Ja, es ist viel aber es ist interessant. Ihr solltet euch auch mal die Frage stellen was es vor der SFRJ gab.
Wer ist hier der “Unrechtsstaat” ?
Erich Honecker – Politische Erklärung
vor der 27. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts am 3. Dezember 1992
Wortlaut
Ich werde dieser Anklage und diesem Gerichtsverfahren nicht dadurch den Anschein des Rechts verleihen, dass ich mich gegen den offensichtlich unbegründeten Vorwurf des Totschlags verteidige. Verteidigung erübrigt sich auch, weil ich Ihr Urteil nicht mehr erleben werde. Die Strafe, die Sie mir offensichtlich zudenken, wird mich nicht mehr erreichen. Das weiß heute jeder. Ein Prozess gegen mich ist schon aus diesem Grunde eine Farce. Er ist ein politisches Schauspiel.
Niemand in den alten Bundesländern, einschließlich der Frontstadt Westberlin, hat das Recht, meine Genossen Mitangeklagten, mich, oder irgendeinen anderen Bürger der DDR wegen Handlungen anzuklagen oder gar zu verurteilen, die in Erfüllung staatlicher Aufgaben der DDR begangen worden sind.
Wenn ich hier spreche, so spreche ich allein um Zeugnis abzulegen für die Ideen des Sozialismus, für eine gerechte politische und moralische Beurteilung der von mehr als einhundert Staaten völkerrechtlich anerkannten Deutschen Demokratischen Republik. Diese jetzt von der BRD als “Unrechtsstaat” apostrophierte Republik war ein Mitglied des Weltsicherheitsrats, stellte zeitweise den Vorsitzenden dieses Rats und stellte auch einmal den Vorsitzenden der UN-Vollversammlung.
Die gerechte politische und moralische Beurteilung der DDR erwarte ich nicht von diesem Prozess und diesem Gericht. Ich nehme jedoch die Gelegenheit dieses Politschauspiels wahr, um meinen Standpunkt meinen Mitbürgern zur Kenntnis zu geben.
Meine Situation in diesem Prozess ist nicht ungewöhnlich. Der deutsche Rechtsstaat hat schon Karl Marx, August Bebel, Karl Liebknecht und viele andere Sozialisten und Kommunisten angeklagt und verurteilt. Das Dritte Reich hat dies mit den aus dem Rechtsstaat der Weimarer Republik übernommenen Richtern in vielen Prozessen fortgesetzt, von denen ich selbst einen als Angeklagter erlebt habe. Nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus und des Hitlerstaats brauchte die BRD nicht nach neuen Staatsanwälten und Richtern zu suchen, um erneut Kommunisten massenhaft strafrechtlich zu verfolgen, ihnen mit Hilfe der Arbeitsgerichte Arbeit und Brot zu nehmen und sie mit Hilfe der Verwaltungsgerichte aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen oder sie auf andere Weise zu verfolgen. Nun geschieht uns das, was unseren Genossen in Westdeutschland schon in den 50er Jahren geschah. Es ist seit ca. 190 Jahren immer die gleiche Willkür. Der Rechtsstaat BRD ist kein Staat des Rechts, sondern ein Staat der Rechten.
Für diesen Prozess wie für andere Prozesse, in denen andere DDR-Bürger wegen ihrer “Systemnähe” vor Straf-, Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten verfolgt werden, muss ein Argument herhalten. Die Politiker und Juristen sagen, wir müssen die Kommunisten verurteilen, weil wir die Nazis nicht verurteilt haben. Wir müssen diesmal die Vergangenheit aufarbeiten. Das leuchtet vielen ein, ist aber ein Scheinargument. Die Wahrheit ist, dass die westdeutsche Justiz die Nazis nicht bestrafen konnte, weil sich Richter und Staatsanwälte nicht selbst bestrafen konnten. Die Wahrheit ist, dass die bundesdeutsche Justiz ihr derzeitiges Niveau, wie immer man es beurteilt, den übernommenen Nazis verdankt. Die Wahrheit ist, dass die Kommunisten, die DDR-Bürger heute aus den gleichen Gründen verfolgt werden, aus denen sie in Deutschland schon immer verfolgt wurden. Nur in den 40 Jahren der Existenz der DDR war das umgekehrt. Dieses Versäumnis muss nun “aufgearbeitet” werden. Das alles ist natürlich rechtsstaatlich. Mit Politik hat es nicht das geringste zu tun.
Die führenden Juristen dieses Landes, gleich ob Angehörige der Regierungsparteien oder der SPD, erklären beschwörend, unser Prozess sei ein ganz normales Strafverfahren und kein politischer Prozess, kein Schauprozess. Man sperrt die Mitglieder eines der höchsten Staatsorgane des Nachbarstaats ein und sagt, das hat mit Politik nichts zu tun. Man wirft den Generälen eines gegnerischen Militärbündnisses militärische Entscheidungen vor und sagt, das hat mit Politik nichts zu tun. Man nennt die heute Verbrecher, die man gestern ehrenvoll als Staatsgäste und Partner in dem gemeinsamen Bemühen, dass nie wieder von deutschem Boden ein Krieg ausgeht, begrüßt hat. Auch das soll mit Politik nichts zu tun haben.
Man klagt Kommunisten an, die, seit sie auf der politischen Bühne erschienen sind, immer verfolgt wurden, aber heute in der BRD hat das mit Politik nichts zu tun.
Für mich und, wie ich glaube, für jeden Unvoreingenommenen liegt auf der Hand: Dieser Prozess ist so politisch, wie ein Prozess gegen die politische und militärische Führung der DDR nur sein kann. Wer das leugnet, der irrt nicht, sondern der lügt. Er lügt, um das Volk ein weiteres Mal zu betrügen. Mit diesem Prozess wird das getan, was man uns vorwirft. Man entledigt sich der politischen Gegner mit den Mitteln des Strafrechts, aber natürlich ganz rechtsstaatlich.
Auch andere Umstände lassen unübersehbar erkennen, dass mit dem Prozess politische Ziele verfolgt werden. Warum war der Bundeskanzler, war Herr Kinkel, der frühere Geheimdienstchef, spätere Justizminister und noch spätere Außenminister der BRD, so darauf aus, mich, koste es, was es wolle, nach Deutschland zurückzuholen und wieder nach Moabit zu bringen, wo ich unter Hitler schon einmal war? Warum ließ mich der Bundeskanzler erst nach Moskau fliegen, um dann Moskau und Chile unter Druck zu setzen, mich entgegen jedem Völkerrecht auszuliefern? Warum mussten russische Ärzte die richtige Diagnose, die sie auf Anhieb gestellt hatten, verfälschen? Warum führt man mich und meine Genossen, denen es gesundheitlich nicht viel besser geht als mir, dem Volk vor wie einst die römischen Cäsaren ihre gefangenen Gegner vorführten?
Ich weiß nicht, ob das alles noch rational zu erklären ist. Vielleicht bewahrheitet sich hier das alte Wort: Wen Gott vernichten will, den schlägt er zuvor mit Blindheit. Es ist doch wohl jedem klar, dass alle diejenigen Politiker, die sich einst um eine Audienz bei mir bemühten und die sich freuten, mich bei sich begrüßen zu dürfen, von diesem Prozess nicht unbeschadet bleiben. Dass an der Mauer Menschen erschossen wurden, dass ich der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrats, der Generalsekretär, der Vorsitzende des Staatsrats der DDR war, der für diese Mauer als höchster lebender Politiker die größte Verantwortung trug, wusste jedes Kind in Deutschland und darüber hinaus. Es gibt demnach nur zwei Möglichkeiten:
Entweder haben die Herren Politiker der BRD bewusst, freiwillig und sogar begierig Umgang mit einem Totschläger gesucht oder sie lassen jetzt bewusst und genussvoll zu, dass Unschuldige des Totschlags bezichtigt werden. Keine dieser beiden Möglichkeiten wird Ihnen zur Ehre gereichen. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Wer dieses Dilemma in Kauf nimmt, so oder so ein Mensch ohne Charakter zu sein, ist entweder blind oder verfolgt ein Ziel, das ihm mehr gilt als die Bewahrung seiner Ehre.
