Falls jemand Friedrich Orter nicht kennt, er hat in den 90er Jahren von den Kriegen in Ex-Yu für den ORF berichtet und auch ein Buch geschrieben, besser gesagt er hat mehrere Bücher geschrieben.
Sebastian Brauneis, Sohn des Kameramannes von Friedrich Orter. Lesenswert, auch wenn es ein wenig mehr Buchstaben sind
""Mein Vater war oft in Afghanistan … "
Ich "kenne" Friedrich Orter seit 42 Jahren. Meine gesamte Kindheit und Jugend waren seine TV-Berichte eine Art Garant dafür, dass mein Vater noch am Leben war.
Denn mein Vater war damals beruflich mit Fritz viel unterwegs. Als Kameramann und "Kriegsberichterstatter", "…hoffentlich durch unsere Arbeit »Friedensberichterstatter«.“ wie Orter zu sagen pflegte.
Mein Vater und er glaubten tatsächlich daran, dass sich etwas ändert, wenn es die Welt erfährt.
Mein Vater war oft in Afghanistan. Zur Zeit des russischen "Engagements", damals, noch im "kalten Krieg" - als die CIA die Mujahideen ausgiebig mit Waffen versorgt hatte. Eine zynische Umkehr, absurder Rollentausch in der "Stellvertreterkriegs-Praktik", keine 5 Jahre nach "Vietnam". Waren es in Vietnam doch die UDSSR, die den Vietcong mit Waffenlieferungen gegen die USA unterstützen.
Afghanistan sollte damals das "Vietnam" der CCCP werden. Die USA waren so stolz auf ihren "Erfolg" der militärischen Hilfe - und so verzweifelt auf der Suche nach Kompensation für ihr eigenes, das echte "Vietnam" - dass sich sogar ein ganzer RAMBO Film zu diesem Thema ausging.
Mein Vater war in Afghanistan, als ab 1985 Kabul regelmäßig mit Raketen beschossen wurde und mitten in der Nacht die gesamte Westseite des Hotel Sheraton einstürzte. Er und die Kolleg*innen schliefen in der Ostseite.
Mein Vater war in Afghanistan, als die berüchtigten "bunten" Landminen der russischen Streitkräfte für zahllose tote und verstümmelte Kinder verantwortlich waren. Zusammen mit den Ereignissen im Yugoslawien Konflikt sollten es diese Bilder sein, die das schreckliche Mordwerkzeug Landmine signifikant ächten sollten.
Mein Vater war in Afghanistan als 1987 die Zahl der "Spezial-Operationen" ein letztes Mal intensiviert wurden, und als immer mehr Salafisten unterschiedlicher Prägung in den Krieg einsickerten um gegen die atheistischen Soviets eine Jihad zu führen und den Krieg damit nicht nur "heilig" sondern auch persönlicher und gegenüber der Bevölkerung und den Gegnern noch grausamer werden zu lassen. Unter den Jihadisten auf Seiten der Mujahideen damals ein junger Saudi namens Osama Bin Laden.
Mein Vater war in Afghanistan, als der andauernde asymmetrische Krieg und die erfolglosen und darum immer schonungsloseren Repressalien gegen die Zivilbevölkerung soweit eskalierte, dass man eigentlich nicht mehr von Zivilbevölkerung sprechen konnte. So tief hatten sich 9 Jahre Krieg und 2 Millionen Tote in alle Familien und alle Bewohner*innen des Landes hineingedrängt.
Mein Vater war in Afghanistan und hat von 1978 bis 1989 nur verstümmelte, misshandelte, vergessene, missbrauchte, entstellte und benutze Schicksale abgelichtet.
Mein Vater war in Afghanistan, das ein Beispiel ist für die menschenverachtenden Zynismen und auch die Gnadenlosigkeit von geopolitisch missbrauchten und stets längts überalterten Ideologien.
Mein Vater war in Afghanistan, als Gorbatschow die Russen schließlich nach 9 Jahren abzog und damit auch die USA und GB sofort das Interesse an diesem Land, dieser Nation verloren. Kein Wiederaufbau, keine Devisen, keine zivilen Strukturen. Was blieb waren lediglich Waffenhandels-Netzwerke, ein vernichtetes Schulsystem, keine soziale Sicherheit und etablierte Opiumrouten. Das Vermächtnis des westlichen und östlichen Engagements.
