DIE VERTREIBUNG DER ALBANER
von Prof. Dr. Vasa Cubrilovic
Denkschrift, vorgelegt am 7 März 1937 in Belgrad
( Archiv der ehemaligen jugoslawischen Armee; das Dokument ist als "Vertraulich" bezeichnet unter dem Verweis "Nr. 2, Ordner 4, Kiste 69" )
V. Cubrilovic; * 1897, Akademiemitglied Jugoslawiens, ehemaliger politischer Berater in der königlichen Regierung. 1914 Mitglied der serbischen nationalistischen Organisation "Neues Bosnien". Diplom an der Universität Belgrad, ab 1930 dort als Professor an der Philosophischen Fakultät tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg war V. C. Minister in verschiedenen Ressorts der Regierung der SFRJ, Mitglied der serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Sekretär der Wissenschaftlichen Abteilung dieser Akademie, Mitglied des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens. 1970 Direktor des Balkanologischen Instituts in Belgrad. Am 7. März 1937 legte er in Belgrad der königlichen Regierung von Stojadinovic seine Denkschrift über die "Vertreibung der Arnauten (Albaner)" vor.
DIE VERTREIBUNG DER ALBANER
Das Albanerproblem in unserem nationalen und staatlichen Leben besteht nicht erst seit gestern. Es hat im Mittelalter bereits eine große Rolle gespielt, nahm jedoch gegen Ende des 17. Jahrhunderts entscheidend an Bedeutung zu, als die Serben aus den alten ehemaligen Gegenden von Raska in Massen Richtung Norden zogen, während die albanischen Bergbewohner gerade in ihr Land kamen. Sie stiegen allmählich aus ihren Bergen herunter und ließen sich in den fruchtbaren Ebenen von Metohija und Kosovo nieder, und dehnten sich nach Norden vordringend in Richtung Süd- und Nordwest aus. Durchquerten die Sar Planina Richtung Polog und stiegen von dort, auf Vardar zugehend, herunter. Auf diese Weise wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts das albanische Dreieck geschaffen, das sich auf die eigene Basis Debar-Rogozna und das eigene ethnische Hinterland stützend, tief nach Nis hinzog und unsere angestammten Gebiete in Raska von Mazedonien und dem Vardar-Tal abtrennte.
Diese albanische, von albanischen anarchistischen Elementen bevölkerte Keil, vereitelte im 19 Jahrhundert jede Art von festen Bildung-, Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren nördlichen und südlichen Gebieten. Das war der Hauptgrund, daß Serbien bis 1878, als es über Vranje und die Crna Gora bei Skopje ständige Verbindungen mit Mazedonien herstellen und aufrecht halten konnte, und nicht über jenen kulturellen und politischen Einfluß zu verfügen vermochte, den man angesichts der günstigen geographischen Verkehrsverbindungen und der historischen Traditionen in diesen Gegenden eigentlich erwartet hatte. Obwohl die Bulgaren ihr staatliches Leben später als die Serben begannen, waren sie am Anfang erfolgreicher. Das war der Grund, daß es von Widin im Norden bis herunter nach Ohrid im Süden von Südslawen ständig bewohnte Städte gab. Diesen albanischen Keil begann Serbien, schon im ersten Aufstand zu zersetzen, indem es die nördlichsten albanischen Bewohner, von Jagodina ausgehend, verjagte.
Dank der breiten Staatskonzepte von Jovan Ristic trennte Serbien nach dem Anschluß von Toplica und Kosanica auch einen Teil von diesem Keil los. Damals waren die Gebiete vom Jastrebac bis Südmorava radikal von Albanern gesäubert worden.
Den übrigen Teil des albanischen Dreiecks zu zerschlagen, war seit 1918 Aufgabe unseres heutigen Staates. Er tat es nicht. Es gibt einige Gründe dafür, doch werden wir nur auf die wichtigsten eingehen.