Nehmen wir an, dass weder Herr Kohl noch Herr Kinkel noch all die anderen Herren Ministerpräsidenten und Parteiführer der Bundesrepublik Deutschland blind sind (was ich dennoch nicht ausschließen kann), dann bleibt als politisches Ziel dieses Prozesses nur die Absicht, die DDR und damit den Sozialismus in Deutschland total zu diskreditieren. Die Niederlage der DDR und des Sozialismus in Deutschland und in Europa allein genügt ihnen offenbar nicht. Es soll alles ausgerottet werden, was diese Epoche, in der Arbeiter und Bauern regierten, in einem anderen als furchtbaren, verbrecherischen Licht erscheinen lässt. Total sollen der Sieg der Marktwirtschaft (wie man den Kapitalismus heute euphemistisch nennt) und die Niederlage des Sozialismus sein. Man will, wie es Hitler einst vor Stalingrad sagte, “dass dieser Feind sich nie mehr erheben wird”. Die deutschen Kapitalisten hatten eben immer schon einen Hang zum Totalen.
Dieses Ziel des Prozesses, den totgesagten Sozialismus noch einmal zu töten, offenbart, wie Herr Kohl, wie Regierung und Opposition der BRD die Lage einschätzen. Der Kapitalismus hat sich ökonomisch genauso totgesiegt wie sich Hitler einst militärisch totgesiegt hat. Der Kapitalismus ist weltweit in eine ausweglose Lage geraten. Er hat nur noch die Wahl zwischen dem Untergang in einem ökologischen und sozialen Chaos und der Aufgabe des Privateigentums an Produktionsmitteln, d.h. dem Sozialismus. Beides bedeutet sein Ende. Nur der Sozialismus erscheint den Herrschenden der Bundesrepublik Deutschland offenbar als die akutere Gefahr. Dem soll dieser Prozess genauso vorbeugen wie der ganze Feldzug gegen das Andenken an die untergegangene DDR, wie deren Stigmatisierung als “Unrechtsstaat”.
Der unnatürliche Tod jedes Menschen in unserem Land hat uns immer bedrückt. Der Tod an der Mauer hat uns nicht nur menschlich betroffen, sondern auch politisch geschädigt. Vor allen anderen trage ich seit Mai 1971 die Hauptlast der politischen Verantwortung dafür, dass auf denjenigen, der die Grenze zwischen der DDR und der BRD, zwischen Warschauer Vertrag und NATO, ohne Genehmigung überschreiten wollte, unter den Bedingungen der Schusswaffengebrauchsbestimmung geschossen wurde. Das ist sicher eine schwere Verantwortung. Ich werde später noch darlegen, warum ich sie auf mich genommen habe. Hier, bei der Bestimmung des politischen Ziels dieses Prozesses, komme ich jedoch nicht umhin, auch festzustellen, mit welchen Mitteln das Prozessziel Verunglimpfung der DDR werden soll. Dieses Mittel sind die Toten an der Mauer. Sie sollen und werden diesen Prozess wie schon vorangegangene Prozesse medienwirksam gestalten. Es fehlen dabei die ermordeten Grenzsoldaten der DDR. Wir und vor allem Sie haben bereits erlebt, wie ohne Rücksicht auf Pietät und Anstand die Bilder der Toten vermarktet wurden. Damit soll Politik gemacht und Stimmung erzeugt werden. Jeder Tote wird so gebraucht, richtiger missbraucht, im Kampf der Unternehmer um den Erhalt ihres kapitalistischen Eigentums. Denn um nichts anderes geht es bei dem Kampf gegen den Sozialismus. Die Toten sollen die Unmenschlichkeit der DDR und des Sozialismus beweisen und von der Misere der Gegenwart und den Opfern der sozialen Marktwirtschaft ablenken. Das alles geschieht demokratisch, rechtsstaatlich, christlich, human und zum Wohl des deutschen Volks. Armes Deutschland.
Nun zur Sache selbst. Die Staatsanwälte der Frontstadt klagen uns als gemeine Kriminelle, als Totschläger an. Da wir nun offensichtlich keinen der 68 Menschen, deren Tod uns in der Anklage vorgeworfen wird, persönlich totgeschlagen haben, da wir auch deren Tötung ebenso offensichtlich nicht vorher befohlen oder sonst veranlasst haben, wirft mir die Anklage auf Seite 9 wörtlich vor:
“… als Sekretär des NVR und Sekretär für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee der SED (angeordnet zu haben), die Grenzanlagen um Berlin (West) und die Sperranlagen zur Bundesrepublik Deutschland auszubauen, um ein Passieren unmöglich zu machen.”
Ferner wirft mir die Anklage vor, in 17 Sitzungen des NVR vom 29.11.1961 bis 1.7.1983 an Beschlüssen teilgenommen zu haben,
– weitere Drahtminensperren zu errichten (wobei das Wort “weitere” erkennen lässt, dass die Streitkräfte der UdSSR vorher schon solche Sperren errichtet hatten)
– das Grenzsicherungssystem zu verbessern, die Schießausbildung der Grenzsoldaten zu verbessern
– Grenzdurchbrüche nicht zuzulassen
– am 3.5.1974 persönlich erklärt zu haben, von der Schusswaffe muss rücksichtslos Gebrauch gemacht werden, was im Übrigen nicht zutrifft
und dem Entwurf des am 1. Mai 1982 in Kraft getretenen Grenzgesetzes zugestimmt zu haben.
Die Vorwürfe gegen mich bzw. gegen uns richten sich also gegen Beschlüsse des NVR, gegen Beschlüsse eines verfassungsmäßigen Organs der DDR. Gegenstand des Verfahrens ist somit die Politik der DDR, das Bemühen des NVR die DDR als Staat zu verteidigen und zu erhalten. Diese Politik soll durch dieses Verfahren kriminalisiert werden. Damit soll die DDR als “Unrechtsstaat” gebrandmarkt und alle, die ihr dienten, zu Verbrechern gestempelt werden. Die Verfolgung von zehntausenden und unter Umständen hunderttausenden DDR-Bürgern, von denen die Staatsanwaltschaft jetzt schon spricht, ist das Ziel dieses Verfahrens, das durch „Pilotverfahren“ gegen Grenzsoldaten vorbereitet sowie von unzähligen die DDR-Bürger diskriminierenden anderen Gerichtsverfahren vor Zivil-, Sozial-, Arbeits- und Verwaltungsgerichten und von zahlreichen Verwaltungsakten begleitet wird. Es geht also nicht um mich oder um uns, die wir in diesem Prozess angeklagt sind. Es geht um viel mehr. Es geht um die Zukunft Deutschlands, Europas, ja der Welt, die mit der Beendigung des Kalten Krieges, mit dem neuen Denken so glücklich zu beginnen schien. Hier wird nicht nur der Kalte Krieg fortgesetzt, hier soll ein Grundstein für ein Europa der Reichen gelegt werden. Die Idee der sozialen Gerechtigkeit soll wieder einmal endgültig erstickt werden. Unsere Brandmarkung als Totschläger soll dazu ein Mittel sein.
Ich bin der letzte, der gegen sittliche und rechtliche Maßstäbe zur Be- oder auch Verurteilung von Politikern ist. Nur müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
Die Maßstäbe müssen exakt vorher formuliert sein. Sie müssen für alle Politiker gleichermaßen gelten.
Ein überparteiliches Gericht, also ein Gericht, das weder mit Freunden noch Feinden der Angeklagten besetzt ist, muss entscheiden.
Mir scheint, das alles dies einerseits selbstverständlich, andererseits aber in der heutigen Welt noch nicht machbar ist. Wenn Sie heute dennoch über uns zu Gericht sitzen, so tun Sie das als Gericht der Sieger über uns Besiegte. Dies ist ein Ausdruck der realen Machtverhältnisse, aber nicht ein Akt, der irgendeinen Anspruch auf Geltung vor überpositivem Recht oder überhaupt Recht für sich beanspruchen kann.
Das allein könnte schon genügen, um darzulegen, dass die Anklage ein Unrechtsakt ist. Doch da wir die Auseinandersetzung auch im Detail nicht scheuen, will ich im Einzelnen darlegen, was die Anklage, sei es aus böser Absicht, sei es aus Verblendung nicht darlegt.