Mein Vater war dann nicht mehr so oft in Afghanistan - die Balkankriege I bis IV, Somalia, Desert Storm I bis III, Iran-Irak II u. III und natürlich der Wahnsinn in Chechnya - in den 1990ern war plötzlich überall gleichzeitig Krieg. Und Europa war auf der Loveparade …
Damals war niemand in Afghanistan. Doch, einmal war mein Vater in Afghanistan. Um zu filmen wie das Engagement der englischen Prinzessin Diana mithilft, das Land von Landminen zu säubern die teilweise heute(!) noch explodieren und töten.
Damals sind ihm die hunderten, tausenden Waisenkinder aufgefallen. Ihre Eltern Opfer der Gewalt. Sie selber nur im Krieg und auf der Flucht aufgewachsen. Von Weltmächten und Interessensgruppen zwischen Pakistan, Afghanistan und dem Iran hin und hergeschoben. Vom Krieg und seinen Eigenheiten erzogen und geprägt. Und während "der Westen" und der Warschauer Pakt sofort weg waren, sind die Salafisten geblieben. Und die zahllosen gelieferten und fast unbenutzten Waffen.
Er hat sie gefragt, ob er sie fotografieren darf. Erst als er mit der Crew aus dem Dorf abfuhr, wurde ihm klar, dass die Kinder deshalb so "geschockt" waren, weil sich überhaupt jemand für Sie interessierte. Nicht aus Angst, sondern aus Unglauben. Das sich in Lachen verwandelte wenn der Blitz mit seinem Fiepen auslöste. Es war dennoch unheimlich. Ganze Dörfer, nur Kinder. Alle Erwachsenen tot oder verschleppt.
Mein Vater war nicht in Afghanistan, als sich diese Kinder des ersten Afghanistankriegs, elternlos, frustriert, im Stich gelassen, ignoriert, von salafistischen Radikalen indoktiniert, von Gewalt geprägt und schwer bewaffnet den Namen Taliban gaben.
Mein Vater war in Afghanistan, als die USA dort einen Saudi-Arabischen Staatsbürger namens Osama bin Laden suchten, der selbst fast nie in Afghanistan war, sondern nahezu sein ganzes Leben in Pakistan verbracht hatte. Denn Saudi Arabien und Pakistan sind wichtige Verbündete der USA.
Mein Vater war in Afghanistan, als der erste deutsche Soldat in einem
Kampfeinsatz der Koalition erschossen wurden.
Ironie des Schicksals. Mein Vater hat in wenigen Tagen Geburtstag. Just jetzt, als Afghanistan vor einer neuerlichen Scheide steht. Aber mein Vater ist bereits verstorben. Nicht in Afghanistan. In Österreich. Nicht durch Gewalt. Sondern allein, einsam und von uns, seiner Familie abgeschnitten, entfremdet. Auch immer auf der Flucht, gewissermaßen. Denn er war ein Leben lang im Krieg.
So wie auch Friedrich Orter ein Leben lang im Krieg war. Weil er den Frieden gesucht hat. Weil Leute wie er oder mein Papa etwas verstehen wollten, in dieser unvorstellbaren und unverstehbaren Sache namens "Krieg". Wo es nur zu verstehen gibt, dass es nichts zu verstehen gibt, weil etwas ohne Sinn und so destruktiv unverständlich ist. Aber trotzdem waren Fritz und Papa im
Krieg. Und sie sind es - wie gesagt - ein Leben lang geblieben.
Und der Krieg war damit immer in meinem Leben. Wenn ich an Afghanistan denke, das Wort höre, dann erinnere ich mich vor allem an Geburtstage am Telefonhörer. Am einen Ende 1020 Wien, am anderen Ende das Sheraton Kabul. Ich erinnere mich an Angst und Ungewissheit und eine absurde Erleichterung wenn Fritz Orters Stimme und die Bilder meines Vaters aus Afghanistan in der ZIB oder im Auslandsreport liefen.
