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Beleidigungen nehmen im www-Netz ständig zu.
Den meisten ist das Problem nicht bewußt, andere spekulieren darauf, dass sie trotzdem nicht belangt werden, und schieben damit die Verantwortung und damit Haftung auf den Forenbetreiber, der ohnehin schon eine Menge an Leistungen erbringt und das Forum als Plattform der Kommunikation anbietet und finanziert.
Beleidigungen in sozialen Netzwerken: Braucht NRW eine "Facebook-Polizei"?
Von Rainer Striewski
Anfang März platzte Robert Stein der Kragen. Der Abgeordnete der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hatte gerade verfolgt, wie sich ein Shitstorm im Internet gegen Sportkommentator Marcel Reif und auch Bild-Chef Kai Diekmann zusammengebraut und schließlich entladen hatte. Das ging so weit, dass Marcel Reif beim Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 sogar tätlich angegriffen wurde. "Hasserfülltes Verhalten ist kein Ausdruck eines guten Miteinanders und schlichtweg nicht akzeptabel", fand Stein und griff in die Tasten. In seiner Funktion als Landtagsabgeordneter formulierte er eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Darin wollte er wissen, welche gesetzlichen Grundlagen es gegen Beleidigungen und Schmähungen in sozialen Netzwerken gäbe, und ob das Auslösen eines Shitstorms überhaupt strafbar sei.
Straftaten werden nicht gesondert erfasst
Die Antwort der Landesregierung kam Anfang April - und stellte Stein nicht zufrieden. "Darin hat die Landesregierung nur erklärt, dass Behörden bei derartigen Fällen ermitteln müssen. Sie hat aber nicht gesagt, ob sie's überhaupt tun", so Stein. Deshalb wollte er in einer neuen Anfrage wissen, wer genau bei Beleidigungen im Netz in NRW ermittelt und wie viele Ermittlungen seit 2010 überhaupt durchgeführt wurden. Die Antwort der Landesregierung liegt dem WDR nun vor. Darin erklärt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) für die Landesregierung: "Spezielle Dienststellen oder staatsanwaltschaftliche Sonderdezernate für Ermittlungen in sozialen Netzwerken sind nicht eingerichtet." Entsprechende Ermittlungen würden von den Kreispolizeibehörden und dem Landeskriminalamt (LKA) durchgeführt, so Kutschaty weiter.
Genaue Zahlen kann Kutschaty nicht liefern: "Die Straftaten in sozialen Netzen werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik und in den Justizstatistiken nicht gesondert erfasst", heißt es in der Antwort. Die Landesregierung könne nur Zahlen nennen, bei denen "das Internet als Tatmittel erfasst wurde", so der Justizminister. Und zumindest hier ist ein deutlicher Anstieg zu erkennen: Im Jahr 2010 tauchten in der Kriminalstatistik 643 Fälle von Beleidigungen oder Bedrohungen über das Internet auf. Vier Jahre später ist die Zahl bereits auf 3.855 gestiegen. Die Aufklärungsquote ist dabei relativ gleich geblieben: 2010 betrug sie 71,23 Prozent, im Jahr 2014 stieg sie geringfügig auf 72,79 Prozent.
Zentrale Dienststelle als Lösung?
Doch auch diese Zahlen haben für Robert Stein keine Aussagekraft. "Die Dunkelziffer wird viel höher liegen", vermutet der Landtagsabgeordnete. "Die Antwort ist ein einziger Offenbarungseid", kritisiert Stein. Statt die Ermittlungen bei den Kreispolizeibehörden oder dem LKA anzusiedeln, fordert Stein eine zentrale Dienststelle, die die Ermittlungen in diesem Bereich bündelt. "Das A und O in diesem Bereich ist die Erfahrung", erklärt Stein. Die könne man nur sammeln, wenn man das Know-how bündelt.
"Das würde unsere Probleme nicht lösen", meint hingegen Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in NRW. Denn: "Das Personal fehlt, in der Qualität und der Quantität - egal, ob nun in der Kreispolizeibehörde oder einer zentralen Dienststelle." Zudem verfüge das LKA in NRW bereits über ein "Cybercrime-Kompetenzzentrum". Dort werden laut LKA seit 2011 Anfragen anderer staatlicher Behörden und Institutionen in Sachen "Cybercrime" entgegengenommen und bearbeitet. "Und eine neue Dienststelle beim LKA hilft in der Sache nicht weiter", so Fiedler.
