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Balkanreise 1975

Du schreibst gut Grizzly, vielleicht solltest du mal ein Büchlein darüber schreiben? ;)

Danke, wurde ich im Bosnien-Forum auch schon gefragt.
Wenn ich Zeit finde, mich um einen Verlag zu kümmern, vielleicht.


Jetzt schreib ich erstmal hier weiter.



Anderntags bezog ich wieder auf meiner Insel Warteposition. Sowohl ich als auch die Dorfbewohner, mit denen ich darüber sprach, waren der Ansicht, dass irgendetwas passiert sein musste, und die Bootsfahrer z.B. aufgrund eines größeren Defekts die Tour abgebrochen haben mussten - immerhin handelte es sich bei den Wasserfahrzeugen um amerikanische Patrouillenboote aus dem Zweiten Weltkrieg, d.h. sie waren nicht mehr ganz neu. Und flussaufwärts gab es gefährliche Hindernisse w.z.B. einen 20 Meter hohen Wasserfall.

Die Möglichkeit, mit den Bootsfahrern oder meinen Wirtsleuten in Verbindung zu treten, gab es nicht. Niemand hatte Telefon oder ähnliches.

Ich beschloss also, auf gut Glück flussaufwärts in die Berge zu fahren. Ging zur Post, gab ein Telegramm an meine Wirtsleute in Dvor auf, worin ich ihnen die Lage mitteilte - in der Hoffnung, dass mein abenteuerliches Stoppelkroatisch verstanden würde, denn auf Deutsch oder Englisch ging das im Dorfpostamt von Ripać nicht. Löste eine Fahrkarte nach Martin Brod, dem Ausgangspunkt der Bootstour, oberhalb des erwähnten Wasserfalls.

Auf den nächsten Schienenbus musste ich nicht lange warten, im Gegensatz zu heute, wo auf dieser Strecke ein oder zwei Züge täglich oder womöglich auch gar keine mehr fahren.

Vor Ripać verlässt die Una eine lange Schlucht, diesen Weg fuhr der Zug jetzt in Gegenrichtung. Die Bahnlinie ging nicht mehr am Fluss entlang, sondern schraubte sich immer höher in die Berge, und die Una wurde von oben immer kleiner.

Nach der dritten Station, Loskun hiess sie meines Wissens, wurde es auf einmal laut im Zug, und es drängten sich die Passagiere am talseitigen Fenster. Die Ursache für die Aufregung: Zwei kleine schwarze Boote mit acht Leuten drin, auf der Una abwärts fahrend ... Ich stieg in Martin Brod aus und fuhr mit dem nächsten Zug zurück. In Ripać wurde ich wie ein alter Bekannter begrüßt, besonders von den Kindern.
 
P.S.
Die Zugverbindung zwischen Bosanski Novi und Knin ist womöglich vollkommen eingestellt - 2006 fuhr laut Zagreber Bahnhofsauskunft noch ein Zug täglich zwischen Bos. Novi und Bihać. 1998 gab es einen Konflikt um den Bahnhof Martin Brod:
Martin Brod ? Wikipedia
P.S. II
Inzwischen hab ich gehört, dass die Strecke zwischen Karlovac und Knin von den Kroaten seither vollkommen neu gebaut wurde, damit sie zwischen Zagreb und Split nicht mehr durch Bosnien fahren müssen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Drei Bahnstationen können mit dem Boot doch eine längere Strecke sein - bis abends war von den Booten noch nichts zu sehen. Quartier bekamm ich diesmal bei einer Witwe oder alleinerziehenden Mutter, deren ca. 14-jähriger autobegeisterter Sohn sich brennend für die Gebrauchtwagenpreise in Deutschland interessierte.

Jetzt gab es da ein Umrechnungsproblem. In den 70ern war ein jugoslawischer Dinar ca. 15 Pfennig, aber viele Leute rechneten unter sich noch in alten Dinar, d.h. dem Hundertfachen. Bereits 1966 waren nämlich zwei Nullen gestrichen worden, aber das hatte sich in den Köpfen der Leute - im Gegensatz zu dem, was Wikipedia zum Jugoslawischen Dinar schreibt, nicht nur der älteren - nicht durchgesetzt. Ich musste dem Guten die Autopreise also in seine alten Dinar umrechnen, mein erster (nach einem halben Jahr den Geist aufgegeben habender) VW-Käfer hatte mich also "Zweihunderttausend" = 300 DM gekostet.

Am nächsten Tag, ich war schon den dritten Tag in Ripać, gegen Mittag entstand ein Auflauf. Die gesamte Dorfjugend von Null an aufwärts (was noch nicht laufen konnte, wurde geschleppt) kam das Una-Ufer heruntergetobt:
"Čamac ! Čamac !"
"Zwei große schwarze Gummiboote "!
Die acht Bootsfahrer waren da, und überrascht um den begeisterten Empfang.

Vor dem Einladen musste noch ein kleiner Wasserfall überwunden werden, vielleicht einen Meter hoch. Dazu stieg erstmal einer aus, begutachtete die Wasserstände, dirigierte das Boot zu einer Stelle, an der eine große Wasserwelle über die Steine führte ... dann ruderten alle so kräftig wie sie konnten auf diese Stelle zu, und - platsch ! - lag das Boot samt Inhalt einen Meter tiefer, im Kreis trudelnd, bis die Insassen es abfangen konnten.

Für derartige Unternehmungen musste natürlich das gesamte Gepäck, das man für die Einwochentour dabei haben musste, in Plastiksäcke wasserdicht verpackt und fest verschnürt sein. Bis mein Rucksack soweit war, dauerte es eine Weile. Dann nahmen wir Abschied von Ripać und seinen Kindern und paddelten los.
 