Und ich erinnere mich an unzählige BetaVideo-Tapes mit Stunden um Stunden von jenem verstörenden Bildmaterial, dass die ZIB nie zeigen konnte. Und das ich wohl nie hätte ansehen dürfen. Was ich aber dennoch heimlich und verbotenerweise tat. Afghanistan.
Was mich am meisten an diesem Land und diesem Krieg beschäftigt, der mich meine ganze Kindheit begleitet, geängstigt und geprägt hat, ist der Umstand wie groß sein Wirken war. Auf mich. Als Kind. In einer Altbauwohnung mit Blick auf den grünen Prater. Mit Gasetagenheizung. Mit elekrischem Licht. Mit Kabelfernsehen (wir waren Anfang der 1980er Testhaushalt). Mit Kühlschrank. Mit Naschlade. Mit Schülerfreifahrt. Mit Blockflötenunterricht. Mit Buchclub in der Volksschule. Und nicht in Afghanistan. Im Flüchtlingslager. Im Winter. Ohne Eltern. Allein.
Ich habe Respekt vor dem Menschen. Vor dem Leben. Vor dem Individuum. Respekt vor der Augenzeugenschaft. Großen Respekt vor Bildung und Kultur. Noch größeren Respekt vor Lebens und Berufserfahrung. Das zählt bei mir persönlich viel.
Wofür ich aber lediglich Verachtung habe ist für Maulheldentum und Ahnungslosigkeit. Für Faulheit und Bequemlichkeit. Für die Feigheit derer, die ohne den Schimmer einer Ahnung aus der Sicherheit ihrer Kinderzimmer und von ihren Stammtischen aus große Reden schwingen um bei anderen Herz und Hirnlosen gut dazustehen.
Dumme Wichtigmacher. Großmäuler und Klassentrotteln. Alle nie mehr ernstzunehmen. Ordinär und dumm. Und ob ich hier über Sebastian Kurz, Karl Nehammer, sonstige Abschiebekaiser, grüne Steigbügelhalter solcher Ungustiösitäten oder wen auch immer spreche, sei dem Eindruck der Leser*innen überlassen.
Und ich würde mir tatsächlich wünschen, dass nun nicht jede*r klug daherschreibt, postet und kommentiert, was "die Afghanen" jetzt am Besten "in Afghanistan" zu machen hätten.
[Nachsatz:]
Besonders betrifft es all jene von uns, die wir journalistischen Idealen verpflichtet sind, uns selbst einem journalistischen Ethos versprochen haben. Und damit Verantwortung UND Verpflichtung tragen.
Es betrifft uns alle, die wir "irgendwas mit Medien" arbeiten weil wir, so will es die Natur der Sache, Reporter*innen per Profession sind.
Durch Menschen wie Fritz, meinen Papa, Antonia Rados, Max Winter, Hugo Portisch, Kurt Kuch und zahllose andere integre Presseleute habe ich größte Achtung und Bewunderung für diesen herausfordernden Job, der für mich nie weniger als auch Lebenseinstellung war. Und Zugehörigkeit zu einem gewissen "Schlag" von wachen, kritischen und der "Nachricht" verpflichteten Staatsbürger*innen.
Wir sind es uns selbst, unseren Kolleg*innen, der Berichterstattung und aber auch jeder anderen Form von "Geschichtenerzählen" schuldig, dass wir Idealen der Menschlichkeit, der Wahrhaftigkeit, der Transparenz und der Würde des Menschen verpflichtet sind!
Noch vor allen Excellisten, Quoten, Beliebtheitswerten, Verkauszahlen und Reichweiten!
Es ist mein Sehnlichster Wunsch, dass gerade die Mitarbeiter*innen der einflussreichen Medien diese Ideale, Werte und Prinzipien wieder ins Zentrum ihrer Berufsleben rücken. Das endlich diese Ideale, Werte und Prinzipien wieder "cool" und erstrebenswert werden.
Und das sich so ein "Stolz" eines Berufsstandes zum Wohle aller und zum Beitrag für eine gerechtere, bessere und aufgeklärtere Welt entfaltet.