Wie bereits zitiert, beginnt die Anklage die chronologische Aufzählung der Vorwürfe gegen uns mit den Worten:
“Am 12. August 1961 ordnete der Angeschuldigte Honecker als Sekretär des NVR und Sekretär für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee der SED an, die Grenzanlagen um Berlin (West) und die Sperranlagen zur Bundesrepublik Deutschland auszubauen, um ein Passieren unmöglich zu machen.”
Diese historische Sicht der Dinge spricht für sich. Der Sekretär für Sicherheitsfragen des ZK der SED ordnete 1961 ein welthistorisches Ereignis an. Das übertrifft noch die Selbstironie der DDR Bürger, die die DDR als die größte DDR der Welt bezeichneten. Wenn auch heute Enno von Löwenstein die DDR zu einem “großen Land” machen will, um den Sieg der BRD entsprechend gewichtiger darstellen zu können, so versucht doch nicht einmal dieser Rechtsaußen des politischen deutschen Journalismus die DDR zur Weltmacht hochzustilisieren. Das bleibt der “objektivsten Behörde der Welt”, der Staatsanwaltschaft, vorbehalten. Jeder macht sich vor der Geschichte so lächerlich, wie er will und kann. Wahr ist, dass der Bau der Mauer auf einer Sitzung der Staaten des Warschauer Vertrags am 05.08.1961 in Moskau beschlossen wurde. In diesem Bündnis sozialistischer Staaten war die DDR ein wichtiges Glied, aber nicht die Führungsmacht. Dies dürfte gerichtsbekannt sein und braucht wohl nicht bewiesen zu werden.
Da wir – wie ich schon sagte – offensichtlich niemand persönlich totgeschlagen noch den Totschlag eines Menschen unmittelbar befohlen haben, wird der Bau der Mauer, ihre Aufrechterhaltung und die Durchsetzung des Verbots, die DDR ohne staatliche Genehmigung zu verlassen, als Tötungshandlung angesehen. Mit Politik soll das alles nichts zu tun haben. Die deutsche Jurisprudenz macht das möglich. Nur vor der Geschichte und dem gesunden Menschenverstand wird sie damit nicht bestehen. Sie wird nur ein weiteres Mal demonstrieren, woher sie kommt, wes Geistes Kind sie ist und wohin Deutschland zu gehen im Begriff steht.
Wir alle, die wir in den Staaten des Warschauer Vertrages damals Verantwortung trugen, trafen diese politische Entscheidung gemeinsam. Ich sage das nicht, um mich zu entlasten und die Verantwortung auf andere abzuwälzen; ich sage es nur, weil es so und nicht anders war, und ich stehe dazu, dass diese Entscheidung damals, 1961, richtig war und richtig blieb, bis die Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR beendet war. Eben diese politische Entscheidung und die Überzeugungen, die ihr zugrunde liegen, sind der Gegenstand dieses Prozesses. Man muss schon blind sein oder bewusst vor den Geschehnissen der Vergangenheit die Augen verschließen, um diesen Prozess nicht als politischen Prozess der Sieger über die Besiegten zu erkennen, um nicht zu erkennen, dass er eine politisch motivierte Entstellung der Geschichte bedeutet.
Wenn Sie diese politische Entscheidung für falsch halten und mir und meinen Genossen die Toten an der Mauer zum strafrechtlichen Vorwurf machen, dann sage ich Ihnen, die Entscheidung, die Sie für richtig halten, hätte Tausende oder Millionen Tote zur Folge gehabt. Das war und das ist meine Überzeugung und, wie ich annehme, auch die Überzeugung meiner Genossen. Wegen dieser politischen Überzeugung stehen wir hier vor Ihnen. Und wegen Ihrer andersartigen politischen Überzeugung werden Sie uns verurteilen.
Wie und warum es zum Bau der Mauer gekommen ist, interessiert die Staatsanwaltschaft nicht. Kein Wort steht darüber in der Anklage. Die Ursachen und Bedingungen werden unterschlagen, die Kette der historischen Ereignisse wird willkürlich zerrissen. Erich Honecker hat die Mauer gebaut und aufrechterhalten. Basta. So einfach vermag der bundesdeutsche Jurist die Geschichte zu sehen und darzustellen. Hauptsache, der Kommunist wird zum Kriminellen gestempelt und als solcher verurteilt. Dabei kann doch jeder Deutsche wissen, wie es zur Mauer kam und warum dort geschossen wurde. Da die Anklage so tut, als sei es dem Sozialismus eigen, Mauern zu bauen und daran Menschen erschießen zu lassen, und als trügen solche “verbrecherischen” Einzelpersonen wie ich und meine Genossen dafür die Verantwortung, muss ich, ohne Historiker zu sein, die Geschichte, die zur Mauer führte, rekapitulieren.
Der Ursprung liegt weit zurück. Er beginnt mit der Entstehung des Kapitalismus und des Proletariats. Der unmittelbare Beginn des Elends der deutschen Geschichte der Neuzeit ist das Jahr 1933. 1933 haben bekanntlich sehr viele Deutsche in freien Wahlen die NSDAP gewählt und der Reichspräsident Hindenburg, der schon 1932 ebenfalls frei gewählt worden war, hat Adolf Hitler dann ganz demokratisch zum Reichskanzler berufen. Anschließend haben die politischen Vorläufer unserer etablierten Parteien mit Ausnahme der SPD dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt, das Hitler diktatorische Vollmachten verlieh. Nur die Kommunisten hatten vor den genannten Wahlen gesagt: “Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.” Bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz waren die kommunistischen Abgeordneten bereits aus dem Reichstag entfernt. Viele Kommunisten waren inhaftiert oder lebten illegal. Schon damals begann mit dem Verbot der Kommunisten der Untergang der Demokratie in Deutschland.
Kaum war Hitler Reichskanzler, erlebte Deutschland sein erstes Wirtschaftswunder. Die Arbeitslosigkeit wurde überwunden, die Anrechtsscheine auf Volkswagen wurden verkauft, die kochende Volksseele führte zur Vertreibung und Ermordung der Juden. Das deutsche Volk war in seiner Mehrheit glücklich und zufrieden.
Als der zweite Weltkrieg ausgebrochen war und die Fanfaren die Siege in den Blitzkriegen gegen Polen, Norwegen, Dänemark, Belgien, Holland, Luxemburg, Frankreich, Jugoslawien und Griechenland vermeldeten, kannte die Begeisterung keine Grenzen. Die Herzen fast aller Deutschen schlugen für ihren Kanzler, für den größten Führer aller Zeiten. Kaum einer dachte daran, dass das Tausendjährige Reich nur zwölf Jahre bestehen würde.
Nachdem 1945 alles in Scherben lag, gehörte nicht die ganze Welt Deutschland (wie es in einem bekannten Nazilied vorausgesungen wurde), sondern Deutschland gehörte den Alliierten. Deutschland war in vier Zonen geteilt. Freizügigkeit gab es nicht. Dieses Menschenrecht galt damals bei den Alliierten noch nicht. Es galt nicht einmal für die deutschen Emigranten, die wie Gerhart Eisler aus den USA nach Deutschland zurückkehren wollten.
In den USA gab es damals Pläne (z.B. den Morgenthauplan), Deutschland für dauernd in mehrere Staaten aufzuteilen. Diese Pläne gaben Stalin Veranlassung zu seinem oft zitierten Satz: “Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk und der Deutsche Staat bleibt.” Die damals von der UdSSR angestrebte Erhaltung der Einheit Deutschlands kam jedoch nicht zustande. Deutschland wurde im Ergebnis des 1947 von den USA ausgerufenen Kalten Kriegs auf dem Weg über die Bildung der Bizone, der Trizone, die separate Währungsreform und schließlich die Bildung der Bundesrepublik im Mai 1949 für lange Zeit zweigeteilt. Diese Teilung war, wie die zeitliche Abfolge beweist, nicht das Werk der Kommunisten, sondern das Werk der westlichen Alliierten und Konrad Adenauers. Die Bildung der DDR war eine zeitliche und logische Folge der Bildung der BRD. Nunmehr existierten zwei deutsche Staaten nebeneinander. Die BRD war jedoch nicht gewillt, die DDR anzuerkennen und mit ihr friedlich zu leben. Sie erhob vielmehr für ganz Deutschland und alle Deutschen den Alleinvertretungsanspruch. Sie verhängte mit Hilfe ihrer Verbündeten über die DDR ein Wirtschaftsembargo und versuchte so, die DDR wirtschaftlich und politisch zu isolieren. Es war eine Politik der nichtkriegerischen Aggression, die die BRD gegen die DDR führte. Es war dies die Form des Kalten Krieges auf deutschem Boden.
