Zoran
Μακεδоν τ
Mazedoniens nationaler Umbau: Eine Stadt versinkt im Kitsch
Mazedoniens Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Die Regierung investiert dennoch Unsummen in ihr Prestigeprojekt: den Umbau der Hauptstadt Skopje mit bombastischen Palästen und goldenen Statuen. Architekturkritiker sind entsetzt.
Vor den Kriegern jagen Fontänen in die Luft. Rot, gelb, blau, violett. Die acht Bronze-Mannen blicken grimmig durch die Gischt. Oben, weit über ihren Häuptern, thront Alexander der Große. Reckt sein Schwert in den wolkenbehangenen Himmel. Aus den Lautsprechern tönen Wagner und Tschaikowski. Dazu schäumt und leuchtet es mal mehr, mal weniger im Takt der Musik.
Skopje hat ein neues Wahrzeichen. Fast 30 Meter hoch und rund 10,5 Millionen Euro teuer. Das Monument auf dem Plostad Makedonija, dem Platz im Herzen der Stadt, ist in etwa so authentisch wie der nachgebaute Canale Grande in Las Vegas. Nicht weit davon posieren tonnenschwer weitere Helden aus der bewegten Geschichte Mazedoniens, nicht immer handwerklich ganz gelungen. Der säbelrasselnde Fahnenträger etwa steht auf viel zu groß geratenen Füßen. Auf der anderen Seite des Flusses Vardar, am Eingang zur Altstadt, schüttelt König Philipp II. - der Vater Alexanders - in monumentaler Größe die Faust in den Himmel. Dazu springen in der Nachbarschaft Bronzepferde aus einem Brunnen. Auf der Strecke zwischen den legendären Königen reihen sich die neuen, tempelhaften Ministerien, das Theater und das Museum, wo weitere Dichter und Revolutionäre aus dem 19. und 20. Jahrhundert Spalier stehen.
Grandioser Kitsch
Und der Umbau ist nicht vollendet: An vielen Fassaden stehen derzeit Baukräne: Die Häuser bekommen den geforderten neuen Zuckerguss-Stil verpasst. Die lokale Presse nennt es diplomatisch "Barock" oder "Neo-Klassizismus", Architekturkritiker sprechen von "historischem Kitsch".
Skopje2014 lautet der Titel der radikalen Neugestaltung, die sich die nationalkonservative Regierungspartei VMRO Hunderte Millionen kosten lässt. Offiziell soll alles mit einem Budget von 207 Millionen Euro zu finanzieren sein, inklusive der verschönerten Ministerien, des neuen Nationaltheaters und des Triumphbogens. Unmöglich, sagen Kritiker, selbst für das Doppelte sei so viel Pseudo-Barock nicht zu haben.Auch das Grundthema - die Welt der antiken und slawischen Helden - stößt auf Ablehnung bei den Fachleuten: Skopje2014 übergeht viele ethnische Gruppen des Vielvölkerstaats Mazedonien, es zeigt nur einen Ausschnitt des nationalen Gefüges. Auch über die Vergabe der Aufträge ließe sich einiges berichten - es ist wohl zu eklatanten Verstößen gegen geltendes Recht gekommen. Doch die mazedonischen Medien protestieren allenfalls zurückhaltend. "Zu viel Kritik kann schnell den Job kosten. Die VMRO hat die Medien längst in der Hand", sagt ein Journalist, der namentlich nicht genannt werden will. Der monumentale Stil von Skopje2014 erinnert nicht ohne Grund an den eines autoritären Regimes.
Der Fall Tomislav Kezarovski ist nur ein weiterer Beleg dafür: Der Journalist erhielt jüngst in Skopje eine viereinhalbjährige Freiheitsstrafe. Er soll 2008 die Identität eines Zeugen in einem Mordprozess enthüllt haben - ein Vorwurf, der unabhängigen Beobachtern als leicht durchschaubarer Vorwand gilt, um einen kritischen Journalisten mundtot zu machen. Scharfe Kritik übte auch die OSZE-Beauftrage für Pressefreiheit, Dunja Mijatovic. Die Medienexpertin befürchtet, durch das Urteil werde eine "deutliche Botschaft der Zensur an andere Journalisten im Land" gegeben. Die Drohung der Mächtigen ist dort schon lange angekommen. Zahlreiche kritische Medienunternehmen sind in den vergangenen Jahren verschwunden.
