Der türkische Autor Ahmet Sik wollte ein Buch über Fethullah Gülen und seine Hizmet Bewegung rausbringen. Bei einer Polizei Razzia wurde das Buchmanuskript "Imamin ordusu/Die Armee des Imam) vor Erscheinen beschlagnahmt. 
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Hier das E-Book:  Imamin ordusu - Die Armee des Imam
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Ahmet Sik hat ein sehr interessantes und aufschlussreiches Interview gegeben. Sehr lesenswert.
  Der linke Autor Ahmet Sik spricht im Interview mit der FR über die Gülenisten, Präsident Erdogan und die neue Türkei. 
Ahmet Sik ist einer der bekanntesten  investigativen Journalisten der Türkei und ein mehrfach preisgekrönter  Buchautor. Der 46-Jährige arbeitete seit 1991 für verschiedene linke  türkische Zeitungen. 2011 wurde er für sein Buchmanuskript „Die Armee  des Imams“ über den Einfluss der Bewegung des islamischen Predigers  Fethullah Gülen auf die türkischen Sicherheitskräfte unter  Terrorismusverdacht verhaftet und erst nach einem Jahr wieder  freigelassen. Er gilt als bester Kenner der Gülen-Bewegung in der  Türkei. fn
     
                  
Herr Sik, in der Türkei werden Bücher des Islampredigers Fethullah Gülen verbrannt. Besitzen Sie noch welche?
Natürlich.  Ich bin Journalist, und das ist eine Bewegung, über die ich  recherchiere. Wäre das kriminell, könnte die Forschung über jedes  beliebige Thema kriminalisiert werden. Alles was ich 2011 in meinem Buch  geschrieben habe, hat sich bewahrheitet, aber ich wünschte, ich hätte  nicht Recht behalten. Hätten wir damals die Chance gehabt, die Gefahren  öffentlich zu diskutieren, wären viel mehr Menschen vor der  Gülen-Bewegung gewarnt worden.
                  
         
  
Sie kennen die Gülen-Bewegung wie kein Zweiter. Haben die Gülenisten im Militär diesen Putsch organisiert?
Ich  glaube, dass sie der wichtigste Akteur bei der Planung des  Staatsstreichs waren, aber es waren noch andere Gruppen beteiligt. Eine  zweite große Gruppe von Offizieren gehört nicht zur Gülen-Bewegung, aber  wir wissen nicht genau, welche politische Ausrichtung sie vertritt. Die  beiden Gruppen brachte einzig ihre Feindschaft gegenüber der  islamisch-konservativen Regierungspartei AKP und Präsident Erdogan  zusammen. Eine dritte, vermutlich kleinere Gruppe wollte damit ihre  Karriere befördern. 
Was wollten die Gülenisten?
Wir  haben inzwischen eine klare Vorstellung, warum Militärangehörige aus  der Gülen-Bewegung putschten. Die Streitkräfte sind diejenige  Institution im Land, wo sich die Gülenisten am erfolgreichsten tarnten.  2012 brach ein Krieg zwischen ihnen und der AKP über die Macht im Land  aus. Um die Gülenisten aus dem Militär zu entfernen, nutzte man ab 2012  das Yas, die jährliche Beförderungsversammlung des Militärs im August.  Mit dem Putsch wollten sie dem diesjährigen Yas zuvorkommen, das am 3.  August stattfinden sollte.
Wie konnte man denn feststellen, wer ein Gülenist ist, wenn sie sich tarnten?
Es  fanden seit zwei Jahren Ermittlungen über Gülenisten im Militär statt,  und am Ende dieser Untersuchung wurden Beweise dafür gefunden. Es wird  behauptet, dass die Namen dieser mutmaßlichen Gülenisten auf einer Liste  von Personen standen, die am 16. Juli, also einen Tag nach dem  Putschversuch, festgenommen werden sollten. 
Von dem Putsch war aber nichts bekannt?
Öffentlich  wurde die Information verbreitet, dass der MIT (der Geheimdienst,  d.Red.) am 15. Juli gegen 16 Uhr vom Putschplan erfuhr, der Präsident  aber erst um 21.30 Uhr informiert wurde. Wenn das so ist, müsste der  Geheimdienstchef sofort abtreten. Stattdessen reist er mit Erdogan zu  Gesprächen nach Russland. 
In der Tat  fragt man sich, warum es drei Wochen nach dem Putsch und offenkundigen  Folterungen noch immer keine Informationen über den Chef des Putsches  gibt?
Stimmt. Man sagt uns nur, dass Fethullah Gülen  hinter dem Putschversuch steckt, was auch ich für wahrscheinlich halte.  Aber offensichtlich gab es auch eine militärische Nummer eins und einen  zivilen Anführer, der dann Ministerpräsident hätte werden sollen. Obwohl  inzwischen eine Reihe von Geständnissen verhafteter Offiziere an die  Medien durchsickerte, gibt es noch immer keine Informationen über den  Operationsplan der Putschisten für den Fall, dass der Putsch erfolgreich  gewesen wäre.