Nachdem die BRD der NATO beigetreten war, schloss sich die DDR dem Warschauer Vertrag an. Damit standen sich beide deutschen Staaten als Mitglieder feindlicher Militärbündnisse feindlich gegenüber.
Die BRD war der DDR nach der Zahl ihrer Bevölkerung, nach ihrer Wirtschaftskraft und nach ihren politischen und ökonomischen Verbindungen in vielfacher Hinsicht überlegen. Die BRD hatte durch den Marschallplan und durch geringere Reparationsleistungen weniger an den Kriegsfolgen zu tragen. Sie hatte mehr Naturreichtümer und ein größeres Territorium. Sie nutzte diese vielfache Überlegenheit gegenüber der DDR in jeder Hinsicht, besonders aber dadurch aus, dass sie DDR-Bürgern materielle Vorteile versprach, wenn sie ihr Land verließen. Viele DDR-Bürger erlagen dieser Versuchung und taten das, was die Politiker der BRD von ihnen erwarteten:
Sie “stimmten mit den Füßen ab”. Der wirtschaftliche Erfolg verlockte die Deutschen nach 1945 nicht weniger, als er sie nach 1933 verlockt hatte.
Die DDR und die mit ihr verbündeten Staaten des Warschauer Vertrages gerieten in eine schwierige Situation. Die Politik des Roll-back schien in Deutschland zum Erfolg zu führen. Die NATO schickte sich an, ihren Einflussbereich bis an die Oder zu erweitern.
Durch diese Politik entstand 1961 eine Spannungssituation in Deutschland, die den Weltfrieden gefährdete. Die Menschheit stand am Rande eines Atomkrieges. In dieser Situation also beschlossen die Staaten des Warschauer Vertrags den Bau der Mauer. Niemand fasste diesen Entschluss leichten Herzens. Er trennte nicht nur Familien, sondern er war auch das Zeichen einer politischen und wirtschaftlichen Schwäche des Warschauer Vertrags gegenüber der NATO, die nur mit militärischen Mitteln ausgeglichen werden konnte.
Bedeutende Politiker außerhalb Deutschlands, aber auch in der BRD, erkannten nach 1961 an, dass der Bau der Mauer die Weltlage entspannt hatte.
Franz Josef Strauß schrieb in seinen Erinnerungen: “Mit dem Bau der Mauer war die Krise, wenn auch in einer für die Deutschen unerfreulichen Weise, nicht nur aufgehoben, sondern eigentlich auch abgeschlossen.” (Seite 390) Vorher hat er über den geplanten Atombombenabwurf im Gebiet der DDR berichtet. (Seite 388)
Aus meiner Sicht hätte es weder den Grundlagenvertrag noch Helsinki, noch die Einheit Deutschlands gegeben, wenn damals die Mauer nicht gebaut oder wenn sie vor der Beendigung des Kalten Kriegs abgerissen worden wäre. Deswegen meine ich, dass ich genauso wie meine Genossen, nicht nur keine juristische, sondern auch keine politische und keine moralische Schuld auf mich geladen habe, als ich zur Mauer ja sagte und dabei blieb.
Es ist in der Geschichte Deutschlands sicher nur am Rande zu vermerken, dass jetzt viele Deutsche sowohl aus dem Westen wie aus dem Osten sich die Mauer wiederwünschen.
Fragen muss man aber auch, was geschehen wäre, wenn wir uns so verhalten hätten, wie das die Anklage als selbstverständlich vorausgesetzt. Das heißt, wenn wir die Mauer nicht gebaut, die Ausreise aus der DDR jedem zugebilligt und damit freiwillig die DDR schon 1961 aufgegeben hätten. Man muss nicht spekulieren, um sich die Ergebnisse einer solchen Politik vorzustellen. Man muss nur wissen, was 1956 in Ungarn und 1968 in der CSSR geschehen ist. Genauso wie dort hätten auch 1961 in der DDR die ohnehin anwesenden sowjetischen Truppen interveniert. Auch in Polen rief 1981 Jaruszelski das Kriegsrecht aus, um eine solche Intervention zu verhindern.
Eine derartige Zuspitzung der Ereignisse, wie sie von der Anklage als selbstverständliche politische, moralische und juristische Anklage von uns verlangt wird, hätte das Risiko eines dritten Weltkriegs bedeutet. Dieses Risiko wollten, konnten und durften wir nicht eingehen. Wenn das in Ihren Augen ein Verbrechen ist, so werden Sie sich vor der Geschichte mit Ihrem Urteil selbst richten. Das wäre an sich nicht bedeutungsvoll. Bedeutungsvoll ist jedoch, dass Ihr Urteil ein Signal sein wird, das die alten Fronten erneut aufreißt, statt sie zu schließen. Sie demonstrieren damit im Angesicht eines drohenden ökologischen Kollapses der Welt die alte Klassenkampfstrategie der 30er Jahre und die Machtpolitik, die Deutschland seit dem eisernen Kanzler berühmt gemacht hat.
Wenn Sie uns wegen unserer politischen Entscheidung von 1961 bis 1989 verurteilen, und ich gehe davon aus, dass Sie das tun werden, so fällen Sie Ihr Urteil nicht nur ohne rechtliche Grundlage, nicht nur als ein parteiisches Gericht, sondern auch unter völliger Außerachtlassung der politischen Gepflogenheiten und Verhaltensweisen derjenigen Länder, die als Rechtsstaaten Ihren höchsten Respekt genießen. Ich will und kann in diesem Zusammenhang nicht alle Fälle aufzählen, in denen politische Entscheidungen in diesen 28 Jahren Menschenleben gefordert haben, weil ich Ihre Zeit und Ihre Sensibilität nicht überstrapazieren will. Auch kann ich mich nicht mehr an alles erinnern. Nur folgendes will ich erwähnen:
1964 entschied der damalige Präsident der USA, Kennedy, Truppen nach Vietnam zu entsenden, um an Stelle der besiegten Franzosen bis 1973 Krieg gegen die um ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit und ihr Selbstbestimmungsrecht kämpfenden Vietnamesen zu führen. Diese Entscheidung des Präsidenten der USA, die eine eklatante Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts beinhaltete, wurde von der Regierung der BRD in keiner Form kritisiert. Die Präsidenten der USA Kennedy, Johnson und Nixon wurden vor kein Gericht gestellt, auf ihre Ehre fiel, zumindest wegen dieses Kriegs, kein Schatten. Dabei hatte kein US-amerikanischer und kein vietnamesischer Soldat die Freiheit, zu entscheiden, ob er sich wegen dieses ungerechten Kriegs in Lebensgefahr begeben will oder nicht.
1982 setzte England Truppen gegen Argentinien ein, um die Falklandinseln als Kolonie für das Empire zu erhalten. Die “Eiserne Lady” sicherte sich damit einen Wahlsieg, und ihr Ansehen wurde dadurch, auch nachdem sie abgewählt worden ist, nicht beschädigt. Von Totschlag keine Rede.
1983 befahl der Präsident Reagan seinen Truppen die Besetzung von Grenada. Niemand genießt in Deutschland höheres Ansehen als dieser Präsident der USA. Keine Frage, dass die Opfer dieses Unternehmens rechtens zu Tode gekommen sind.
1986 ließ Reagan die Städte Tripolis und Bengasi in einer Strafaktion bombardieren, ohne zu fragen, ob seine Bomben Schuldige oder Unschuldige trafen.
1989 ordnete Präsident Bush an, General Noriega aus Panama mit Waffengewalt zu entführen. Tausende unschuldige Panamesen wurden dabei getötet. Wiederum fiel auf den Präsidenten der USA kein Makel, geschweige denn, dass er wegen Totschlags oder Mordes angeklagt wurde.
