Vielleicht kann ich ein wenig Klarheit in die Diskussion um den Paneuropäischen Korridor bringen.
Zuvor etwas Grundsätzliches:
Paneuropäische Korridore haben das Ziel,
Güterverkehrskorridore* im Sinne der
EU-Verordnung 913/2010 zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr einzurichten. Zu diesem Zweck haben sich Arbeitsgemeinschaften (ARGE) aus mittel- und südosteuropäischen Eisenbahn-INFRASTRUKTUR-unternehmen auf Basis eines "Memorandum of Understanding" zusammengeschlossen. Ich selbst bin Mitglied beim Korridor X-Plus, einer österreichischer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Ges. b. R. - vergleichbar mit Vereinsstruktur) mit Sitz in Wien und setzte sich aus
10 Mitgliedern zusammen. Die Beschlüsse der 2. Paneuropäischen Konferenz von Kreta (März 1994) und der 3. Paneuropäischen Konferenz von Helsinki (Juni 1997) bilden das Fundament für die Gründung der Korridor-ARGE. Zweck dieser "Korridore" ist unter Anderem die Herstellung und Pflege von Beziehungen zu sowie die Zusammenarbeit mit Organisationen, Stellen und Vereinigungen, welche ähnliche Zwecke verfolgen und ähnliche Aktivitäten ausführen, insbesondere im Hinblick darauf, sich ergebende Synergien bestmöglich für den Verein zu nützen.
*Paneuropäische Korridore sind nicht nur Schienennetze, sondern auch Straßen und Wasserstraßen, manchmal (wie im Korridor VIII) auch kombiniert.
Die "Korridore" sind KEINE EU-Projekte (!!!) sondern lediglich Lobbying Organisationen. Nur so am Rande: Das Jahresbudget der Korridore beträgt zumeist
unter 10.000 Euro!
Um die Euphorie noch ein wenig ein zu dämmen, muss ich leider sagen, dass es einen durchgehenden Schienenkorridor Durres - Skopje - Sofia - Varna in den nächsten 40-50 Jahren sicher nicht geben wird. Hauptsächlich sind zwei Gründe dafür ausschlaggebend:
1. Es gibt derzeit - und auch auf sehr lange Zeit absehbar schlicht und einfach nicht die erforderlichen Verkehrsbeziehungen zwischen dem Adriahafen Durres und dem Schwarzen Meer, was nicht in ählicher Geschwindigkeit, jedenfalls aber deutlich billiger mit dem Schiff abgewickelt werden kann.
2. Die erforderlichen Infrastrukturausbauten sind weder von Albanien, Mazedonien oder Bulgarien finanzierbar. Die EU würde sich (wie übrigens bei allen anderen Schienenprojekten) mit maximal 50 % an den PLANUNGSKOSTEN betreiligen. Finanzierung und Bau muss national, allenfalls in einem PPP-Modell erfolgen. Vorausgesetzt es finden sich ausreichend Investoren.
Die
Planung wurde schon vor längerer Zeit ausgeschrieben. Hier auszugsweise der Inhalt:
Hauptgegenstand:
71320000 Planungsleistungen im Bauwesen — IA01 Entwurf und Konstruktion, MA08 Für die Eisenbahn
Ergänzender Gegenstand (ergänzende Gegenstände):
71242000 Entwurf und Gestaltung, Kostenschätzung
...
7.Beschreibung des Auftrags:
Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Eisenbahninfrastruktur entlang des Gesamtnetzes der Beobachtungsstelle für den Verkehr in Südosteuropa (South East Europe Transport Observatory — SEETO), so wie dieses in den überarbeiteten Leitlinien der Union für den Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes definiert wird, durch Schaffung einer Betriebskontinuität von Bahnkorridor VIII sowie die Erhöhung der sozioökonomischen Entwicklung in der Region Südeuropa durch die Verbesserung der Verbindungen der Verkehrsinfrastruktur.
Der spezifische Zweck des Projekts besteht im Erreichen der folgenden Ergebnisse, um die Projektunterlagen für den künftigen Bau eines neuen Eisenbahnabschnitts von Kicevo bis zur Grenze mit der Republik Albanien als Bestandteil des Korridors VIII mit einer Länge von ca. 63 km zu vervollständigen:
— ausführlicher und gebrauchsfertiger Entwurf für den Bau einer neuen elektrifizierten, eingleisigen Bahnstrecke vom bestehenden Bahnhof Kicevo zur Grenze mit Albanien gemäß der vorhandenen Durchführbarkeitsstudie, dem vorläufigen Entwurf, der Umweltverträglichkeitsprüfung und den in der EU bewährten Praktiken,
— gebrauchsfertige, vollständige Ausschreibungsunterlagen für den Bauauftrag und
— gebrauchsfertige Ausschreibungsunterlagen für Bauaufsichtsleistungen in Bezug auf diesen Bauauftrag.
9.Budget:
Maximales Budget: 8 000 000 EUR.
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:403217-2012:TEXT:DE:HTML&tabId=0
Abgesehen von den Netzlücken Elbasan - Kercova und Kumanovo - Gjueshevo müsste auch praktisch der gesamte Abschnitt in Albanien NEU errichtet werden, da der Zustand der albanischen Strecken nur mehr Zuggewichte bis ~ 250 Tonnen zulässt. Wenn man bedenkt, dass die Loks zumeist 80 to. wiegen, kann man noch ca. 3-4 Waggons anhängen. Güterverkehrsstrecken müssen aber auch in den Nadelöhren mindestens Zuggewichte von 2000 to. (Neigung, Kurvenradien, Brücken,...) zulassen und sinnvollerweise elektrifiziert sein. Unter Strom stehen derzeit ca. 700 der 1300 Kilometer Gesamtstrecke...
Mit anderen Worten: Der Korridor VIII wird noch lange Zeit bestenfalls als Strich auf der Landkarte existieren, in der Landschaft, oder gar am Verkehrsmarkt nie umgesetzt werden.
Dies in aller Bescheidenheit meine persönliche Meinung dazu.