Zuletzt bearbeitet:
Am frühen Nachmittag waren wir losgepaddelt. Im vorderen Boot waren es vier, im hinteren mit mir fünf Leute - wobei wir nur vier Paddel pro Boot hatten, und so immer eine/r Pause machen konnte. Zeitweise, wenn das Wasser ruhig war, schmiss Ante im vorderen Boot den Aussenbordmotor an (dessen zeitweiliger Defekt die anderthalbtägige Verspätung verschuldet hatte) und nahm das hintere Boot in Schlepp.

Ausser Ante waren alle Studenten, in den Zwanzigern wie ich, wobei ich nicht mehr alle acht zusammen bekomme. Zwei oder drei Frauen waren auch dabei. Ob es Serben oder Kroaten waren (Bosnier waren wohl keine dabei, jedenfalls hatte niemand einen muslimisch klingenden Vornamen) - keine Ahnung, das spielte keine Rolle. Ante sprach mit mir ein Gemisch aus Deutsch und Serbokroatisch (so hies die Landessprache damals offiziell), von den anderen sprachen mehrere Englisch - mit hartem slawischen Akzent. Einer hatte immer das Kommando im Boot, was bei Richtungwechseln wichtig war; ich machte als Untrainierter öfter schlapp als die andern und ich hab immer noch das Kommando im Ohr: "Stronggärr !"

Nachdem wir ein paar Stunden abwechselnd kleine Wasserfälle hinuntergehupft oder im ruhigem Wasser dem Motor gelauscht hatten, zogen wir die Boote auf einer Wiese an Land, bauten drei Zelte auf und machten Feuer. Ante schärfte mir ein, dass ich, falls Fremde kämen, im Zelt verschwinden sollte - sie würden den etwaigen Eigentümern der Wiese, auf de wir zelteten, dann erklären, sie seien eine militärische Übungsgruppe. Offensichtlich hatte damals jeder Jugoslawe das Recht, auf fremdem Grund zu kampieren, wenn er Mitglied einer Partisanenübungsgruppe war. Schliesslich hatten Titos Partisanen nach der offizellen Staatsideologie im Zweiten Weltkrieg den größten Teil des Landes befreit, deshalb, so wurde mir erzählt, fanden öfter Manöver in Zivil statt - so konnte jeder derartige Aktivitäten als Partisanenübung deklarieren. Und da passte ich als Bundesdeutscher nicht hin.

Tatsächlich kam nach kurzem ein Bauer. Ich verschwand im Zelt und konnte natürlich nur einen Bruchteil des Streitgesprächs mitbekommen, mangels Sprachverständnis. Erst war der Bauer sehr aufgebracht, ich verstand die Worte šator und vatra, anscheind passten ihm Zelte und Feuer nicht. Ante sprach beruhigend auf ihn ein, wir seien eine vojna grupa, eine Militärgruppe, er redete eine ganze Weile, und schliesslich klang die Stimme des Bauern versöhnlicher: "Vojna grupa - nema problema ..."
 
Ich möchte an dieser Stelle v.a. mal die älteren "gelernten" Jugos fragen, ob Ihr das auch so erlebt habt, dass man im alten Jugoslawien wild campen und sich im Bedarfsfall dann als Militärübungsgruppe deklarieren konnte ?
 
Ich möchte an dieser Stelle v.a. mal die älteren "gelernten" Jugos fragen, ob Ihr das auch so erlebt habt, dass man im alten Jugoslawien wild campen und sich im Bedarfsfall dann als Militärübungsgruppe deklarieren konnte ?
Kann ich leider nicht beantworten, da wir uns nicht als militärische Gruppe definieren konnten :mrgreen:

Wir hatten (jener Links, wenn man auf's Bild draufschaut, war nicht dabei) in Krk am Strand in unseren Schlafsäcken übernachtet und wurden wegen Vagabundage festgenommen und verbrachten 1 Nacht im Gefängnis.
War im Sommer 1973. Obiges Bild wurde Silvester 1973 aufgenommen. :mrgreen:
 
Sagmal Ivo, wieso habt ihr da alle gelbe Leiberl an? War das irgendein Verein oder so?
 
Sagmal Ivo, wieso habt ihr da alle gelbe Leiberl an? War das irgendein Verein oder so?
Nein kein Verein, wir waren "nur" beste Freunde. Die "Leiberln" stammten von meiner damaligen Firma und waren eine Werbung für Panda-Schokolade (Finnland) für welche wir damals in Österreich den alleinigen Vertrieb hatten, bis uns Konsum diesen weg nahm, da Panda auch Mitglied im Konsumverband war.
 
Nein kein Verein, wir waren "nur" beste Freunde. Die "Leiberln" stammten von meiner damaligen Firma und waren eine Werbung für Panda-Schokolade (Finnland) für welche wir damals in Österreich den alleinigen Vertrieb hatten, bis uns Konsum diesen weg nahm, da Panda auch Mitglied im Konsumverband war.

Achso. Warst du zu dieser Zeit schon in Österreich? Vielleicht hast du ja Lust genauso wie Grizzly über die alten Tage zu schreiben. ;)
 
Achso. Warst du zu dieser Zeit schon in Österreich? Vielleicht hast du ja Lust genauso wie Grizzly über die alten Tage zu schreiben. ;)
Ich bin länger österreichischer Staatsbürger, als die meisten User hier an Lenzen zählen. Im Juni werden es 49 Jahre wo ich in Österreich bin und schon über 45 Jahre die öst. Staatsbürgerschaft besitze.
Wir sollten Grizzly's Thread nicht vollspamen ;)
 
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