1. Der Grundfehler der kompetenten Behörden jener Zeit bestand darin, daß sie die Lösung der großen ethnischen Fragen auf dem blutigen und aufgewühlten Balkan vergessend, wo sie sich befanden, durch westliche Methoden erreichen wollten. Die Türkei brachte aus Sheriat entlehnte Sitten auf den Balkan, denen zufolge durch den Sieg im Krieg und die Eroberung eines Landes das Recht auf Leben und Eigentum der Unterworfener Staatsbürger erlangt wird. Von den Türken lernten auch die balkanischen Christen, daß man mit dem Schwert nicht nur Macht und Herrschaft, sondern auch Haus und Eigentum gewinnt oder verliert. Dieses Konzept, das mit den Verhältnissen des Privatrechts auf Boden, auf dem Balkan zusammenhängt, bot die Möglichkeit in sich, durch internationale Gesetze, Anordnungen und Vereinbarungen, die unter dem Druck Europas hervorgebracht wurden, bis zu einem gewissen Grad entschärft zu werden. Doch noch bis in unsere Tage ist dieses Konzept gewissermaßen der Haupthebel der Türken und der Balkanstaaten gewesen. Wir brauchen gar nicht die entferntere Vergangenheit in Betracht zu ziehen. Wir wollen lediglich einige Fälle aus jüngeren Tagen erwähnen: Die Umsiedlung der Griechen von Kleinasien nach Griechenland, der Türken von Griechenland nach Kleinasien, die letzte Umsiedlung der Türken aus Bulgarien und Rumänien in die Türkei. Während alle Balkanländer seit 1912 die Frage der nationalen Minderheiten durch Umsiedlung entweder gelöst haben oder im Begriff stehen zu lösen, sind wir bei den langsamen und trägen Methoden der Schrittweisen Kolonisation geblieben. Ihre Ergebnisse waren negativ. Das dem so ist, davon zeugen bestens die Statistiken der 18 Bezirke, die das albanische Dreieck ausmachen. Aus den statistischen Angaben geht hervor, daß der natürliche Zuwachs der Albaner in jenen Gegenden größer ist als die Gesamtzahl unseres natürlichen Zuwachses zusammen mit den Kolonisten (von 1921 bis 1931 vermehrten sich die Albaner um 68.060, während sich die Serben um 58.743 vermehrt hatten; die Differenz beträgt 9315 zugunsten der Albaner). Wenn man den wilden Charakter und den ausgeprägten Zuwachs der Albaner sowie die immer schwierigeren Bedingungen der Kolonisation nach den alten Methoden berücksichtigt, wird dieses Mißverhältnis mit der Zeit immer größer werden; am Ende wird es auch die bescheidenen Kolonisationserfolge, die wir seit 1918 bis heute erreicht haben, in Frage stellen.
2. Selbst die Methode der schrittweisen Kolonisation wurde nicht im erforderlichen Maße durchgeführt. Das Schlechteste dabei ist, daß es für ein dermaßen wichtiges Problem keinen festgelegten Staatsplan gab, der für jede Regierung und jedes Regime verbindlich gewesen wäre. Man arbeitete stückweise, in den Tag hinein, jeder Minister zerstörte das, was sein Vorgänger geleistet hatte, wobei auch er selbst nichts solides zustande brachte. Man änderte Gesetze und Verordnungen, doch wurden sie, so schwach sie auch waren, nicht einmal umgesetzt. Einige Leute, insbesondere Abgeordnete, gesetzt den Fall sie kämen aus anderen Bezirken, gingen herunter in den Süden, wenn es ihnen nicht gelang ein Mandat für ihren eigenen Bezirk zu erobern, und schmeichelten, die großen nationalen und staatlichen Interessen auf diese Weise opfernd, den nicht nationalen Elementen, um ein Mandat zu erobern. Der Kolonisationsapparat war ungeheuer kostspielig, aufgebläht und voller Leute, die nicht nur unfähig, sondern häufig auch skrupellos waren, so daß ihre Arbeit in Wirklichkeit eine besondere Frage darstellte. Man sollte ruhig einmal eine großen Geldsummen zusammenrechnen, die dieser Staat in die Kolonisation investierte, und sie auf die Anzahl der kolonisierten Familien umrechnen, um zu sehen, wie teuer jedes nach dem Krieg errichtete Haus war, ohne die Frage zu berücksichtigen, ob sie von den Kolonisten oder vom Staat gebaut wurden. Ebenso interessant wäre es, die Proportionen zwischen den Privatausgaben und den, für unsere Kolonisation verausgabten Materialien in Betracht zu ziehen. Früher jedenfalls hat Serbien dieses Problem anders gelöst. Während des ersten Aufstands verfügten Karageorg, Milo, Mihailo, Jovan Ristic über kein besonderes Agrar- Reformministerium, weder über Agrargeneralinspekteure noch über einen teueren Apparat. Trotzdem säuberten sie Serbien vom fremden Element, bevölkerten es mit eigenen Bewohnern, rodeten die endlosen Wälder der Sumadija, und machten aus der einstmals wilden Gegend die heutige fruchtbare Sumadija.