Denn auch und gerade für uns gilt, dass die zahllosen sinnlosen Tode allerorten nicht bedeutungslos werden und sein dürfen.
scb
#humanitärehilfe #warreporter #pressefreiheit #Afghanistan #Kabul #Menschlichkeit #journalistischerethos #professionereporter #populismus Carl Brauneis"
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Sebastian Brauneis, Sohn des Kameramannes von Friedrich Orter. Lesenswert, auch wenn es ein wenig mehr Buchstaben sind
""Mein Vater war oft in Afghanistan … "
Ich "kenne" Friedrich Orter seit 42 Jahren. Meine gesamte Kindheit und Jugend waren seine TV-Berichte eine Art Garant dafür, dass mein Vater noch am Leben war.
Denn mein Vater war damals beruflich mit Fritz viel unterwegs. Als Kameramann und "Kriegsberichterstatter", "…hoffentlich durch unsere Arbeit »Friedensberichterstatter«.“ wie Orter zu sagen pflegte.
Mein Vater und er glaubten tatsächlich daran, dass sich etwas ändert, wenn es die Welt erfährt.
Mein Vater war oft in Afghanistan. Zur Zeit des russischen "Engagements", damals, noch im "kalten Krieg" - als die CIA die Mujahideen ausgiebig mit Waffen versorgt hatte. Eine zynische Umkehr, absurder Rollentausch in der "Stellvertreterkriegs-Praktik", keine 5 Jahre nach "Vietnam". Waren es in Vietnam doch die UDSSR, die den Vietcong mit Waffenlieferungen gegen die USA unterstützen.
Afghanistan sollte damals das "Vietnam" der CCCP werden. Die USA waren so stolz auf ihren "Erfolg" der militärischen Hilfe - und so verzweifelt auf der Suche nach Kompensation für ihr eigenes, das echte "Vietnam" - dass sich sogar ein ganzer RAMBO Film zu diesem Thema ausging.
Mein Vater war in Afghanistan, als ab 1985 Kabul regelmäßig mit Raketen beschossen wurde und mitten in der Nacht die gesamte Westseite des Hotel Sheraton einstürzte. Er und die Kolleg*innen schliefen in der Ostseite.
Mein Vater war in Afghanistan, als die berüchtigten "bunten" Landminen der russischen Streitkräfte für zahllose tote und verstümmelte Kinder verantwortlich waren. Zusammen mit den Ereignissen im Yugoslawien Konflikt sollten es diese Bilder sein, die das schreckliche Mordwerkzeug Landmine signifikant ächten sollten.
Mein Vater war in Afghanistan als 1987 die Zahl der "Spezial-Operationen" ein letztes Mal intensiviert wurden, und als immer mehr Salafisten unterschiedlicher Prägung in den Krieg einsickerten um gegen die atheistischen Soviets eine Jihad zu führen und den Krieg damit nicht nur "heilig" sondern auch persönlicher und gegenüber der Bevölkerung und den Gegnern noch grausamer werden zu lassen. Unter den Jihadisten auf Seiten der Mujahideen damals ein junger Saudi namens Osama Bin Laden.
Mein Vater war in Afghanistan, als der andauernde asymmetrische Krieg und die erfolglosen und darum immer schonungsloseren Repressalien gegen die Zivilbevölkerung soweit eskalierte, dass man eigentlich nicht mehr von Zivilbevölkerung sprechen konnte. So tief hatten sich 9 Jahre Krieg und 2 Millionen Tote in alle Familien und alle Bewohner*innen des Landes hineingedrängt.
Mein Vater war in Afghanistan und hat von 1978 bis 1989 nur verstümmelte, misshandelte, vergessene, missbrauchte, entstellte und benutze Schicksale abgelichtet.
Mein Vater war in Afghanistan, das ein Beispiel ist für die menschenverachtenden Zynismen und auch die Gnadenlosigkeit von geopolitisch missbrauchten und stets längts überalterten Ideologien.
Mein Vater war in Afghanistan, als Gorbatschow die Russen schließlich nach 9 Jahren abzog und damit auch die USA und GB sofort das Interesse an diesem Land, dieser Nation verloren. Kein Wiederaufbau, keine Devisen, keine zivilen Strukturen. Was blieb waren lediglich Waffenhandels-Netzwerke, ein vernichtetes Schulsystem, keine soziale Sicherheit und etablierte Opiumrouten. Das Vermächtnis des westlichen und östlichen Engagements.