Wen vermuten Sie hinter der zivilen Führung?
Das  wissen wir nicht. Aber es ist offensichtlich, dass die Putschisten  Unterstützung für ihre neue Regierung nur dann von der Wählerschaft  erwarten konnten, wenn sie glaubwürdige politische Figuren vorweisen  konnten. Jeder Putsch in der Türkei hatte bisher auch ein ziviles  politisches Standbein. Wer einen Putsch plant, braucht politische  Figuren, um sich gesellschaftlich zu legitimieren.
Es  ist schwer vorstellbar, wie ideologisch verfeindete Gruppen wie  Gülenisten und Kemalisten bei dem Putsch an einem Strang ziehen sollten.
Ich  glaube auch nicht, dass sie in der Lage gewesen wären,  zusammenzuarbeiten. Wenn sie Erfolg gehabt hätten, hätten wir  wahrscheinlich eine Periode aufeinanderfolgender Putsche erlebt.
Warum scheiterte der Staatsstreich? Es heißt, die Putschisten wurden verraten. Hatten sie sich schon vorher zerstritten?
Ja,  das glaube ich. Es wird gesagt, dass einige Putschisten sich vom Rest  abspalteten. Ein Major, dem man einen bestimmten Befehl erteilte, ging  zum MIT und offenbarte den Putschplan um 16 Uhr. Danach ging der MIT zum  Generalstabschef und hielt mit ihm ein Dauermeeting ab. Es wurde ein  Startverbot für Kampfjets und Panzer verhängt, obwohl später  erwiesenermaßen Jets starteten und Panzer losfuhren. Es wurde viel  telefoniert, es wurden Versprechungen gemacht. Wir wissen aber noch sehr  wenig über die genauen Vorgänge.
Immerhin hat das Volk den Putschversuch abgewehrt.
Obwohl  alle schon gegen 22 Uhr von dem Putschversuch wussten, gingen die Leute  erst nach Mitternacht auf die Straße, als der Präsident im Fernsehen  sprach und sie dazu aufrief. Und obwohl ich allergrößten Respekt vor  allen habe, die hinausgingen und ihre Wählerstimmen gegen die  Putschisten verteidigten, sehe ich nicht, dass ihr Verständnis von  Demokratie und meines das gleiche sind. Ich glaube, eine hohe  Prozentzahl von denen, die auf die Straßen gingen, wollten nicht die  Demokratie als solche verteidigen, sondern ein gemeinsames Interesse,  dass sie dank der Klientelpolitik dieser Regierung haben.
Hatten die Gülenisten schon das Militär unterwandert, als Sie ihr Buch geschrieben haben?
Bei  meinen Recherchen konzentrierte ich mich auf die Unterwanderung der  Polizei und des Justizapparats. Den Anstoß gaben mir die illegalen  Handlungen bei den Ergenekon- und Balyoz-Prozessen gegen angebliche  Verschwörer im Militär ab 2008. Damals wussten wir nicht, wie viele  Gülenisten ins Militär eingesickert waren. 
Die  Verhaftungen nach dem Putsch erfolgen auch aufgrund von Geständnissen.  Wie glaubhaft sind die Bekenntnisse von Putschoffizieren, die  offensichtlich gefoltert wurden?
Im Moment sind alle  Geständnisse fragwürdig, denn es gibt weitverbreitete Berichte, dass sie  durch Folter erzielt wurden. Hoffentlich können wir im Prozess mehr  erfahren. Dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putsch steht, daran habe  ich nicht den geringsten Zweifel. Durch die angewandten Mittel wissen  wir, dass sie Polizei, Militär, Geheimdienst und Justiz vereinnahmen  wollten. Wenn man diese vier Säulen einnimmt, dann hat man den Staat  erobert. Es scheint, als wollten sie ihre Macht nutzen, um die  Gesellschaft zu verändern, nur zu welchem Ziel, wissen wir nicht genau.
AKP-Anhänger  sagen, es sei darum gegangen, Fethullah Gülen wie den Ayatollah  Khomeini im Iran 1979 triumphal in die Türkei zu bringen.
Das  kann ich nicht beurteilen. Sicher ist, dass sie mit der Kontrolle der  zentralen Staatsinstitutionen eine soziale Transformation des Staates  durchführen wollten, die sich kaum davon unterscheiden dürfte, was die  AKP vorhat. Wenn die Türkei ein Aquarium ist, in dem es Fische in vielen  bunten Farben gibt, so wollen sie das Wasser so einfärben, dass am  Schluss nur noch schwarze Fische übrig sind. 
Wie würden Sie die Gülen-Bewegung beschreiben?
