Wachstumsmarkt Türkei Robuste Banken machen stark
Nur wenige Länder sind bei Anlegern derzeit so hoch angesehen wie die Türkei. Wenn Volkswirte und Aktienanalysten die Türkei loben, dann loben sie meist im gleichen Atemzug auch die Banken am Bosporus. Neben der jungen Bevölkerung (jeder Zweite ist jünger als 30 Jahre), den gesunden Staatsfinanzen (zum Jahresende 2012 betrugen die öffentlichen Schulden lediglich 36 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung) und der stabilen Regierung (Ministerpräsident Tayyip Erdogan ist seit März 2003 im Amt) gelten die türkischen Banken als ihre größte Stärke. „Die Banken sind die Kronjuwelen der türkischen Wirtschaft“, lobt Serra Akçaoglu von der Citigroup in der Türkei überschwänglich.
Schulden getilgt
Banken als Stärke ihrer Volkswirtschaft, das können in der Tat nur wenige Länder derzeit von sich behaupten. Es gibt auch nur wenige Volkswirtschaften, die in den vergangenen Jahren eine derartige Erfolgsgeschichte geschrieben haben wie die Türkei. Noch im Jahr 2001 war das Land am Boden, hatte 16 Milliarden Dollar Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der einen Staatsbankrott verhindern musste. Vor zehn Jahren setzte dann ein fast beispielloser Wirtschaftsaufschwung ein; in den Jahren 2010 und 2011 etwa wuchs die Wirtschaft um jeweils rund 9 Prozent.
Dieser Aufschwung hat ermöglicht, dass die Türkei dem IWF jetzt im Mai die letzte Rate überwiesen und damit ihre Schulden dort vollständig getilgt hat. Mit der Ratingagentur Moody’s hat nach Fitch der zweite Bonitätsprüfer das Land in den Club der investitionswürdigen Länder (“Investment Grade“) aufgenommen (F.A.Z. vom 18. Mai). Die Erfolgsgeschichte ist allem Anschein nach aber noch nicht zu Ende. So erwartet der IFW in der nächsten Dekade ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum der Türkei von 4,5 Prozent im Jahr.
Hohe Profitabilität
Damit finden die Banken, anders als in vielen Ländern Osteuropas und des Nahen Ostens, in der Türkei ein gutes Umfeld für ihre Geschäfte vor. Nach Daten der Ratingagentur Moody’s werden derzeit nur 3,5 Prozent aller Bankkredite von den Kreditnehmern nicht mit Zinszahlungen bedient. In Ländern wie Ungarn und Kroatien sind dagegen mehr als 10 Prozent, in Rumänien mehr als 25 und in der Ukraine mehr als 35 Prozent aller Bankkredite notleidend. Daher sind türkische Banken auch deutlich profitabler als andernorts. Nach Daten der Akbank liegen die Eigenkapitalrenditen im Durchschnitt bei 16 Prozent.
Die hohe Profitabilität schlägt sich in den Aktienempfehlungen nieder. Die Aktienanalysten von JP Morgan haben derzeit „sechs Top-Picks“ unter osteuropäischen Banken. Darunter sind mit Garanti Bank, Halkbank und Vakifbank immerhin drei türkische Banken. Noch immer hätten deren Aktienkurse 20 bis 30 Prozent Kurspotential, obwohl sie in den vergangenen zwölf Monaten schon zwischen 65 und 160 Prozent geklettert sind, lautet der Schluss der Analystengruppe um Paul Formanko, nachdem sie im Mai die Region „Osteuropa und Mittlerer Osten“ bereist und 25 Vertreter von 25 der größten osteuropäischen Banken getroffen hat.
© F.A.Z.
Aktienindex ISE 100
Wer an der Aktienbörse Istanbul investieren will, kommt an Banken ohnehin kaum vorbei. Sie bilden im Aktienindex ISE 100 die größte Gruppe, sie stehen für 43 Prozent des Marktwertes der darin zusammengefassten 100 größten börsennotierten türkischen Unternehmen. Im Auswahlindex ISE 30 kommen Banken sogar auf ein Gewicht von 51 Prozent. Ibrahim Turhan, Vorstandsvorsitzender der Börse Istanbul, erklärt die Dominanz der türkischen Banken in den Aktienindizes auch damit, dass der Streubesitz der türkischen Industrieunternehmen in der Regel geringer sei. Viele Familienunternehmen hätten zwar ihre Unternehmen an die Börse gebracht, wollten aber weit mehr als die Kapitalmehrheit behalten.