Mein Vater war dann nicht mehr so oft in Afghanistan - die Balkankriege I bis IV, Somalia, Desert Storm I bis III, Iran-Irak II u. III und natürlich der Wahnsinn in Chechnya - in den 1990ern war plötzlich überall gleichzeitig Krieg. Und Europa war auf der Loveparade …
Damals war niemand in Afghanistan. Doch, einmal war mein Vater in Afghanistan. Um zu filmen wie das Engagement der englischen Prinzessin Diana mithilft, das Land von Landminen zu säubern die teilweise heute(!) noch explodieren und töten.
Damals sind ihm die hunderten, tausenden Waisenkinder aufgefallen. Ihre Eltern Opfer der Gewalt. Sie selber nur im Krieg und auf der Flucht aufgewachsen. Von Weltmächten und Interessensgruppen zwischen Pakistan, Afghanistan und dem Iran hin und hergeschoben. Vom Krieg und seinen Eigenheiten erzogen und geprägt. Und während "der Westen" und der Warschauer Pakt sofort weg waren, sind die Salafisten geblieben. Und die zahllosen gelieferten und fast unbenutzten Waffen.
Er hat sie gefragt, ob er sie fotografieren darf. Erst als er mit der Crew aus dem Dorf abfuhr, wurde ihm klar, dass die Kinder deshalb so "geschockt" waren, weil sich überhaupt jemand für Sie interessierte. Nicht aus Angst, sondern aus Unglauben. Das sich in Lachen verwandelte wenn der Blitz mit seinem Fiepen auslöste. Es war dennoch unheimlich. Ganze Dörfer, nur Kinder. Alle Erwachsenen tot oder verschleppt.
Mein Vater war nicht in Afghanistan, als sich diese Kinder des ersten Afghanistankriegs, elternlos, frustriert, im Stich gelassen, ignoriert, von salafistischen Radikalen indoktiniert, von Gewalt geprägt und schwer bewaffnet den Namen Taliban gaben.
Mein Vater war in Afghanistan, als die USA dort einen Saudi-Arabischen Staatsbürger namens Osama bin Laden suchten, der selbst fast nie in Afghanistan war, sondern nahezu sein ganzes Leben in Pakistan verbracht hatte. Denn Saudi Arabien und Pakistan sind wichtige Verbündete der USA.
Mein Vater war in Afghanistan, als der erste deutsche Soldat in einem
Kampfeinsatz der Koalition erschossen wurden.
Ironie des Schicksals. Mein Vater hat in wenigen Tagen Geburtstag. Just jetzt, als Afghanistan vor einer neuerlichen Scheide steht. Aber mein Vater ist bereits verstorben. Nicht in Afghanistan. In Österreich. Nicht durch Gewalt. Sondern allein, einsam und von uns, seiner Familie abgeschnitten, entfremdet. Auch immer auf der Flucht, gewissermaßen. Denn er war ein Leben lang im Krieg.
So wie auch Friedrich Orter ein Leben lang im Krieg war. Weil er den Frieden gesucht hat. Weil Leute wie er oder mein Papa etwas verstehen wollten, in dieser unvorstellbaren und unverstehbaren Sache namens "Krieg". Wo es nur zu verstehen gibt, dass es nichts zu verstehen gibt, weil etwas ohne Sinn und so destruktiv unverständlich ist. Aber trotzdem waren Fritz und Papa im
Krieg. Und sie sind es - wie gesagt - ein Leben lang geblieben.
Und der Krieg war damit immer in meinem Leben. Wenn ich an Afghanistan denke, das Wort höre, dann erinnere ich mich vor allem an Geburtstage am Telefonhörer. Am einen Ende 1020 Wien, am anderen Ende das Sheraton Kabul. Ich erinnere mich an Angst und Ungewissheit und eine absurde Erleichterung wenn Fritz Orters Stimme und die Bilder meines Vaters aus Afghanistan in der ZIB oder im Auslandsreport liefen.
Und ich erinnere mich an unzählige BetaVideo-Tapes mit Stunden um Stunden von jenem verstörenden Bildmaterial, dass die ZIB nie zeigen konnte. Und das ich wohl nie hätte ansehen dürfen. Was ich aber dennoch heimlich und verbotenerweise tat. Afghanistan.
