch krankes Kroatien, das erst 2004 wieder sein Wirtschaftsniveau von 1989 erreichen konnte. Aber auch dieses wird Zagreb infolge stark rückläufiger Wachstumsraten vermutlich nicht halten können
Die besten Hotels sind in ausländischem Besitz, während kroatische Anbieter sich meist im „grauen“ Bereich bewegen und so gut wie keine Steuern zahlen.
Warum nahm man nicht den Wirtschaftsexperten Ivo Jakovljevic, dessen Analyse in der Tageszeitung „Novi list“ (6.10.2005) unerbittlich ist: „Würde Kroatien morgen früh vollwertiges EU-Mitglied, dann wäre es dessen unterentwickeltster Teil und eine Zusatzbelastung für Brüsseler Kassen – etwa so wie das Kosovo in Ex-Jugoslawien.“
Denn unsere Leute sind doch nicht unfähiger als die Ausländer“. Aber sie sind es doch, fährt Strbac fort. Schließlich seien die kroatischen Banken und Werke jahrelang im Besitz von Kroaten gewesen und hätten nur Milliardenverluste produziert. Profitabel seien sie erst geworden, als sie in den Besitz von Ausländern kamen. Seit 93 Prozent aller kroatischen Banken „und fast das ganze nationale Sparaufkommen“ in ausländischem Besitz sind, könne man in diesem Wirtschaftsbereich wieder von Gewinn reden.
Ganz ähnlich ist es mit anderen Bereichen, die Ausländer nach anderthalb Jahrzehnten kroatischer Erfolglosigkeit auf Profitkurs brachten. Gegen den Profit haben die Kroaten nichts, das fremde Türschild aber empfinden sie als nationale Schande. Die Folgen hat unlängst eine österreichische Bank berechnet: Kroatien benötigt zur Stabilisierung seiner Zahlungsbilanz ausländische Investitionen von 150 bis 200 Millionen Euro pro Quartal – derzeit bekommt es nur 100 bis 150 Mio. Euro im Jahr!
Schiffsbau und Eisenbahn sind am Ende
Sofort am ersten Tag der EU-Verhandlungen wurde Kroatien ins Aufgabenheft geschrieben, sechsmal mehr für Wissenschaft und Forschung auszugeben als es das bisher tat. Und das ist erst der Anfang. Ende Oktober mußte Kroatien in Brüssel den nahezu vollständigen Zusammenbruch seine Schiffsbaus – einst eine „Goldgrube“ – eingestehen. Mit Milliarden-Investitionen kann er frühestens 2010 wieder konkurrenzfähig sein. Selbst wenn Kroatien diese Mittel hätte, dürfte es diese nicht einsetzen, da Brüssel strenge Sätze für Staatssubventionen hat. Vermutlich noch höhere Subventionen werden die kroatischen Eisenbahnen erfordern, die so marode sind, daß Eisenbahner bereits Wetten abschließen, wann welcher Zug entgleist – sagt Nenad Mrgan, Chef der Gewerkschaft kroatischer Lokführer.
Ein Drittel aller Kroaten sind nach offiziellen Kriterien „arm“ und 70 Prozent von ihnen fühlen sich subjektiv als arm. Das Außenhandelsdefizit liegt im Jahr 2005 bei 7,4 Milliarden Euro, die Auslandsverschuldung bei 83,2 Prozent des BIP.