Stand: 26. Mai 2015
aus: WDR West Deutscher Rundfunk (wdr.de)
Den meisten ist das Problem nicht bewußt, andere spekulieren darauf, dass sie trotzdem nicht belangt werden, und schieben damit die Verantwortung und damit Haftung auf den Forenbetreiber, der ohnehin schon eine Menge an Leistungen erbringt und das Forum als Plattform der Kommunikation anbietet und finanziert.
Beleidigungen in sozialen Netzwerken: Braucht NRW eine "Facebook-Polizei"?
Von Rainer Striewski
- Zahl der Straftaten, die über das Internet begangen werden, ist gestiegen
- Straftaten in sozialen Netzwerken werden statistisch nicht gesondert erfasst
- Robert Stein (CDU) fordert zentrale Dienststelle bei der Polizei
Anfang März platzte Robert Stein der Kragen. Der Abgeordnete der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hatte gerade verfolgt, wie sich ein Shitstorm im Internet gegen Sportkommentator Marcel Reif und auch Bild-Chef Kai Diekmann zusammengebraut und schließlich entladen hatte. Das ging so weit, dass Marcel Reif beim Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 sogar tätlich angegriffen wurde. "Hasserfülltes Verhalten ist kein Ausdruck eines guten Miteinanders und schlichtweg nicht akzeptabel", fand Stein und griff in die Tasten. In seiner Funktion als Landtagsabgeordneter formulierte er eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Darin wollte er wissen, welche gesetzlichen Grundlagen es gegen Beleidigungen und Schmähungen in sozialen Netzwerken gäbe, und ob das Auslösen eines Shitstorms überhaupt strafbar sei.
Straftaten werden nicht gesondert erfasst
Die Antwort der Landesregierung kam Anfang April - und stellte Stein nicht zufrieden. "Darin hat die Landesregierung nur erklärt, dass Behörden bei derartigen Fällen ermitteln müssen. Sie hat aber nicht gesagt, ob sie's überhaupt tun", so Stein. Deshalb wollte er in einer neuen Anfrage wissen, wer genau bei Beleidigungen im Netz in NRW ermittelt und wie viele Ermittlungen seit 2010 überhaupt durchgeführt wurden. Die Antwort der Landesregierung liegt dem WDR nun vor. Darin erklärt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) für die Landesregierung: "Spezielle Dienststellen oder staatsanwaltschaftliche Sonderdezernate für Ermittlungen in sozialen Netzwerken sind nicht eingerichtet." Entsprechende Ermittlungen würden von den Kreispolizeibehörden und dem Landeskriminalamt (LKA) durchgeführt, so Kutschaty weiter.
Genaue Zahlen kann Kutschaty nicht liefern: "Die Straftaten in sozialen Netzen werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik und in den Justizstatistiken nicht gesondert erfasst", heißt es in der Antwort. Die Landesregierung könne nur Zahlen nennen, bei denen "das Internet als Tatmittel erfasst wurde", so der Justizminister. Und zumindest hier ist ein deutlicher Anstieg zu erkennen: Im Jahr 2010 tauchten in der Kriminalstatistik 643 Fälle von Beleidigungen oder Bedrohungen über das Internet auf. Vier Jahre später ist die Zahl bereits auf 3.855 gestiegen. Die Aufklärungsquote ist dabei relativ gleich geblieben: 2010 betrug sie 71,23 Prozent, im Jahr 2014 stieg sie geringfügig auf 72,79 Prozent.
Zentrale Dienststelle als Lösung?
Doch auch diese Zahlen haben für Robert Stein keine Aussagekraft. "Die Dunkelziffer wird viel höher liegen", vermutet der Landtagsabgeordnete. "Die Antwort ist ein einziger Offenbarungseid", kritisiert Stein. Statt die Ermittlungen bei den Kreispolizeibehörden oder dem LKA anzusiedeln, fordert Stein eine zentrale Dienststelle, die die Ermittlungen in diesem Bereich bündelt. "Das A und O in diesem Bereich ist die Erfahrung", erklärt Stein. Die könne man nur sammeln, wenn man das Know-how bündelt.
"Das würde unsere Probleme nicht lösen", meint hingegen Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in NRW. Denn: "Das Personal fehlt, in der Qualität und der Quantität - egal, ob nun in der Kreispolizeibehörde oder einer zentralen Dienststelle." Zudem verfüge das LKA in NRW bereits über ein "Cybercrime-Kompetenzzentrum". Dort werden laut LKA seit 2011 Anfragen anderer staatlicher Behörden und Institutionen in Sachen "Cybercrime" entgegengenommen und bearbeitet. "Und eine neue Dienststelle beim LKA hilft in der Sache nicht weiter", so Fiedler.
Stand: 26. Mai 2015
aus: WDR West Deutscher Rundfunk (wdr.de)