[h1]Medwedew: Mussten Südossetien und Abchasien anerkennen [/h1]
[h2]Russischer Präsident zieht Verglich mit dem Kosovo - Saakaschwili fordert Handeln gegen Russland - Kouchner: Moskau hat womöglich noch andere Ziele[/h2]
Moskau/Berlin - Russland hat im Konflikt mit Georgien nach den Worten von Präsident Dmitri Medwedew keine andere Wahl gehabt, als Abchasien und Südossetien anzuerkennen. Der Westen habe durch sein Vorgehen im Kosovo mit zu dem Konflikt beigetragen, schrieb Medwedew in einem Beitrag für die "
Financial Times" (Mittwochausgabe).
Ungeachtet der Warnungen Russlands hätten westliche Staaten allzu eilig die unrechtmäßige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien anerkannt. "Wir haben stets darauf hingewiesen, dass es danach unmöglich sein würde, den Abchasen und Osseten (und Dutzenden anderen Gruppen in der Welt) zu sagen, dass das, was für die Kosovo-Albaner gut war, für sie nicht gut genug sein soll." Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili fordert unterdessen die Weltgemeinschaft auf, gegen Russland aktiv zu werden.
Medwedew: Abchasien und Südossetien Sonderfälle
In einem Interview mit dem US-Nachrichtensender
CNN verwehrte sich Medwedew am Mittwoch gegen Vorwürfe, Moskau messe in den Fällen Kosovo und Südossetien mit zweierlei Maß. "Unsere Kollegen haben bei mehreren Gelegenheiten gesagt, dass der Kosovo ein Sonderfall ist. In Ordnung. Aber dann sind auch Abchasien und Südossetien Sonderfälle", spielte er den Ball an die westlichen Unterstützer der Unabhängigkeit des Kosovo zurück.
Die Situation im Kosovo unterscheide sich "völlig" von jener in den abtrünnigen georgischen Republiken. "Jeder Staat entscheidet für sich, ob er ein Volk als Völkerrechtssubjekt anerkennen will oder nicht. Unserer Ansicht nach lieferte die Situation im Kosovo nicht ausreichend Grundlagen für eine Anerkennung. Die Georgier betrieben (dagegen) ethnische Säuberungen und Völkermord - sowohl Anfang der 1990er Jahre als auch in jüngster Zeit", argumentierte der russische Präsident. Der Kosovo wurde im Jahr 1999 unter UNO-Verwaltung gestellt. Zuvor flog die NATO Luftangriffe gegen Serbien. Argumentiert wurde dies mit einer "humanitären Intervention", um serbische Übergriffe in der Provinz gegen Albaner zu stoppen.
"Wir brauchen nicht noch einen Kalten Krieg"
Von der künftigen US-Regierung wünscht sich Medwedew, "dass sie pragmatisch ist" und keine ideologiegeladene Politik betreibe. "Wir brauchen nicht noch einen Kalten Krieg oder eine moderne Neuauflage davon", richtete der russische Präsident den US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain aus. Russland wünsche sich "konstruktive und umfassende Beziehungen" mit dem Westen. "Wir haben Meinungsverschiedenheiten, aber sie sind nicht unüberwindbar. Wenn man die Probleme nicht aufbläst und versucht, einen neuen Kalten Krieg anzuzetteln, dann wird nichts Schlimmes passieren."
Kouchner: Russland hat womöglich noch andere Ziele
Die französische EU-Ratspräsidentschaft befürchtet, dass Russland nach der Georgien-Krise und der Anerkennung der Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien noch in weiteren Fällen Grenzverschiebungen anstreben könnte. Es könne "andere Ziele" geben, sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner am Mittwoch im Radiosender Europe 1. Er nannte dabei "insbesondere die Krim, die Ukraine und Moldawien".
"Das ist sehr gefährlich", sagte Kouchner. "Die Konflikte im Kaukasus sind äußerst hart." Dort hätten sich Völker über Jahrhunderte bekämpft. Er hoffe nicht, dass es zu weiteren Konfrontationen komme. "Es muss die politische Lösung vorgezogen werden."
"Sie werden auch andere benachbarte Länder angreifen"
Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili hat als Reaktion auf die Anerkennung der abtrünnigen Provinzen die Weltgemeinschaft zum Handeln aufgefordert. Das russische Vorgehen sei eine unverhohlene Herausforderung für die Weltordnung, sagte Saakaschwili der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Es liege nun "an uns allen, die russische Aggression zurückzudrängen. Wenn sie damit durchkommen, werden sie weitermachen ... sie werden auch andere benachbarte Länder angreifen." Die internationalen Reaktionen zeigten ihm, dass die Menschen die Realitäten begriffen hätten.
In einem Interview der "Bild"-Zeitung (Mittwochausgabe) lobte Saakaschwili Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer entschlossenen Haltung gegenüber Russland. Die deutsche Regierungschefin habe "harte Worte" gefunden - "sie versteht, wie die Russen sind. Sie hat schließlich unter ihnen gelebt. Sie weiß, dass Lügen für sie ein normales Mittel der Kommunikation ist, und dass sie sehr brutal sein können."
Merkel besorgt
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel distanzierte sich zuvor schon von der Forderung des russischen Parlaments. Sie sehe dies mit "großer Sorge", sagte Merkel in Stockholm nach einem Gespräch mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt.
Merkel will auch bei ihrer aktuellen Reise ins Baltikum in Estland und Litauen über die Haltung der Europäischen Union gegenüber Russland sprechen. Die baltischen Staaten verlangen eine härtere Gangart. Merkel dringt darauf, dass die russischen Truppen das Kerngebiet in Georgien wie im Sechs- Punkte-Friedensplan vereinbart vollständig verlassen, setzt aber zugleich auf einen Dialog mit Moskau. Sie hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die Europäische Union bei ihrem Sondergipfel in Brüssel am Montag eine gemeinsame Haltung zur
weiteren Vorgehensweise im Kaukasus-Konflikt findet.
USA bedauern Russlands Schritt
US-Außenministerin Condoleezza Rice bedauerte den Schritt Russlands. Mit Hinweis auf das Vetorecht der USA im UN-Sicherheitsrat sagte sie, dass die Unabhängigkeit der beiden Regionen "ein totgeborenes Kind" sei. Rice bezeichnete es als sehr schade, dass Russland der internationalen Diskussion über die Zukunft der Kaukasus-Region damit vorgreife und Fakten schaffen wolle.
Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer erklärte, die jüngsten Schritte stellten Russlands Eintreten für Frieden und Sicherheit im Kaukasus in Zweifel. Die Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens sei eine klare Verletzung von UN-Resolutionen. Der Vorsitzende der OSZE, Finnlands Außenminister Alexander Stubb, sagte, sie widerspreche auch den Prinzipien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Russland sollte diese Prinzipien einhalten, indem es die territoriale Integrität und die Souveränität Georgiens respektiere sowie seine Truppen abziehe. (APA/dpa/red)