Was mich am meisten an diesem Land und diesem Krieg beschäftigt, der mich meine ganze Kindheit begleitet, geängstigt und geprägt hat, ist der Umstand wie groß sein Wirken war. Auf mich. Als Kind. In einer Altbauwohnung mit Blick auf den grünen Prater. Mit Gasetagenheizung. Mit elekrischem Licht. Mit Kabelfernsehen (wir waren Anfang der 1980er Testhaushalt). Mit Kühlschrank. Mit Naschlade. Mit Schülerfreifahrt. Mit Blockflötenunterricht. Mit Buchclub in der Volksschule. Und nicht in Afghanistan. Im Flüchtlingslager. Im Winter. Ohne Eltern. Allein.
Ich habe Respekt vor dem Menschen. Vor dem Leben. Vor dem Individuum. Respekt vor der Augenzeugenschaft. Großen Respekt vor Bildung und Kultur. Noch größeren Respekt vor Lebens und Berufserfahrung. Das zählt bei mir persönlich viel.
Wofür ich aber lediglich Verachtung habe ist für Maulheldentum und Ahnungslosigkeit. Für Faulheit und Bequemlichkeit. Für die Feigheit derer, die ohne den Schimmer einer Ahnung aus der Sicherheit ihrer Kinderzimmer und von ihren Stammtischen aus große Reden schwingen um bei anderen Herz und Hirnlosen gut dazustehen.
Dumme Wichtigmacher. Großmäuler und Klassentrotteln. Alle nie mehr ernstzunehmen. Ordinär und dumm. Und ob ich hier über Sebastian Kurz, Karl Nehammer, sonstige Abschiebekaiser, grüne Steigbügelhalter solcher Ungustiösitäten oder wen auch immer spreche, sei dem Eindruck der Leser*innen überlassen.
Und ich würde mir tatsächlich wünschen, dass nun nicht jede*r klug daherschreibt, postet und kommentiert, was "die Afghanen" jetzt am Besten "in Afghanistan" zu machen hätten.
[Nachsatz:]
Besonders betrifft es all jene von uns, die wir journalistischen Idealen verpflichtet sind, uns selbst einem journalistischen Ethos versprochen haben. Und damit Verantwortung UND Verpflichtung tragen.
Es betrifft uns alle, die wir "irgendwas mit Medien" arbeiten weil wir, so will es die Natur der Sache, Reporter*innen per Profession sind.
Durch Menschen wie Fritz, meinen Papa, Antonia Rados, Max Winter, Hugo Portisch, Kurt Kuch und zahllose andere integre Presseleute habe ich größte Achtung und Bewunderung für diesen herausfordernden Job, der für mich nie weniger als auch Lebenseinstellung war. Und Zugehörigkeit zu einem gewissen "Schlag" von wachen, kritischen und der "Nachricht" verpflichteten Staatsbürger*innen.
Wir sind es uns selbst, unseren Kolleg*innen, der Berichterstattung und aber auch jeder anderen Form von "Geschichtenerzählen" schuldig, dass wir Idealen der Menschlichkeit, der Wahrhaftigkeit, der Transparenz und der Würde des Menschen verpflichtet sind!
Noch vor allen Excellisten, Quoten, Beliebtheitswerten, Verkauszahlen und Reichweiten!
Es ist mein Sehnlichster Wunsch, dass gerade die Mitarbeiter*innen der einflussreichen Medien diese Ideale, Werte und Prinzipien wieder ins Zentrum ihrer Berufsleben rücken. Das endlich diese Ideale, Werte und Prinzipien wieder "cool" und erstrebenswert werden.
Und das sich so ein "Stolz" eines Berufsstandes zum Wohle aller und zum Beitrag für eine gerechtere, bessere und aufgeklärtere Welt entfaltet.
Denn auch und gerade für uns gilt, dass die zahllosen sinnlosen Tode allerorten nicht bedeutungslos werden und sein dürfen.
scb
#humanitärehilfe #warreporter #pressefreiheit #Afghanistan #Kabul #Menschlichkeit #journalistischerethos #professionereporter #populismus Carl Brauneis"
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