Sie  besitzt zwei Gesichter: das zivile Gesicht und das militaristische  Gesicht. Auf der zivilen Seite geht es ihren Millionen Mitgliedern  darum, durch ein Netzwerk zu wachsen, um Schulen, Zivilgesellschaft,  Universitäten zu durchdringen. Leute, die in diesem zivilen Bereich  tätig sind, sollten – außer beim Nachweis direkter Komplizenschaft mit  den Putschisten –, keinem Strafverfahren unterworfen werden. Aber es  gibt auch den militaristischen Flügel, den ich in meinem Buch versucht  habe zu enthüllen. Er organisierte sich im Sicherheits- und  Justizapparat und hat ohne Zweifel Verbrechen begangen. Diese Seite  begann zu einem bestimmten Zeitpunkt, den Staat und alles anzugreifen,  was sie als Hindernis ansahen. Es gibt eine interne Kontrollstruktur,  die alles über beide Seiten weiß, und an der Spitze steht Fethullah  Gülen, den viele Anhänger als Mehdi (Messias) bezeichnen. Kurz: Es  handelt sich um eine Mafia, die Religion als ein Instrument benutzt, um  Macht zu erlangen, und sie funktioniert wie ein Geheimdienst. 
Was  ist die richtige Art, jetzt mit den Gülenisten umzugehen? Ist es  richtig, ihre Schulen, Universitäten und Unternehmen zu schließen, wie  es gerade geschieht?
Offenkundig sollte alles getan  werden, um zu verhindern, dass diese Organisationen so viel Raum in der  Gesellschaft bekommen. Die Schließung ihrer Einrichtungen ist richtig,  weil die ihre Finanzquellen darstellen. Aber es fällt schwer, dabei den  Respekt für Recht und Gesetz zu entdecken. Was ich beobachte, kann man  nur als eine Hexenjagd bezeichnen.
Die sich inzwischen auch gegen Journalisten richtet.
Die  Verhaftung von Journalisten aus dem alleinigen Grund, dass sie für  Gülen-nahe Institutionen gearbeitet haben, ist nicht akzeptabel. Wir  haben das Recht, die Arbeit einiger dieser Leute als schlechten  Journalismus zu bezeichnen, aber das darf niemals dazu führen, sie wie  Kriminelle und Terroristen zu behandeln. 
Würde  nicht jeder Staat, der eine Organisation als gefährlich betrachtet,  solche Listen anlegen und dann gegebenenfalls präsentieren?
Vermutlich.  Aber 70 000 Beamte, die jetzt suspendiert wurden, bekamen ihre Posten  in der AKP-Zeit. In der Polizei und der Justiz arbeiteten die Gülenisten  lange Hand in Hand mit der Regierung und mit AKP-Politikern. 
Sie  haben die Menschen mit Ihrem Buch vor den Gefahren gewarnt und sind  dadurch berühmt geworden. AKP-Politiker nennen Ihren Namen, wenn sie vor  den Gefahren durch die Gülenisten warnen. Sind Sie jetzt ein gefragter  Talkshowgast?
Im Gegenteil, niemand in den  Mainstreammedien hat den Mut, mich ins Fernsehen zu holen, weil ich über  Verantwortlichkeiten spreche. Jeder der jetzt im Fernsehen über die  Bedrohung durch die Gülenisten redet und dabei nicht den Anteil der AKP  erwähnt, beherrscht seinen Job nicht. Wir wissen, dass die  Gülen-Bewegung seit 40 Jahren versucht hat, den Staat zu okkupieren und  jede Regierung in der Türkei ihr erlaubte, sich auszubreiten. Sie alle  tragen Verantwortung dafür, aber für die Erfolge der Gülenisten seit  2002 ist die AKP mitverantwortlich. Präsident Erdogan sagt jetzt: „Möge  Gott mir vergeben.“ Er sei zehn Jahre lang von der Gülen-Bewegung  getäuscht worden. Er hat eine politische Verantwortung, die unter  normalen Umständen dazu führen müsste, dass er zurücktritt.
Besteht die Gefahr eines zweiten Putsches?
Im  Moment sieht es so aus, als habe die Regierung die Lage im Griff. Aber  es besteht die Gefahr, dass wir trotzdem sehr gewalttätige und blutige  Ereignisse erleben werden, denn die AKP-Regierung hat die Gesellschaft  extrem polarisiert, um politische Macht zu gewinnen. Die Gefahr eines  Gewaltausbruchs könnte der Grund sein, warum Erdogan plötzlich von  gesellschaftlicher Verständigung redet.
Könnte es sogar zu einem Bürgerkrieg kommen?
Ja,  wir stehen an der Schwelle dazu. Dafür braucht es jetzt nur ein paar  Bomben hier, ein paar politische Morde da als Auslöser. Es ist eine sehr  gefährliche Phase in der Geschichte der Türkei. Deshalb reagieren viele  Leute sehr vorsichtig, man muss extrem aufpassen, was man sagt oder  schreibt. Seit drei Wochen erleben wir diese „Demokratie-Wachen“ in  Städten und Metropolen, aber wenn wir uns den Diskurs auf diesen Treffen  anschauen, sehen wir, dass die Leute dort mental militarisiert werden.
Gülen-Bewegung: ?Eine Mafia, die Religion benutzt? | Türkei - Frankfurter Rundschau