Die Aufzählung ließe sich beliebig erweitern. Von dem Verhalten Englands in Irland überhaupt nur zu sprechen, dürfte als unanständig gelten.
Nach dem, was die Waffen der Bundesrepublik Deutschland unter türkischen Kurden oder der schwarzen Bevölkerung Südafrikas anrichten, werden zwar rhetorische Fragen gestellt, doch niemand zählt die Toten, und niemand nennt die Schuldigen.
Ich habe hier nur die als besonders rechtsstaatlich anerkannten Staaten mit nur einigen ihrer politischen Entscheidungen aufgezählt. Jeder kann vergleichen, wie sich diese Entscheidungen zu der Entscheidung verhalten, an der Grenze des Warschauer Vertrags und der NATO eine Mauer zu errichten.
Sie werden sagen, dass Sie über die Handlungen in anderen Ländern nicht entscheiden können und dürfen. Sie werden sagen, dass Sie das alles nicht interessiert. Doch ich meine, das Urteil der Geschichte über die DDR kann nicht gefällt werden, ohne dass die Ereignisse Berücksichtigung finden, die sich in der Zeit der Existenz der DDR auf Grund der Auseinandersetzung zwischen den beiden Blöcken in anderen Ländern abspielten. Ich meine darüber hinaus auch, dass politische Handlungen nur aus dem Geist ihrer Zeit zu beurteilen sind. Wenn Sie die Augen davor verschließen, was von 1961 bis 1989 in der Welt außerhalb Deutschlands passierte, können Sie kein gerechtes Urteil fällen.
Auch wenn Sie sich auf Deutschland beschränken und die politischen Entscheidungen in beiden deutschen Staaten einander gegenüberstellen, würde eine ehrliche und objektive Bilanz zugunsten der DDR ausfallen. Wer seinem Volk das Recht auf Arbeit und das Recht auf Wohnung verweigert, wie das in der BRD der Fall ist, nimmt in Kauf, dass zahlreichen Menschen ihre Existenz genommen wird und sie keinen anderen Ausweg sehen als aus dem Leben zu scheiden. Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Drogenmissbrauch, Beschaffungskriminalität, Kriminalität überhaupt sind alle das Ergebnis der politischen Entscheidungen für die soziale Marktwirtschaft. Selbst anscheinend so politisch neutrale Entscheidungen wie die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen sind Folgen einer Staatsverfassung, in der nicht die freigewählten Politiker, sondern die nichtgewählten Wirtschaftsbosse das Sagen haben. Wenn die Abteilung Regierungskriminalität des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht ihre Aufmerksamkeit einmal hierauf richten würde, hätte ich bald die Möglichkeit, den Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland wieder wie früher die Hand zu schütteln – diesmal allerdings in Moabit. Das wird natürlich nicht geschehen, weil die Toten der Marktwirtschaft alle rechtens ihr Leben verloren.
Ich bin nicht derjenige, der die Bilanz der Geschichte der DDR ziehen kann. Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen. Die Bilanz wird später und von anderen gezogen werden.
Ich habe für die DDR gelebt. Ich habe insbesondere seit Mai 1971 einen beträchtlichen Teil der Verantwortung für ihre Geschichte getragen. Ich bin also befangen und darüber hinaus durch Alter und Krankheit geschwächt. Dennoch habe ich am Ende meines Lebens die Gewissheit, die DDR wurde nicht umsonst gegründet. Sie hat ein Zeichen gesetzt, dass Sozialismus möglich und besser sein kann als Kapitalismus. Sie war ein Experiment, das gescheitert ist. Doch noch nie hat die Menschheit wegen eines gescheiterten Experiments die Suche nach neuen Erkenntnissen und Wegen aufgegeben. Es ist nun zu prüfen, warum das Experiment scheiterte. Sicher scheiterte es auch, weil wir, ich meine damit die Verantwortlichen in allen europäischen sozialistischen Ländern, vermeidbare Fehler begangen haben. Sicher scheiterte es in Deutschland unter anderem auch deswegen, weil die Bürger der DDR wie andere Deutsche vor ihnen eine falsche Wahl trafen und weil unsere Gegner noch übermächtig waren. Die Erfahrungen aus der Geschichte der DDR werden mit den Erfahrungen aus der Geschichte der anderen ehemaligen sozialistischen Länder für die Millionen in den noch existierenden sozialistischen Ländern und für die Welt von morgen insgesamt nützlich sein. Wer seine Arbeit und sein Leben für die DDR eingesetzt hat, hat nicht umsonst gelebt. Immer mehr “Ossis” werden erkennen, dass die Lebensbedingungen in der DDR sie weniger deformiert haben als die “Wessis” durch die “soziale” Marktwirtschaft deformiert worden sind, dass die Kinder in der DDR in Krippen, in Kindergärten und Schulen sorgloser, glücklicher, gebildeter und freier aufwuchsen als die Kinder in den von Gewalttaten beherrschten Schulen, Straßen und Plätzen der BRD. Kranke werden erkennen, dass sie in dem Gesundheitswesen der DDR trotz technischer Rückstände Patienten und nicht kommerzielle Objekte für das Marketing von Ärzten waren. Künstler werden begreifen, dass die angebliche oder wirkliche DDR-Zensur nicht so kunstfeindlich war wie die Zensur des Markts. Staatsbürger werden spüren, dass die DDR-Bürokratie plus der Jagd auf knappe Waren nicht so viel Freizeit erforderte, wie die Bürokratie der BRD. Arbeiter und Bauern werden erkennen, dass die BRD ein Staat der Unternehmer (sprich Kapitalisten) ist und dass die DDR sich nicht ohne Grund einen Arbeiter-und-Bauern-Staat nannte. Frauen werden die Gleichberechtigung und das Recht, über ihren Körper selbst zu bestimmen, die sie in der DDR hatten, jetzt höher schätzen. Viele werden nach der Berührung mit dem Gesetz und dem Recht der BRD mit Frau Bohley, die uns Kommunisten verdammt, sagen: “Gerechtigkeit haben wir gewollt. Den Rechtsstaat haben wir bekommen.” Viele werden auch begreifen, dass die Freiheit, zwischen CDU/CSU, SPD und FDP zu wählen, nur die Freiheit zu einer Scheinwahl bedeutet. Sie werden erkennen, dass sie im täglichen Leben, insbesondere auf ihrer Arbeitsstelle, in der DDR ein ungleich höheres Maß an Freiheit hatten, als sie es jetzt haben. Schließlich werden die Geborgenheit und Sicherheit, die die kleine und im Verhältnis zur BRD arme DDR ihren Bürgern gewährte, nicht mehr als Selbstverständlichkeit missachtet werden, weil der Alltag des Kapitalismus jetzt jedem deutlich macht, was sie in Wahrheit Wert sind.
Die Bilanz der 40jährigen Geschichte der DDR sieht anders aus, als sie von den Politikern und Medien der BRD dargestellt wird. Der wachsende zeitliche Abstand wird das immer deutlicher machen.
Der Prozess gegen uns Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrats der DDR soll ein Nürnberger Prozess gegen Kommunisten werden. Dieses Unternehmen ist zum Scheitern verurteilt. In der DDR gab es keine Konzentrationslager, keine Gaskammern, keine politischen Todesurteile, keinen Volksgerichtshof, keine Gestapo, keine SS. Die DDR hat keinen Krieg geführt und keine Kriegs- oder Menschlichkeitsverbrechen begangen. Die DDR war ein konsequent antifaschistischer Staat, der wegen seines Eintretens für den Frieden hohes internationales Ansehen besaß.
Der Prozess gegen uns als die “Großen” der DDR soll dem Argument entgegengesetzt werden, “die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen”. Das Urteil über uns soll damit den Weg völlig frei machen, um auch die Kleinen zu “hängen”. Schon bisher hat man sich allerdings hierbei wenig Zwang auferlegt.
