Kein Sieger im Gasstreit
Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine vorerst beendet. Beide Seiten unterzeichnen neuen Liefervertrag. Unterschiedliche Angaben zum Preis
Der monatelange Gasstreit zwischen Moskau und Kiew scheint beendet. Am Mittwoch unterzeichneten beide Seiten in Moskau einen Fünfjahresvertrag. Auf einer Pressekonferenz zeigten sich der Chef des russischen Staatsmonopolisten Gasprom, Alexej Miller, und Oleksy Iwtschenko vom ukrainischen Gasimporteur Naftogas zufrieden mit dem erzielten Abschluß.
Nach Angaben von Miller zahlt die ukrainische Seite rückwirkend ab 1. Januar einen Preis von umgerechnet 230 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter russischen Erdgases. »Wir haben eine endgültige Einigung erzielt. Diese ist für Gasprom erfolgreich, und wir sind zufrieden«, sagte Miller vor Journalisten in der russischen Hauptstadt, wie die Agentur Mosnews berichtete. »Dieser Vertrag wird eine stabile Versorgung von Europa gewährleisten«, ergänzte der Konzernchef.
Iwtschenko erklärte seinerseits, sein Unternehmen werde zukünftig Gas ab der russisch-ukrainischen Grenze zu 95 US-Dollar je 1000 Kubikmeter beziehen. »Wir haben ein akzeptable Übereinkunft erzielt. Diese gibt uns die Möglichkeit, die Gasversorgung der Ukraine mit dem Transport russischen Gases nach Europa zu verbinden«, sagte Iwtschenko.
Dieser scheinbare Widerspruch löst sich nach Auskunft eines Gasprom-Mitarbeiters relativ einfach auf. Der von Miller genannte Preis beziehe sich nur auf die direkten Lieferungen des Konzernes an die Ukraine. Der steige von bisher 50 auf nunmehr 230 US-Dollar. Im Rahmen eines komplexen Vertrages werde Gasprom nicht direkt an Naftogas, sondern an eine Gasprom-Tochterfirma mit Namen Rosukrenergo liefern. Diese zahle jene 230 Dollar an Gasprom und gebe Gas zum Preis von 95 Dollar an die Ukraine ab. Ermöglicht werde dies durch eine Mischkalkulation mit Erdgas aus Turkmenien und Kasachstan, das durch russische Rohrleitungen fließe und günstiger eingekauft werde. Dadurch könne Kiew in der Gesamtrechnung von jenem Durchschnittspreis von 95 Dollar ausgehen. Nach Angaben Iwtschenkos sehe das Abkommen zudem eine Erhöhung der Transitgebühr vor, die die Ukraine für die Durchleitung in andere europäische Staaten erhält.
Vermutlich ging es beiden Seiten bei der Einigung darum, das Gesicht zu wahren. Nach den zum Teil mit großer verbaler Aggressivität geführten Auseinandersetzungen wollte keine Seite als Verlierer dastehen. Moskau verlangte von Kiew einen marktüblichen statt des bisher subventionierten Preises für das gelieferte Gas. Die Ukraine bezichtigte Rußland im Gegenzug, sich mit der Gaspreiserhöhung in den beginnenden Wahlkampf einmischen zu wollen. Westliche Medien und Politiker hatten in dieser Auseinandersetzung fast ausnahmslos die Ukraine unterstützt, was Moskau zusätzlich unter Zugzwang setzte.
Nachdem im abgelaufenen Jahr keine Einigung erzielt worden war, hatte Gasprom am Neujahrstag medienwirksam den Gashahn für die Ukraine zugedreht. Eine Einstellung der russischen Lieferungen in die Nachbarrepublik war allerdings nur theoretisch möglich. Denn Gasprom befand sich in der prekären Situation, die milliardenschweren Lieferverträge mit westeuropäischen Geschäftspartnern einhalten zu müssen. Von diesem Gas bediente sich nach russischen Angaben die Ukraine, was in Westeuropa offenbar zu einer drastischen Verringerung der ankommenden Menge geführt hatte. Insofern dürften beide Seiten froh sein, endlich einen neuen Vertrag unter Dach und Fach zu haben.