Dies war dem Staat als Eigentümer vieler türkischer Banken selten möglich. 2001, als die türkische Wirtschaft insgesamt am Boden lag, waren auch viele Banken am Ende. Ein Beispiel für eine gelungene Privatisierung in mehreren Schritten ist die Halkbank. 2007 verkaufte der Staat zunächst 25 Prozent über die Börse und erlöste 1,85 Milliarden Dollar. Im Jahr 2012 verkaufte der Staat weitere 25 Prozent der Halkbank und erlöste 2,5 Milliarden Dollar. Dies war die größte Aktienneuemission in der Geschichte der türkischen Börse. Nach Ansicht von JP Morgan ist die Halkbank heute die profitabelste türkische Bank.
Strenge Regeln
Doch in den Krisenjahren gingen auch Banken unter. Zwischen 1999 und 2011 nahm ihre Zahl nach Daten der Akbank von 87 auf 48 ab. Diese Restrukturierung des Bankensektors habe ihn erst zum Kronjuwel der türkischen Wirtschaft gemacht, sagt Akçaoglu. Auch die im Jahr 2000 neu formierte Bankenaufsicht BRSA habe gute Arbeit geleistet, meint die Citigroup-Managerin. So seien etwa Stresstests, mit denen Banken auf Krisenanfälligkeit geprüft werden, in der Türkei seit langem üblich.
Bis heute erlaubt die Aufsicht, dass die Banken höchstens 20 Prozent ihres Jahresgewinns als Dividende ausschütten. Der Rest muss einbehalten werden. Auch deshalb verfügten die türkischen Banken Ende Januar 2013 über durchschnittliche Kernkapitalquoten nach Basel II von 17,8 Prozent und nach Basel III von 14,5 Prozent. Mit dieser international weit überdurchschnittlichen Eigenkapitalausstattung sind türkische Banken besser als Kreditinstitute anderer Länder in der Lage, Verluste selbst zu tragen.
Die „vier Großen“
Die vier größten Banken kommen inzwischen auf einen hohen Marktanteil von fast 50 Prozent. Dabei geht die Konsolidierung im türkischen Bankensektor, nun angetrieben von ausländischen Banken, weiter. Seit Mitte der 2000er Jahre haben sich zunächst westeuropäische Banken in der Türkei engagiert. BNP Paribas etwa hält seither die Mehrheit an Turk Ekonomi Bankasi. Die größte französische Bank hat sich dagegen entschieden, in Deutschland Filialen zu eröffnen, und setzt stattdessen auf Polen und die Türkei. Die niederländische ING kaufte 2007 die heute achtgrößte türkische Bank Oyak, und die spanische Bank BBVA kaufte 2010 rund 25 Prozent des größten Baufinanzierers, der Garanti Bank.
Auch in diesem Jahr gab es schon Übernahmen im türkischen Bankensektor. Die Denizbank hat im April bekanntgegeben, dass sie das Privatkundengeschäft der amerikanischen Citigroup in der Türkei übernimmt. Die Denizbank ist ein gutes Beispiel dafür, wie offen die Türken bei der Bankenprivatisierung für Ausländer sind. Schon 2006 übernahm die belgische Dexia-Bank für damals 2,4 Milliarden Euro 75 Prozent, im September 2012 stieg die größte russische Bank, die Sberbank, ein und zahlte 2,8 Milliarden Euro für die Denizbank. Neben Russen gibt es inzwischen auch Investoren aus dem Nahen Osten. Die libanesische Bank Audi startete unter dem Namen Odea im November mit sechs Filialen in der Türkei.
Schnittstelle zwischen Europa und Asien
Damit zeigt sich: Die Türkei wird immer stärker nicht nur als militärische, sondern auch als wirtschaftliche Regionalmacht betrachtet; sie ist geographisch die Schnittstelle zwischen Europa und Asien und kann das kulturelle Bindeglied in die von den seit zwei Jahren von der Arabellion erfassten Länder im Nahen Osten wie Ägypten, Jordanien und der Libanon sein. Die zahlreichen ausländischen Banken sorgen für einen Modernisierungsschub in einem Land, in dem die privaten Haushalte mit lediglich 19 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet sind und insofern für die Banken noch viel Geschäftspotential etwa mit Hauskrediten besteht.
Doch die türkische Notenbank ist wachsam. Sie will das Kreditwachstum der Banken in diesem Jahr auf 15 Prozent begrenzt sehen. Angesichts der in fast allen anderen Ländern auf der Welt geringen Nachfrage nach Kredit spricht es für die Türkei, dass dort ein derartiges Kreditwachstum überhaupt möglich erscheint.
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