Jeder zweite Jugendliche ist ohne Job
Die wirtschaftliche Lage zumindest gibt wenig Anlass, Triumphbögen zu bauen. Die Krise hat Mazedonien schwer getroffen. Jeder zweite Jugendliche hat keinen Job, bei der Arbeitslosenquote belegt die ehemalige jugoslawische Republik weltweit einen der Spitzenplätze: fast 30 Prozent. Wer Arbeit hat, muss trotzdem froh sein, wenn der Lohn bis zum nächsten Monat reicht. Die Universitäten sind schlecht ausgestattet, das gleiche gilt für die Krankenhäuser. Sanierungsbedarf allerorten. Die Regierung setzt offensichtlich andere Prioritäten. Und bietet zu der bizarren Stadtumgestaltung bizarre Geschichten. Vor dem gerade errichteten Monument der gefallenen Helden von Mazedonien stehen zwei junge Architekten. Hinter ihnen blitzt in der Herbstsonne ein fackeltragender goldener Jüngling. "Zu Beginn gab es nicht nur die gestählten Muskeln zu sehen", sagen sie und lachen. Wellen der Empörung schlugen hoch, so unverhüllt "klassisch" durfte es dann doch nicht sein. Der Fackelträger bekam nachträglich eine Hose verpasst. Boro Gadjovski und Filip Dubrovski können dem Prestigeprojekt Skopje2014 nichts abgewinnen, sie erinnern lieber an ein anderes Städtebauvorhaben: Große Teile Skopjes wurden 1963 durch ein Erdbeben zerstört. "Der Wiederaufbau war eine einzigartige Chance für eine moderne Stadtplanung. Unter Führung der Vereinten Nationen beteiligten sich viele Staaten. Skopje, das war ein Sinnbild für eine weltweite Solidarität", berichtet Boro Gadiovski. "Es sollte eine humane, ja utopische Stadt aufgebaut werden", fügt Filip Dubrovski hinzu.
Kantige Betonikonen
Den Masterplan für den Wiederaufbau entwarf der japanische Stararchitekt Kenzo Tange. Entstanden sind kantige Ikonen des Strukturalismus, schlichte Hochhäuser, die wenig mit dem sonst üblichen Plattenbaustumpfsinn zu tun haben. Tange entwarf einen Bahnhof, der nie vollendet wurde. "Von ihm sollten auf Stegen Plattformen für Fußgänger über die Straßen hinweg zum Zentrum führen. Der Fußgänger über den Autofahrer erhoben, wo dachte man schon in den sechziger Jahren so fortschrittlich?", fragt Dubrovski.
Das Einkaufszentrum "Gradski Trgovski Centar" ist das letzte Bollwerk dieser Zeit am Platz. Im Jugoslawien Titos noch mit einem nationalen Architekturpreis bedacht, planen die Skopje2014-Erneuerer auch hier eine "Barockisierung".
Ihnen stellt sich ein letztes Aufgebot an Architekten entgegen. Abends veranstalten sie eine Demo am Rand des Einkaufszentrums. Die beiden jungen Architekten sind dabei und sonst gerade einmal gut 30 Mitstreiter. Eine Jazzsängerin singt wunderschön in den kalten Herbstabend. Per Hand bemalte Luftballons werden verteilt. Gerade einmal ein kleiner TV-Lokalsender schickt ein Team zur Berichterstattung. "Im Sommer waren wir noch tausend Menschen", sagt einer der Demonstranten und zeigt die Bilder auf seinem Smartphone.
Es ist nicht der Protest, der den Planern von Skopje2014 Kopfzerbrechen bereitet. "Die neuen Gebäude sind viel zu nahe am Fluss gebaut", sagt Boro Gadjovski. "Bei Hochwasser drohen da Flutschäden."
Architektur in Mazedonien: Historischer Kitsch in Skopje - SPIEGEL ONLINE
Wieder einmal ein Artikel der dieses Projekt als das bezeichnet was es ist: unnötiger Kitsch! Keine Frage, die Stadt hat eine Renovierung nötig gehabt; doch bitte nicht so. Immerhin wissen die Bürger wo die nationalistische Regierung FYROMs die Steuergelder verschwenden: in ein Disneyland.
Das wurde schon ein paar Seiten weiter vorn gepostet.
Pozdrav