3. Auch die mehrere Tausend zählenden Familien, die sich nach dem Krieg niedergelassen haben, schlugen an den neuen Orten keine Wurzeln. In Kosovo gab es mehr Erfolg, insbesondere im Labi- Tal, wo die Toplicaner selbst von Norden nach Süden vordrangen. Hier wurden die ältesten und stabilsten Kolonien mit vermischten Elementen aus unseren verschiedenen Gebieten gegründet. In Drenica und Metohija gab es dagegen keine Erfolge. Die Kolonisierung darf niemals nur mit Montenegrinern durchgeführt werden. Wir glauben nicht, daß sie wegen ihrer, den Hirten eigenen, Trägheit etwa ein schlechtes Kolonisationselement wären. Diese Trägheit tritt nur in der ersten Generation auf. Die zweite Generation ist ganz anders, sie ist aktiver und praktischer. Petrovo Selo in Miroc an der Donau, das fortgeschrittenste Dorf in Krajina, ist nur von Montenegrinern bewohnt. Und heute kann man in Serbien Tausende fortgeschrittene Wirtschaften finden, insbesondere in Toplica und Kosanica, die die mit den fortgeschrittensten Elementen vermischten Montenegriner der ersten Generation geschaffen haben. Das gilt insbesondere für Metohija, wo das direkte sich Stützen auf die alten Städten die Möglichkeit schuf, die alten Sitten und Bräuche zu bewahren. Es genügt, nach Pec zu gehen, einen Blick in die Kaffeehäuser zu werfen, um sich davon zu überzeugen. Deshalb hatte die Kolonisation in ganz Metohija wenig Erfolg. Man muß zugeben, daß sich diese Kolonien schlecht eingerichtet hatten, auf unfruchtbarem von Gestrüpp gerodeten Boden und fast gänzlich ohne die erforderlichen landwirtschaftlichen Geräte. Doch gerade sie hätte man mehr unterstützen müssen als andere, da sie mit dem ärmsten montenegrinischen Element kolonisiert sind.
4. Der Hauptgrund des Mißerfolgs unserer Kolonisation in diesen Gebieten war zweifellos die Tatsache, daß der beste Boden in den Händen der Albaner blieb. Der einzig mögliche Weg der Massenkolonisation unseres Elements in diesen Gebieten hätte darin bestanden, den Albanern den Boden wegzunehmen. Nach dem Krieg, in der Zeit der Rebellion und der Aktionen der Komitaschis wäre das leicht zu realisieren gewesen, wenn man einen Teil der Albaner nach Albanien verjagt hätte, wenn man die von ihnen geraubten Weiden nicht legitimiert, sondern gekauft hätte. Erneut sehen wir uns veranlaßt, an dieser Stelle zu dem groben Fehler unseres Nachkriegskonzepts über das Bodenrecht zurückzukommen. Anstatt das eigene Konzept der Albaner, hinsichtlich des von ihnen geraubten Bodens auszunutzen, kam es vor, daß sie über einen Grundbuchauszug aus der Türkei verfügten. Und wenn, ohnehin nur für gekauften Boden, legitimierten wir den ganzen Bodenraub nicht nur zu unserem nationalen und staatlichen Schaden, wir brachten den Albanern auch, was noch schlimmer ist, die Ideen Westeuropas über den Besitz von Privateigentum bei. Vorher hatten sie keine Ahnung von diesen Ideen. Auf diese Weise gaben wir selbst ihnen diese Waffe in die Hand, mit der sie sich verteidigen werden. Und sie werden die besten Böden behalten und uns die Nationalisierung eines der wichtigsten Gebiete zu unseren Gunsten unmöglich machen.
Aus allem, was oben gesagt wurde, geht hervor, daß die bisherigen Methoden unserer Kolonisationspolitik im Süden nicht jene Ergebnisse gezeigt haben, die eigentlich erreicht werden müßten, und die sich uns nunmehr als großes staatliches Erfordernis aufzwingen. Diese Methoden haben wir nicht um der Kritik willen kritisiert, sondern vielmehr deshalb, um auf Grundlage der Erfahrung die richtigen Wege zur Lösung dieser Frage zu finden.