skorpion
Der Neurosenkavalier
Hier haben wir anscheinend Differenzen in der Terminologie. Kommunismus ist, was im Kommunistischen Manifest steht und was Marx ansonsten noch erklärend dazu geäußert hat. Er ist, wenn man so will, Inhaber des Copyrights.Du machst es dir aber arg einfach. Der Stalinismus war eine der möglichen Fortentwicklungen des Leninismus und als solcher sehr wohl Bestandteil des Kommunismus, auch wenn Karl Marx sich angesichts von Stalins Politik sicher im Grabe umgedreht hätte.
Die Diktatur der Partei war bereits unter Lenin erdacht und verwirklicht worden, unter Stalin kamen einige Dinge dazu, z.B. der Personenkult, die paranoide Verfolgung potentieller Gegner und die totale Fokussierung der kommunistischen Bewegung auf das Wohl der Sowjetunion als dem Land, in dem der Kommunismus zuerst verwirklicht werden sollte.
Glaubst du etwa, die Bolschewiki hätten es allein mit Enteignungen und ansonsten menschlichen Methoden geschafft, sich im Krieg mit den "Weißen" und den ausländischen Interventionsmächten durchzusetzen?
Was verstehst du unter einer kommunistischen Staatsordnung? Die Vision von Marx und Engels oder das, was zuerst in Russland und dann anderswo praktiziert wurde?
Dass das, was in der Sowjetunion praktiziert wurde, mit Befreiung nicht mehr viel zu tun hatte, haben damals auch viele Linke sofort erkannt.
Und das mit der Gewaltfreiheit haben die Insassen der Lubjanka oder irgendwelcher Gulags sicher auch ein wenig anders erlebt...
Das ist tatsächlich ein sehr großes Problem, und in der Tat wiederum ein auffälliger Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus, da der Kommunismus eigentlich Freiheit und Gleichheit verwirklichen soll, in der Praxis jedoch bisher immer in totalitären Parteidiktaturen endete, während der NS dieses Dilemma nicht kennt, da es in der "Volksgemeinschaft" eh keinen Bedarf nach persönlicher oder politischer Freiheit geschweige denn Gleichheit zu geben hat.
Leninismus, Trotzkismus, Spartakismus, Maoismus, Stalinismus, Titoismus und sogar Marxismus berufen sich zwar auf den Kommunismus als Grundidee, sind aber eigentlich nur der zusammengesponnene ideologische Überbau, der das Verhalten und die Ziele realexistierender Politiker, deren Politik sich ziemlich weit von der Grundidee entfernt hatte, deuten und idealisieren sollte. Teilweise waren ideologische Umbauten erforderlich (das zaristische Rußland hatte bspw. kein nennenswertes industrielles Proletariat), in der Mehrzahl der Fälle hat man sich jedoch die Theorie so hingebogen, wie sie am besten das eigene (Fehl-)verhalten rechtfertigte.
Die Diktatur des Proletariats ist konzeptionell als Übergangsform vorgesehen (für die Zeit der Revolution und unmittelbar danach), dann sollte der Sozialismus die Eigentumsverhältnisse korrigieren und schließlich in den Kommunismus münden, in dem alle zur Mehrung des Gemeinwohls zusammenarbeiten. Dazu ist es in der Praxis nie gekommen, diese Welt hat noch keine kommunistische Gesellschaft gesehen. Und es ist fraglich, ob sie es jemals wird.
Oder um noch konkreter auf Deine Frage zu antworten: Eine Revolution ist ihrer Natur nach ein gewaltsamer Umsturz einer bestehenden Gesellschaftsordnung. Dabei kommen Recht und Ordnung naturgemäß zu kurz und je nach Stärke der konterrevolutionären Kräfte kommt es zu mehr oder weniger heftigen Auseinandersetzungen bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Nach erfolgreich durchgeführter Revolution (und erst lange danach kann man von Kommunismus sprechen), muß eine zivile Gesellschaftsordnung mit Recht und Gesetz geschaffen werden, an die auch der Staat gebunden ist. Selbstverständlich ohne unmenschliche Methoden.