Der Prozess soll die Grundlage für die Brandmarkung der DDR als “Unrechtsstaat” bilden. Ein Staat, der von solchen “Verbrechern” wie uns von “Totschlägern” regiert wurde, kann nur ein “Unrechtsstaat” sein. Wer ihm nahestand, wer ein pflichtbewusster Bürger der DDR war, soll mit einem Kainszeichen gebrandmarkt werden. Ein Unrechtsstaat kann natürlich nur von “Verbrecherischen Organisationen” wie dem MfS, der SED usw. geführt und gestützt worden sein. Kollektivschuld, kollektive Verurteilung soll an die Stelle individueller Verantwortlichkeit treten, um das Fehlen von Beweisen für die behaupteten Verbrechen zu verschleiern. Pfarrer aus der DDR geben ihren Namen für eine neue Inquisition, für eine moderne Hexenjagd. Millionen werden so gnadenlos ausgegrenzt, aus der Gesellschaft ausgestoßen. Vielen werden die Existenzmöglichkeiten bis aufs Äußerste eingeschränkt. Es reicht, als IM registriert worden zu sein, um den bürgerlichen Tod zu erleiden. Der Journalist als Denunziant wird hoch gelobt und reich entlohnt, nach seinem Opfer fragt niemand. Die Zahl der Selbstmorde ist tabu. Das alles unter einer Regierung, die sich christlich und liberal nennt, sowie mit Duldung, ja sogar Unterstützung einer Opposition, die diesen Namen ebenso wenig verdient wie die Bezeichnung “sozial”. – Das alles geschieht mit dem selbstverliehenen Gütesiegel des Rechtsstaats.
Der Prozess offenbart seine politische Dimension auch als Prozess gegen Antifaschisten. Zu einer Zeit, in der der rechte neonazistische Mob ungestraft auf den Straßen tobt, Ausländer verfolgt und wie in Mölln ermordet werden, zeigt der Rechtsstaat seine ganze Kraft bei der Verhaftung demonstrierender Juden und eben bei der Verfolgung von Kommunisten. Hier fehlt es auch nicht an Beamten und Geld. Das alles hatten wir schon einmal.
Resümiert man den politischen Gehalt dieses Prozesses, so stellt er sich als Fortsetzung des Kalten Kriegs, als Negierung des neuen Denkens dar. Er enthüllt den wahren politischen Charakter dieser Bundesrepublik. Die Anklage, die Haftbefehle und der Beschluss des Gerichts über die Zulassung der Anklage sind geprägt vom Geist des Kalten Kriegs. Die Präjudizien zu den Gerichtsentscheidungen gehen auf das Jahr 1964 zurück. Die Welt hat sich seitdem geändert, aber die deutsche Justiz führt politische Prozesse, als regiere noch Wilhelm II. Sie hat die vorübergehende liberale politische “Schwäche”, die sie nach 1968 überfiel, wieder überwunden und ihre alte antikommunistische Hochform wiedergewonnen. Uns schalt man “Betonköpfe” und warf uns Reformunfähigkeit vor. – In diesem Prozess wird demonstriert, wo die Betonköpfe herrschen und wer reformunfähig ist. Nach außen ist man zwar äußerst geschmeidig, wird Gorbatschow die Ehrenbürgerschaft von Berlin verliehen, wird gnädig verziehen, dass er einst die sogenannten Mauerschützen durch seinen Eintrag in ihr Ehrenbuch belobigte, aber nach innen ist man “hart wie Kruppstahl”. Den einstigen Verbündeten von Gorbatschow stellt man dagegen vor Gericht. Gorbatschow und ich gehörten beide der kommunistischen Weltbewegung an. Es ist bekannt, dass wir in einigen wesentlichen Punkten verschiedener Meinung waren. Doch unsere Differenzen waren aus meiner damaligen Sicht geringer als unsere Gemeinsamkeiten. Mich hat der Bundeskanzler nicht mit Goebbels verglichen, und ich hätte ihm das auch nicht verziehen. Weder für den Bundeskanzler noch für Gorbatschow ist dieses Strafverfahren ein Hindernis für ihre Duzfreundschaft. Auch das ist kennzeichnend.
Ich bin am Ende meiner Erklärung. Tun Sie, was Sie nicht lassen können.
Quelle:
secarts
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[h=1](B) EINIGE GEDANKEN.....ÜBER DEN „RECHTSSTAAT“ BRD UND DEN „UNRECHTSSTAAT“ DDR[/h] von: K.Lehmann/Elke Haber am: 10.10. - 20:49Themen:
Soziale Kämpfe
Die im Moment recht intensiv geführte Debatte bezüglich der Einordnung der ehemaligen DDR als sogenannten Unrechtsstaat hat schon einige sehr interessante Aspekte. Aufgeflammt ist diese Debatte ja anlässlich des Versuchs nach den Wahlen in Thüringen eine Koalition aus den Parteien DIE LINKE, SPD und GRÜNE zu installieren in der die Partei DIE LINKE den Ministerpräsidenten stellen darf.
Die Unterhändler dieser Parteien sind ja wohl zu einer Übereinkunft bezüglich der Einordnung der ehemaligen DDR gekommen, welche darauf hinaus läuft, dass diese DDR eben ein „Unrechtsstaat“ war. Wobei ungesagt dabei mitschwingt, dass im Gegensatz dazu die ehemalige BRD und das heutige vereinigte Deutschland „Rechtsstaaten“ waren und sind. Nun muss man hier über die Bagage aus GRÜNEN und SPD nicht weiter reden, diese haben seit Jahrzehnten ihren reaktionären Charakter hinlänglich vorgeführt. Wenn sich aber Vertreter einer Partei, welche sich hochtrabend DIE LINKE nennt, zu solchen Feststellungen hinreißen lassen, dann verwundert doch immer wieder die Schnelligkeit und Dreistigkeit mit der, insbesondere von der Nomenklatura dieser Partei, Positionen über Bord geworfen werden und dem kapitalistischem System sozusagen in den Arsch gekrochen wird (interessanter Beitrag von Ernst Busch zu solcher Haltung: die Ballade vom Speiermann).
Die Charakterlosigkeit und die Prinzipienlosigkeit springen doch bei solch einem Verhalten regelrecht ins Auge. Es sei denn, diese Kräfte streben eine Entwicklung zum Sozialismus gar nicht an, sondern verhalten sich eben wie Wölfe im Schafspelz. In diesem Fall wäre ihre Handlungsweise nur folgerichtig. Aber selbst jene innerhalb der Partei DIE LINKE, welche die Vorgänge in Thüringen kritisieren, tun dies teilweise eher mit fragwürdigen Argumenten.
Der „Rechtsstaat“ BRD und vereinigtes Deutschland
Nicht wenigen Menschen, welche über einen gewissen Zeitraum diesen sogenannten Rechtsstaat genießen durften, wird wohl das Lachen im Halse stecken bleiben. Das Lachen, das ihnen eventuell ankommt, wenn sie eine solch pathetische Einordnung dieses Landes serviert bekommen. Viele arbeitende Menschen der BRD und Westberlins durften teilweise sehr schmerzhaft erfahren, wie demokratisch es in diesem kapitalistischen Staat zugeht und wer tatsächlich das Sagen hat und das Recht festlegt und spricht in diesem „Rechtsstaat“.
Wie jene Kollegen, welche in diversen Streikkämpfen und anderen Auseinandersetzungen nicht nur mit den brutalen Möglichkeiten der Kapitalisten zu tun hatten, sondern auch noch von den uniformierten Schlägertruppen des kapitalistischen Staatsapparates an die Gesetze des „Rechtsstaats Bundesrepublik“ erinnert wurden. Uns fallen da diverse Vorfälle in der Geschichte der BRD ein, sehr deutlich wurden diese Verhältnisse unter anderem bei den Kämpfen der Pierburg-Kollegen in Neuss (1973) wo mit scharfen Hunden und gezogenen Waffen gegen die Kollegen vorgegangen wurde. Auch bei Ford in Köln (1973) zeigte dieser Staat seine kapitalistische Fratze sehr deutlich. Hier ließ er seinen Polizeiapparat im Zusammenspiel mit dem Teil des Betriebsrates, der offen arbeiteraristokratisch agierte, gegen streikende Kollegen vorgehen. Solche gravierenden und tausende anderer mehr oder weniger dramatische Auseinandersetzungen durchziehen die Geschichte des „Rechtsstaates“ BRD. Die Menschen dieses Landes, die sich für eine sozialistische und teilweise kommunistische Entwicklung dieses „Rechtsstaates“ eingesetzt haben, könnten noch von ganz anderen Erfahrungen berichten. Sie waren natürlich auch in die oben beschriebenen Kämpfe involviert, darüber hinaus durch ihre fortschrittlichen gesellschaftlichen Vorstellungen, aber sozusagen ständig im Visier des „Rechtsstaates“. Das Zerschlagen von Demonstrationen solcher Menschen, das Verletzen, das Festnehmen, das vor Gericht zerren und verurteilen solcher Menschen war sozusagen an der Tagesordnung, von der alltäglichen Bespitzelung ganz zu schweigen. Das war mal stärker, mal schwächer je nach gesellschaftlicher Situation, teilweise führte solch eine Vorgehensweise auch zum Tod von Menschen, wie im Fall von Benno Ohnesorg. Gerade auch die Versuche dieses „Rechtsstaates“ die Ermordung von Benno Ohnesorg als quasi selbstverschuldetes Unglück darzustellen und die tatsächlichen Vorgänge zu verschleiern welche bis heute anhalten, sind ein exemplarisches Beispiel dafür, wie rechtsstaatlich dieser „Rechtsstaat“ gehandelt hat und weiterhin handelt.
Die zärtliche und liebevolle Umgangsweise dieses „Rechtsstaates“ mit allerlei rechtem Gesindel bis hin zu offenen Faschisten ist eine andere Facette dieser sogenannten Demokratie. Von faschistischen Saboteuren in der KGU, über die NPD in den 60zigern, über die Wehrsportgruppe Hoffmann, über die Pogromhelden in den Gebieten der ehemaligen DDR nach der sogenannten Wende bis zu den feigen und brutalen Mördern des NSU ist sich dieser „Rechtsstaat“ sozusagen treu geblieben. Und der Begriff
Rechtsstaat bekommt in diesem Zusammenhang noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.
Das Zusammenspiel des Staatsapparates und Teilen der sogenannten RAF ist ein Beispiel für dessen „Rechtsstaatlichkeit“ in einer scheinbar anderen Richtung des politischen Spektrums. Das Hochpuschen solcher von den Massenkämpfen losgelösten Bewegungen/Aktionen hat die Kräfte, die tatsächlich an einer Massenbasis für einen gesellschaftlichen Umbruch arbeiteten durchaus stark beeinträchtigt. Mit der sogenannten Rechtsstaatlichkeit nahmen es die staatlichen Instanzen in diesem Zusammenhang ähnlich genau wie bei ihrem Zusammenspiel mit den Nazis.
Wenn es auch in den 80ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in punkto gewerkschaftlicher und betrieblicher Kämpfe etwas ruhiger war in der BRD, so gab es doch diverse Beispiele für die „Rechtsstaatlichkeit“ der BRD. Bei den Auseinandersetzungen mit der sogenannten Hausbesetzerbewegung, der Antifa-Bewegung, sowie der Anti-Atomkraft-Bewegung. Wenn wir auch diesen Bewegungen kritisch (Hausbesetzer/Antifa) bis ablehnend (Anti-Atomkraft-Bewegung) gegenüberstehen, muss man einfach festhalten, dass dieser Staatsapparat in seinem Vorgehen gegen Menschen dieser Bewegungen sich nicht nur äußerst brutal verhielt, sondern auch noch oft genug gegen seine eigenen Gesetze verstieß. Zum Teil wird da aber auch das Kalkül dahinter gestanden haben, einer Bewegung Auftrieb zu geben, welche vom Klassenkampf für sozialistische Verhältnisse wegführt.
ÜBER DEN „UNRECHTSSTAAT“ DDR
Nachdem die sozialistische und kommunistische Bewegung Deutschlands im Zuge der faschistischen Naziherrschaft erheblich dezimiert wurde, war der Sieg über diese Mörderbande nur durch die Unterstützung internationaler Antifaschisten möglich. Die fortschrittlichen Kräfte, welche nach der Niederschlagung des Nazifaschismus versuchten eine fortschrittliche Gesellschaftsordnung zu etablieren, hatten mit enormen Problemen zu kämpfen. Die Gründung der DDR war der Versuch der massiven Sabotage, den diversen Anschlägen und den Plänen der westlichen Alliierten, Deutschland dauerhaft zu teilen, etwas entgegen zu setzen. Die nationale Einheit stand für die fortschrittlichen Kräfte der damaligen Zeit trotzdem nicht in Frage, sondern war ein wesentliches Ziel. Die sozialistischen Zielvorstellungen waren auch durchaus geeignet größere Teile, insbesondere der arbeitenden Bevölkerung, zu begeistern und zu gewinnen. Dies nicht nur in der DDR sondern auch in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands.
Selbstverständlich gab es auch erhebliche Widersprüche, es gab Reaktionäre und Faschisten, die natürlich ein erhebliches Problem mit einem sozialistischen Staat hatten. Und es gab eine Gesamtbevölkerung, die über einen relativ langen Zeitraum dem vergiftenden Einfluss von Nazipropaganda ausgesetzt war. Trotzdem fand die Propagierung des Sozialismus durchaus breiten Anklang, eben auch über die Gebiete der DDR hinaus.
Es müssen aber auch schon schwerwiegende Fehler in dieser Zeit von den Genossen in der DDR begangen worden sein. Dass es eine starke Fluchtbewegung in Richtung westliche Zonen gegeben hat, und dass sich 1953 ein berechtigter Arbeiterprotest teilweise von Reaktionären vereinnahmen ließ, muss auch Gründe in der Struktur in der damaligen kommunistischen-und Arbeiterbewegung gehabt haben. Im Weiteren meinen wir die Gründe für die Schwierigkeiten der DDR besser zu verstehen. Mit der Abkehr der Sowjetunion von einer zwar auch mit Fehlern behafteten, aber eben doch revolutionären Politik, hin zu einem Reformismus der zwangsläufig in die Bürgerlichkeit führen musste, war auch die Frage für die DDR gestellt, Revolution oder Reformismus.
Dass in der DDR in der Folge keine wirkliche Perspektive für die arbeitende Bevölkerung mehr aufgezeigt werden konnte. Dass sozialistische Sprechblasen an der Tagesordnung waren, die jeder als inhaltslos durchschauen konnte, weil sie weitestgehend im Widerspruch zur Realität standen. Dass Stagnation oder wenn es hoch kam lediglich eine erheblich gebremste Entwicklung stattfand. Dies waren Voraussetzungen dafür, dass es kaum noch Menschen gab, welche sich letztendlich gegen den Untergang der DDR stemmen wollten. Dass in der DDR die eigene Hymne nicht mehr gesungen werden konnte, weil in ihr das vereinigte Deutschland selbstverständlich thematisiert wurde, lässt ebenfalls tief blicken. Diese zwiespältige Haltung der Führung der DDR stand ebenfalls im Widerspruch zum berechtigten Wunsch der Bevölkerung nach nationaler Einheit.
So standen dann gewisse Repräsentanten der DDR plötzlich ziemlich allein da und selbst aus den eigenen Reihen tönte es plötzlich: Haben wir schon immer gewusst, Sozialismus und erst recht Kommunismus ist nicht möglich.
In der Zeit des Bestehens der DDR wird es berechtigte Unterdrückung von Faschisten und anderen Reaktionären in der DDR gegeben haben. Es wird auch ungerechtfertigte Übergriffe des Staatsapparates gegen Teile der Bevölkerung gegeben haben. Je mehr sich diese Führung verbürgerlicht/verspießert hat, den Sozialismus eher als Bedrohung denn als Perspektive empfunden hat, desto mehr werden auch Ungerechtigkeiten gegen die Bevölkerung stattgefunden haben. Ein sozialistischer Staat in dem die Bevölkerung nicht ständig den Apparatschiks auf die Pfoten haut, welche einen bürgerlichen/bürokratischen Weg gehen wollen, wird sich zwangsläufig negativ entwickeln. Kulturrevolution oder andere Methoden um eine Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung über Staats- bzw. Parteiapparate zu gewährleisten, sind wohl bei allen Fehlern und Ausreißern, die teilweise damit verbunden sind, trotzdem offensichtlich zwingend notwendig.
Die arbeitende Bevölkerung der DDR hat dies in dieser Form leider nicht gemacht, das lag mit Sicherheit auch an der Schwäche der fortschrittlichen Kräfte in unserem Land (uns selbstverständlich immer mit einbezogen). So endeten die DDR und das sozialistische Lager insgesamt, offensichtlich in erster Linie wegen eigener Fehler. Von Konterrevolution und Okkupation zu faseln, heißt doch sich selber in die Tasche zu schwindeln.
SIND DARAUS LEHREN GEZOGEN WORDEN
Das ist das eigentliche Drama bei diesen Vorgängen, dass diejenigen, die aus eigener Verantwortung dermaßen auf die Schnauze gefallen sind und damit der internationalen revolutionären Bewegung einen erheblichen Rückschlag bereitet haben, daraus scheinbar keine Lehren ziehen können. Dies ist uns nicht nur bei der Beschäftigung mit den Vorgängen in der Ukraine aufgestoßen, dass die „Reformisten“ des sozialistischen Lagers irgendwie nicht lernfähig oder lernwillig sind.
Und genau das macht sich auch in der Debatte um den angeblichen Unrechtsstaat DDR bemerkbar. Dieses hilflose gebaren derjenigen, welche zu Recht die Vorführung der DDR als „Unrechtsstaat“ zurückweisen (im Verhältnis zur BRD), ist schon sehr bezeichnend. Selbst wenn man jetzt nur von bürgerlichen Positionen aus argumentieren würde, so hätte man doch genug Argumente um diese Anwürfe zurückzuweisen. Vieles von dem, was man der DDR vorwirft, ist sowohl in der BRD wie auch im vereinigten Deutschland gängige Praxis gewesen und ist dies immer noch. Die Unterdrückung von kritischen Menschen, das verstoßen gegen die eigenen Gesetze, da haben sich doch beide Staaten nichts genommen.Für die DDR gilt dies zumindest für ihre letzte Phase, als Sozialismus für die Führung sowieso nur noch Schall und Rauch war. Das mag vielleicht in der BRD etwas moderater gehandhabt worden sein, mittels ihrer wirtschaftlichen Stärke konnte sie breitere Teile der Bevölkerung sozusagen ökonomisch etwas ruhiger stellen. Für sozialistische Aktivisten, die sich nicht bestechen ließen, galt solch eine moderate Vorgehensweise allerdings nicht.
Nun sind ja solche Führungskader der Partei DIE LINKE doch aber oftmals Menschen, welche den Marxismus-Leninismus studiert haben, diese müssten doch eigentlich solch einseitigen Anwürfen noch ganz anders entgegentreten können. Der Antagonistische Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, die weitest gehende Rechtlosigkeit von arbeitenden Menschen dieser Gesellschaft, das brutale Vorgehen des Staatsapparates gegen fortschrittliche Menschen dieses Landes, die Verfilzung staatlicher Instanzen mit einer Nazi-Mörderbande, die ständige Lohndrückerei und die Existenzvernichtung ganzer Belegschaften oder im „günstigsten“ Fall der massiven betrieblichen Lohndrückerei derselben, wären doch nur einige von sehr vielen griffigen Argumenten, welche man den reaktionären Hetzern, welche allgemein die DDR verdammen wollen, entgegen halten könnte. Der völkerrechtswidrige Überfall auf Jugoslawien und die diversen weiteren imperialistischen Gräueltaten, welche durch das vereinigte Deutschland begangen wurden, wären doch ebenfalls geeignete Anmerkungen bezüglich des „Rechtsstaates“ Deutschland.
Solche Menschen, die Kenntnisse über Marxismus-Leninismus haben, sollten darüber hinaus doch ebenfalls in der Lage sein, den Unterschied von Diktatur der Bourgeoisie und Diktatur des Proletariats darzustellen. Dass sowohl in der BRD aber auch im vereinigten Deutschland eben die Diktatur der Bourgeoisie herrschte und herrscht, war und ist vielen politisch aktiven Menschen sehr bewusst. Viele arbeitende Menschen dieses Landes spüren diese Verhältnisse unbewusst aber deutlich. Aber auch wenn die Diktatur hier zurzeit teilweise sehr leise und schleichend daher kommt, die Vergangenheit hat es bewiesen und die Zukunft wird es zeigen, bei Verschärfung der Widersprüche holt die herrschende kapitalistische Klasse den Hammer heraus.
Doch weite Kreise der Nomenklatura der Partei DIE LINKE greifen diese Wahrheiten nicht auf, sie möchten doch so gerne auch zu dieser Bande gehören, die hier weiten Teilen der Bevölkerung im Nacken sitzt. Teile der restlichen Linken dieses Landes verlieren sich in irgendwelchen dekadenten Projekten, die sie dann auch gern mal zusammen mit Institutionen des kapitalistischen Staates betreiben. Für solch profane Vorgänge wie Lohnkampf, Klassenkampf, die Entwicklung Deutschlands nach der Niederschlagung des Nazi-Faschismus haben sie doch gar keine Zeit mehr und auch kein Interesse.
Kritik an der ehemaligen DDR und den verantwortlichen Genossen ist sicherlich berechtigt. Den Reaktionären dieses Landes aber speichelleckend hinterher zu hecheln, ist aber keinesfalls zu entschuldigen. Vieles von dem, was in der DDR vorangetrieben wurde, als tatsächlich noch Sozialismus/Kommunismus das Ziel war, ist bis heute sichtbar, anderes zumindest in der Erinnerung vieler Menschen vorhanden. Das sind Verdienste und Errungenschaften, die man nicht einfach mit Füßen treten sollte. Die einfachen Genossen der Partei DIE LINKE sollten doch ihren Oberkopfeten dies alsbald mal nachdrücklich erklären.
K. Lehmann/Elke Haber 9.10.2014
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[h=4]Kolumne Liebeserklärung[/h][h=1]Der Unrechtsstaat[/h]Der Begriff gibt uns Kraft und Orientierung. Er ist auch wichtig für die Grünen. Wie sonst könnte man sich noch sicher sein, dass man bei den Guten ist?
Für die heutige Politik sollte die Frage, wie man die DDR nennt, völlig schnurz sein. Bild: dpa
Dass die DDR ein unappetitlicher Drecksstaat war, sollte jedem klar sein, der einigermaßen bei Sinnen ist. Für die heutige Politik hingegen sollte die Frage, wie man die DDR denn nun nennt, völlig schnurz sein. Ist sie aber nicht. Und zwar keineswegs nur dem folkloristischen Teil der Linkspartei, der
ein bisschen weinen muss, wenn man von einem „Unrechtsstaat“ spricht.
Dieses Branding ist auf der anderen Seite auch für SPD und vor allem Grüne identitätsstiftend. Wie sonst könnten wir noch sicher sein, dass wir die Guten sind? Klar, die Mauertoten, ein typisches Merkmal eines Unrechtsstaates. Die toten afrikanischen Flüchtlinge im Todesstreifen namens Mittelmeer – natürlich auch nicht schön, aber doch wenigstens rechtsstaatlich tiptop ums Leben gekommen.
Dass irgendwelche völkischen Idioten in der Ukraine die pro-russischen Kräfte und die im Weg stehende Zivilbevölkerung meucheln – im Detail kritikwürdig, aber hier geht es um unsere westlichen Werte, den Rechtsstaat also. Dass irgendwelche völkischen Idioten in der Ukraine die pro-ukrainischen Kräfte und die im Weg stehende Zivilbevölkerung meucheln – ein Anschlag auf die Weltordnung, denn Russland ist ein Unrechtsstaat.
Kurzum: Um in diesen unübersichtlichen Zeiten noch Falsch und Richtig auseinanderhalten zu können, brauchen wir den Unrechtsstaat. Er gibt uns Halt und Kraft und wenigstens eine verlässliche Orientierung. Auch die Nazis schließlich haben sehr darauf geachtet, ihr Wirken auf rechtlich einwandfreie Füße zu stellen.
Diese Mühen dürfen nicht umsonst gewesen sein! Darum, liebe Thüringer Grüne, verteidigt ihn tapfer weiter für uns, den Unrechtsstaat DDR! Nicht, dass ihr beim nächsten völkerrechtswidrigen Bombardement des nächsten Unrechtsstaates nicht sicher wisst, auf welcher Seite ihr eigentlich steht.